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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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geschrieben, nachdem er ihm seinen Schritt gemeldet: les 6v6nommes g, vMir,
fünf ass n^sieiAtions yui ckoivevt avoir lieu entre les puissavees deUiZL-
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der Konvention ihr rein militärischer Charakter, den sie doch bewahren mußte,
abgestreift, denn ihr Schicksal durfte nach dem Bündniß mit Frankreich nur
die Rückkehr unter französisches Kommando sein, und nie durften die Franzosen
von "Verhandlungen zwischen den kriegführenden Mächten" erfahren, die sie
ja nicht führten. Wenn deshalb wirklich der König, wohl am Abend, als ihm
Hardenberg die Nachrichten überbrachte, ausgerufen hat: "Da möchte einen ja
der Schlag rühren!" wenn er, wie der Staatskanzler Se. Marsan erzählte,
"überrascht und indignirt" war**), so ist das ganz begreiflich, und er verdient
durchaus nicht die Vorwürfe, die man ihm oft deshalb gemacht hat. Und
doch drückten jene Worte nicht den letzten Gedanken des Monarchen aus.
Denn am Tage nachher sprach er zwar bei der Paroleansgabe den Komman¬
deur Oberst von Kessel sehr ernst mit den Worten an: "Ich höre, daß auf
dem gestrigen Balle ganz falsche Nachrichten über die Dorische Kapitulation
verbreitet sind; ich allein habe die richtige Nachricht: Dorr hat kapitulirt und
wird vor ein Kriegsgericht gestellt. Sorgen Sie dafür, daß diese allein richtige
Nachricht verbreitet werde und jedes andere Gerücht verstummen müsse." Gleich
darauf aber war der König wieder ganz heiter, und jeder verstand den Sinn
der Worte***).

Aber mochte er persönlich den Vertrag von Tauroggen anch billigen, er
durfte sich durch dies Ereigniß nicht fortreißen lassen, er durfte ihn jetzt nicht
anerkennen. Dies hätte den sofortigen Ausbruch des Krieges mit Frank¬
reich bedeutet, und dieser würde den Staat in Todesgefahr gebracht, die Person
des Königs in die Gewalt der Franzosen geliefert haben. War man doch in
jenem Augenblicke weder Rußlands noch Oesterreichs sicher und militärisch so
gut wie wehrlos: gegenüber 12,000 Franzosen in Berlin und Spandau standen
1750 Mann Preußen in Berlin und Potsdam; von Magdeburg näherte
sich das Corps Grenier (24,000 Mann), dessen Spitzen bereits am 15-
Januar in Berlin eintrafen; an der Weichsel verfügten die Franzosen damals
noch über etwa 50,000 Mann; in den preußischen und andern norddeutschen





Oncken 129 f. Droysen I' 396 f.
**) Duncker a. a. O> So ganz unzweifelhaft sicher ist die Ueberlieferung wohl nicht;
Hardenberg hat die Worte bei Se. Marsan erzählt. -- Ueber das Ganze kurz anch Häußer 43 f.
***) Aus den Erinnerungen Kaiser Wilhelms bei Pertz a. a, O. Dort scheint es, als
ob die Worte am 3. Januar gesprochen seien, aber an diesem Tage konnte der König von
der Konvention als von einer abgeschlossenen noch nicht reden und ebenso wenig von
einem Kriegsgerichte über Uork, wohl aber am 5. oder 6. Januar.

geschrieben, nachdem er ihm seinen Schritt gemeldet: les 6v6nommes g, vMir,
fünf ass n^sieiAtions yui ckoivevt avoir lieu entre les puissavees deUiZL-
rg-vtss, ä6t!iäewnt sur leur sort kuwr (des Dorischen Corps*). Damit war
der Konvention ihr rein militärischer Charakter, den sie doch bewahren mußte,
abgestreift, denn ihr Schicksal durfte nach dem Bündniß mit Frankreich nur
die Rückkehr unter französisches Kommando sein, und nie durften die Franzosen
von „Verhandlungen zwischen den kriegführenden Mächten" erfahren, die sie
ja nicht führten. Wenn deshalb wirklich der König, wohl am Abend, als ihm
Hardenberg die Nachrichten überbrachte, ausgerufen hat: „Da möchte einen ja
der Schlag rühren!" wenn er, wie der Staatskanzler Se. Marsan erzählte,
„überrascht und indignirt" war**), so ist das ganz begreiflich, und er verdient
durchaus nicht die Vorwürfe, die man ihm oft deshalb gemacht hat. Und
doch drückten jene Worte nicht den letzten Gedanken des Monarchen aus.
Denn am Tage nachher sprach er zwar bei der Paroleansgabe den Komman¬
deur Oberst von Kessel sehr ernst mit den Worten an: „Ich höre, daß auf
dem gestrigen Balle ganz falsche Nachrichten über die Dorische Kapitulation
verbreitet sind; ich allein habe die richtige Nachricht: Dorr hat kapitulirt und
wird vor ein Kriegsgericht gestellt. Sorgen Sie dafür, daß diese allein richtige
Nachricht verbreitet werde und jedes andere Gerücht verstummen müsse." Gleich
darauf aber war der König wieder ganz heiter, und jeder verstand den Sinn
der Worte***).

Aber mochte er persönlich den Vertrag von Tauroggen anch billigen, er
durfte sich durch dies Ereigniß nicht fortreißen lassen, er durfte ihn jetzt nicht
anerkennen. Dies hätte den sofortigen Ausbruch des Krieges mit Frank¬
reich bedeutet, und dieser würde den Staat in Todesgefahr gebracht, die Person
des Königs in die Gewalt der Franzosen geliefert haben. War man doch in
jenem Augenblicke weder Rußlands noch Oesterreichs sicher und militärisch so
gut wie wehrlos: gegenüber 12,000 Franzosen in Berlin und Spandau standen
1750 Mann Preußen in Berlin und Potsdam; von Magdeburg näherte
sich das Corps Grenier (24,000 Mann), dessen Spitzen bereits am 15-
Januar in Berlin eintrafen; an der Weichsel verfügten die Franzosen damals
noch über etwa 50,000 Mann; in den preußischen und andern norddeutschen





Oncken 129 f. Droysen I' 396 f.
**) Duncker a. a. O> So ganz unzweifelhaft sicher ist die Ueberlieferung wohl nicht;
Hardenberg hat die Worte bei Se. Marsan erzählt. — Ueber das Ganze kurz anch Häußer 43 f.
***) Aus den Erinnerungen Kaiser Wilhelms bei Pertz a. a, O. Dort scheint es, als
ob die Worte am 3. Januar gesprochen seien, aber an diesem Tage konnte der König von
der Konvention als von einer abgeschlossenen noch nicht reden und ebenso wenig von
einem Kriegsgerichte über Uork, wohl aber am 5. oder 6. Januar.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/16>, abgerufen am 11.01.2025.