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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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hafter sind, behaupten, daß Prasenadjit noch gelebt und regiert habe, als
Ssakjamuni gestorben sei.

Trotz der Beschwerden eines Wanderpredigers unter einem glühenden
Tropenhimmel und trotz der Nachstellungen der Bramanen, die ihm wiederholt
nach dem Leben trachteten, erreichte der große Apostel der Gleichheit das acht¬
zigste Jahr. Aber im Jahre 543 v. Chr., als er sich gerade in Radjagriha
befand, erkrankte er und fühlte sein Ende herannahen. Da er in Ssrawasti
zu sterben wünschte, wollte er sich dahin schaffen lassen. Umgeben von zahl¬
reichen Getreuen, unter denen sein Vetter und Lieblingsschüler Ananda den
ersten Rang einnahm, machte er sich auf den Weg. Im Begriffe, über den
Ganges zu setzen, soll er Thränen vergossen haben, indem er einen letzten
Blick auf die Stadt Radjagriha geworfen, wo seine Predigten zuerst glänzenden
Erfolg gehabt hatten. Nachdem er den Strom überschritten, besucht
er die Stadt Waißali, die er ebenfalls mit Rührung betrachtete,
da er in ihrer Nähe seine Büßerjahre verlebt hatte. Er weihte hier mehrere
Geistliche, deren letzter der Bettler Snbhadra war. Während er dann weiter
nach Ssrawasti zu reiste, wurde er nicht fern von der Stadt Kußimgara
plötzlich von Schwäche befallen, so daß man Halt zu machen gezwungen war.
Seine Schüler legten ihn neben der Straße unter einen Ssalabaum, und hier
verschied er oder ging, wie die Buddhisten sagen, in das Nirwana ein. Das
Begrübniß des Buddha erfolgte unter Feierlichkeiten, wie sie sonst nur bei Be¬
stattung von Großkönigen stattfanden, die ganz Indien unter ihrem Szepter
hatten. Der berühmteste seiner Jünger, Kaßjapa, der Verfasser des metaplM
sischen Werkes "Abidharma", der in Radjagriha zurückgeblieben, eilte nach
Kußinagara. Hier wurde der Körper des Buddha erst acht Tage nach seinem
Tode verbrannt. Nach heftigen Streitigkeiten, die mit Blutvergießen zu endigen
drohten, und die man nnr im Namen der Sanftmuth und Eintracht, die der
Reformator als Erbtheil hinterlassen, zu beschwichtigen vermochte, wurden seine
Gebeine in acht Theile geschieden, von denen einer dem Könige von Magcidha,
ein andrer dem von Kossala und ein dritter den Ssakias von Kapilawastu
zugesandt wurde. Dann feierte man sieben Tage lang Feste zu Ehren des
"seligen Ssakjamuni, des wahrhaftigen und vollkommnen Buddha, Samjak-
sambuddha".




hafter sind, behaupten, daß Prasenadjit noch gelebt und regiert habe, als
Ssakjamuni gestorben sei.

Trotz der Beschwerden eines Wanderpredigers unter einem glühenden
Tropenhimmel und trotz der Nachstellungen der Bramanen, die ihm wiederholt
nach dem Leben trachteten, erreichte der große Apostel der Gleichheit das acht¬
zigste Jahr. Aber im Jahre 543 v. Chr., als er sich gerade in Radjagriha
befand, erkrankte er und fühlte sein Ende herannahen. Da er in Ssrawasti
zu sterben wünschte, wollte er sich dahin schaffen lassen. Umgeben von zahl¬
reichen Getreuen, unter denen sein Vetter und Lieblingsschüler Ananda den
ersten Rang einnahm, machte er sich auf den Weg. Im Begriffe, über den
Ganges zu setzen, soll er Thränen vergossen haben, indem er einen letzten
Blick auf die Stadt Radjagriha geworfen, wo seine Predigten zuerst glänzenden
Erfolg gehabt hatten. Nachdem er den Strom überschritten, besucht
er die Stadt Waißali, die er ebenfalls mit Rührung betrachtete,
da er in ihrer Nähe seine Büßerjahre verlebt hatte. Er weihte hier mehrere
Geistliche, deren letzter der Bettler Snbhadra war. Während er dann weiter
nach Ssrawasti zu reiste, wurde er nicht fern von der Stadt Kußimgara
plötzlich von Schwäche befallen, so daß man Halt zu machen gezwungen war.
Seine Schüler legten ihn neben der Straße unter einen Ssalabaum, und hier
verschied er oder ging, wie die Buddhisten sagen, in das Nirwana ein. Das
Begrübniß des Buddha erfolgte unter Feierlichkeiten, wie sie sonst nur bei Be¬
stattung von Großkönigen stattfanden, die ganz Indien unter ihrem Szepter
hatten. Der berühmteste seiner Jünger, Kaßjapa, der Verfasser des metaplM
sischen Werkes „Abidharma", der in Radjagriha zurückgeblieben, eilte nach
Kußinagara. Hier wurde der Körper des Buddha erst acht Tage nach seinem
Tode verbrannt. Nach heftigen Streitigkeiten, die mit Blutvergießen zu endigen
drohten, und die man nnr im Namen der Sanftmuth und Eintracht, die der
Reformator als Erbtheil hinterlassen, zu beschwichtigen vermochte, wurden seine
Gebeine in acht Theile geschieden, von denen einer dem Könige von Magcidha,
ein andrer dem von Kossala und ein dritter den Ssakias von Kapilawastu
zugesandt wurde. Dann feierte man sieben Tage lang Feste zu Ehren des
„seligen Ssakjamuni, des wahrhaftigen und vollkommnen Buddha, Samjak-
sambuddha".




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/144>, abgerufen am 23.07.2024.