Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Pfcnnigmagazin nachgebildet, nach Kräften für die Zwecke der Partei wirkt,
"de Tveschouwer" und die Jugendzeitung "Kindervriend" in Rotterdam. Neben
diesen Monats- oder Wochenblättern bestehen noch eine Anzahl von Kalendern,
Almanachen und Jahrbüchern ultramontaner Richtung, sowie verschiedene Hand¬
bücher für die zahlreichen katholischen Vereine und Bruderschaften. Das ver¬
breiterte dieser Produkte ist Thyms ..Volksalmanak voor Nederlandsche Katho-
lieken", der seit vierundzwauzig Jahren besteht und sich nur dadurch, daß er
sehr viele Gedichte enthält, von dem Alban Stolzschen "Kalender für Zeit und
Ewigkeit" unterscheidet, an den man sonst sofort erinnert wird. Der Jahrgang
^875 bringt kein einziges Gedicht, welches poetischen Werth Hütte. "Die Poesie
laßt sich eben nicht in den Dienst einer fanatischen Polemik stellen, wie sie hier
"leerer wieder durchbricht. Wir nennen beispielsweise die Gedichte auf Voudels
Bekehrung, Papst Hildebrands Tod, die gereimte Spötterei auf den vom
Orangutang entsprossenen Philosophen und den Vers an den Fürsten v. Bis-
"taret: "Ich geh'nicht nach Canossa. Wohl, Freund, wer spricht davon? Du
nebst wie der weiland Napoleon nach dem dir bestimmten Sedan." Das Gros
der andern Verse besteht ans Gelegenheitsgedichten, die sich selbst unter dieser
verrufenen Rubrik durch ihren unbedeutenden und geschmacklosen Inhalt ab¬
heben." Sonst verdient noch das "Jaarboekje opgedragen aan de leben van
de aartsbrvederschap der h. familie" Erwähnung, welches der Pastor Briukman
herausgibt, und das sich durch glühenden Haß gegen die Liberalen und durch
ekelhaft rohe Sprache auszeichnet. Die Liberalen sind nach ihm "Leute, die
ebensowenig Religion besitzen wie ein Pökelhering, wohl aber Wasser und Ge¬
stank, echte Lockvögel des Satans, die den Menschen Abfall von der katholischen
Kirche predigen, Speckjuden, verlaufene Domines (protestantische Geistliche),
die das Christenthum über Bord geworfen haben, Giftmischer, die unsre Nah¬
rung verpesten" und dergleichen schöne Redensarten mehr. Der Lieblingstrank
der Liberalen ist Menschenblut, sie sind schlimmer als die Kommunisten; "denn
sie sind nur zu feig, um mannhaft aufzutreten; ihre Handlungsweise aber
'se dieselbe, und ihr Wahlspruch ist: Kein Gott, keine Seele, kein Gottesdienst,
keine Ehe, keine Obrigkeit, kein Gesetzbuch. Gott muß ans der Familie, aus
dein Staate verbannt werden."

Wissenschaftlich sein wollende Blätter sind "Onze Wächter", von Schaep-
>nan und Nuyens herausgegeben nud der in Leyden erscheinende "Katholiek".
Das erstgenannte ist inhaltlich ganz unbedeutend. Wohl finden sich hier eine
Anzahl Aufsätze, die historisch zu sein beanspruchen, aber selbst von den ersten
Grundlagen unbefangner Geschichtsforschung schlechterdings keine Spur zeigen.
Auch das theologische oder gar das religiöse Element wird man hier vergebens
suchen; den Mittelpunkt von Allem bildet die päpstliche Politik, die vollständig


Pfcnnigmagazin nachgebildet, nach Kräften für die Zwecke der Partei wirkt,
»de Tveschouwer" und die Jugendzeitung „Kindervriend" in Rotterdam. Neben
diesen Monats- oder Wochenblättern bestehen noch eine Anzahl von Kalendern,
Almanachen und Jahrbüchern ultramontaner Richtung, sowie verschiedene Hand¬
bücher für die zahlreichen katholischen Vereine und Bruderschaften. Das ver¬
breiterte dieser Produkte ist Thyms ..Volksalmanak voor Nederlandsche Katho-
lieken", der seit vierundzwauzig Jahren besteht und sich nur dadurch, daß er
sehr viele Gedichte enthält, von dem Alban Stolzschen „Kalender für Zeit und
Ewigkeit" unterscheidet, an den man sonst sofort erinnert wird. Der Jahrgang
^875 bringt kein einziges Gedicht, welches poetischen Werth Hütte. „Die Poesie
laßt sich eben nicht in den Dienst einer fanatischen Polemik stellen, wie sie hier
»leerer wieder durchbricht. Wir nennen beispielsweise die Gedichte auf Voudels
Bekehrung, Papst Hildebrands Tod, die gereimte Spötterei auf den vom
Orangutang entsprossenen Philosophen und den Vers an den Fürsten v. Bis-
"taret: „Ich geh'nicht nach Canossa. Wohl, Freund, wer spricht davon? Du
nebst wie der weiland Napoleon nach dem dir bestimmten Sedan." Das Gros
der andern Verse besteht ans Gelegenheitsgedichten, die sich selbst unter dieser
verrufenen Rubrik durch ihren unbedeutenden und geschmacklosen Inhalt ab¬
heben." Sonst verdient noch das „Jaarboekje opgedragen aan de leben van
de aartsbrvederschap der h. familie" Erwähnung, welches der Pastor Briukman
herausgibt, und das sich durch glühenden Haß gegen die Liberalen und durch
ekelhaft rohe Sprache auszeichnet. Die Liberalen sind nach ihm „Leute, die
ebensowenig Religion besitzen wie ein Pökelhering, wohl aber Wasser und Ge¬
stank, echte Lockvögel des Satans, die den Menschen Abfall von der katholischen
Kirche predigen, Speckjuden, verlaufene Domines (protestantische Geistliche),
die das Christenthum über Bord geworfen haben, Giftmischer, die unsre Nah¬
rung verpesten" und dergleichen schöne Redensarten mehr. Der Lieblingstrank
der Liberalen ist Menschenblut, sie sind schlimmer als die Kommunisten; „denn
sie sind nur zu feig, um mannhaft aufzutreten; ihre Handlungsweise aber
'se dieselbe, und ihr Wahlspruch ist: Kein Gott, keine Seele, kein Gottesdienst,
keine Ehe, keine Obrigkeit, kein Gesetzbuch. Gott muß ans der Familie, aus
dein Staate verbannt werden."

Wissenschaftlich sein wollende Blätter sind „Onze Wächter", von Schaep-
>nan und Nuyens herausgegeben nud der in Leyden erscheinende „Katholiek".
Das erstgenannte ist inhaltlich ganz unbedeutend. Wohl finden sich hier eine
Anzahl Aufsätze, die historisch zu sein beanspruchen, aber selbst von den ersten
Grundlagen unbefangner Geschichtsforschung schlechterdings keine Spur zeigen.
Auch das theologische oder gar das religiöse Element wird man hier vergebens
suchen; den Mittelpunkt von Allem bildet die päpstliche Politik, die vollständig


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0111" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137812"/>
          <p xml:id="ID_267" prev="#ID_266"> Pfcnnigmagazin nachgebildet, nach Kräften für die Zwecke der Partei wirkt,<lb/>
»de Tveschouwer" und die Jugendzeitung &#x201E;Kindervriend" in Rotterdam. Neben<lb/>
diesen Monats- oder Wochenblättern bestehen noch eine Anzahl von Kalendern,<lb/>
Almanachen und Jahrbüchern ultramontaner Richtung, sowie verschiedene Hand¬<lb/>
bücher für die zahlreichen katholischen Vereine und Bruderschaften. Das ver¬<lb/>
breiterte dieser Produkte ist Thyms ..Volksalmanak voor Nederlandsche Katho-<lb/>
lieken", der seit vierundzwauzig Jahren besteht und sich nur dadurch, daß er<lb/>
sehr viele Gedichte enthält, von dem Alban Stolzschen &#x201E;Kalender für Zeit und<lb/>
Ewigkeit" unterscheidet, an den man sonst sofort erinnert wird. Der Jahrgang<lb/>
^875 bringt kein einziges Gedicht, welches poetischen Werth Hütte. &#x201E;Die Poesie<lb/>
laßt sich eben nicht in den Dienst einer fanatischen Polemik stellen, wie sie hier<lb/>
»leerer wieder durchbricht. Wir nennen beispielsweise die Gedichte auf Voudels<lb/>
Bekehrung, Papst Hildebrands Tod, die gereimte Spötterei auf den vom<lb/>
Orangutang entsprossenen Philosophen und den Vers an den Fürsten v. Bis-<lb/>
"taret: &#x201E;Ich geh'nicht nach Canossa. Wohl, Freund, wer spricht davon? Du<lb/>
nebst wie der weiland Napoleon nach dem dir bestimmten Sedan." Das Gros<lb/>
der andern Verse besteht ans Gelegenheitsgedichten, die sich selbst unter dieser<lb/>
verrufenen Rubrik durch ihren unbedeutenden und geschmacklosen Inhalt ab¬<lb/>
heben." Sonst verdient noch das &#x201E;Jaarboekje opgedragen aan de leben van<lb/>
de aartsbrvederschap der h. familie" Erwähnung, welches der Pastor Briukman<lb/>
herausgibt, und das sich durch glühenden Haß gegen die Liberalen und durch<lb/>
ekelhaft rohe Sprache auszeichnet. Die Liberalen sind nach ihm &#x201E;Leute, die<lb/>
ebensowenig Religion besitzen wie ein Pökelhering, wohl aber Wasser und Ge¬<lb/>
stank, echte Lockvögel des Satans, die den Menschen Abfall von der katholischen<lb/>
Kirche predigen, Speckjuden, verlaufene Domines (protestantische Geistliche),<lb/>
die das Christenthum über Bord geworfen haben, Giftmischer, die unsre Nah¬<lb/>
rung verpesten" und dergleichen schöne Redensarten mehr. Der Lieblingstrank<lb/>
der Liberalen ist Menschenblut, sie sind schlimmer als die Kommunisten; &#x201E;denn<lb/>
sie sind nur zu feig, um mannhaft aufzutreten; ihre Handlungsweise aber<lb/>
'se dieselbe, und ihr Wahlspruch ist: Kein Gott, keine Seele, kein Gottesdienst,<lb/>
keine Ehe, keine Obrigkeit, kein Gesetzbuch. Gott muß ans der Familie, aus<lb/>
dein Staate verbannt werden."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_268" next="#ID_269"> Wissenschaftlich sein wollende Blätter sind &#x201E;Onze Wächter", von Schaep-<lb/>
&gt;nan und Nuyens herausgegeben nud der in Leyden erscheinende &#x201E;Katholiek".<lb/>
Das erstgenannte ist inhaltlich ganz unbedeutend. Wohl finden sich hier eine<lb/>
Anzahl Aufsätze, die historisch zu sein beanspruchen, aber selbst von den ersten<lb/>
Grundlagen unbefangner Geschichtsforschung schlechterdings keine Spur zeigen.<lb/>
Auch das theologische oder gar das religiöse Element wird man hier vergebens<lb/>
suchen; den Mittelpunkt von Allem bildet die päpstliche Politik, die vollständig</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0111] Pfcnnigmagazin nachgebildet, nach Kräften für die Zwecke der Partei wirkt, »de Tveschouwer" und die Jugendzeitung „Kindervriend" in Rotterdam. Neben diesen Monats- oder Wochenblättern bestehen noch eine Anzahl von Kalendern, Almanachen und Jahrbüchern ultramontaner Richtung, sowie verschiedene Hand¬ bücher für die zahlreichen katholischen Vereine und Bruderschaften. Das ver¬ breiterte dieser Produkte ist Thyms ..Volksalmanak voor Nederlandsche Katho- lieken", der seit vierundzwauzig Jahren besteht und sich nur dadurch, daß er sehr viele Gedichte enthält, von dem Alban Stolzschen „Kalender für Zeit und Ewigkeit" unterscheidet, an den man sonst sofort erinnert wird. Der Jahrgang ^875 bringt kein einziges Gedicht, welches poetischen Werth Hütte. „Die Poesie laßt sich eben nicht in den Dienst einer fanatischen Polemik stellen, wie sie hier »leerer wieder durchbricht. Wir nennen beispielsweise die Gedichte auf Voudels Bekehrung, Papst Hildebrands Tod, die gereimte Spötterei auf den vom Orangutang entsprossenen Philosophen und den Vers an den Fürsten v. Bis- "taret: „Ich geh'nicht nach Canossa. Wohl, Freund, wer spricht davon? Du nebst wie der weiland Napoleon nach dem dir bestimmten Sedan." Das Gros der andern Verse besteht ans Gelegenheitsgedichten, die sich selbst unter dieser verrufenen Rubrik durch ihren unbedeutenden und geschmacklosen Inhalt ab¬ heben." Sonst verdient noch das „Jaarboekje opgedragen aan de leben van de aartsbrvederschap der h. familie" Erwähnung, welches der Pastor Briukman herausgibt, und das sich durch glühenden Haß gegen die Liberalen und durch ekelhaft rohe Sprache auszeichnet. Die Liberalen sind nach ihm „Leute, die ebensowenig Religion besitzen wie ein Pökelhering, wohl aber Wasser und Ge¬ stank, echte Lockvögel des Satans, die den Menschen Abfall von der katholischen Kirche predigen, Speckjuden, verlaufene Domines (protestantische Geistliche), die das Christenthum über Bord geworfen haben, Giftmischer, die unsre Nah¬ rung verpesten" und dergleichen schöne Redensarten mehr. Der Lieblingstrank der Liberalen ist Menschenblut, sie sind schlimmer als die Kommunisten; „denn sie sind nur zu feig, um mannhaft aufzutreten; ihre Handlungsweise aber 'se dieselbe, und ihr Wahlspruch ist: Kein Gott, keine Seele, kein Gottesdienst, keine Ehe, keine Obrigkeit, kein Gesetzbuch. Gott muß ans der Familie, aus dein Staate verbannt werden." Wissenschaftlich sein wollende Blätter sind „Onze Wächter", von Schaep- >nan und Nuyens herausgegeben nud der in Leyden erscheinende „Katholiek". Das erstgenannte ist inhaltlich ganz unbedeutend. Wohl finden sich hier eine Anzahl Aufsätze, die historisch zu sein beanspruchen, aber selbst von den ersten Grundlagen unbefangner Geschichtsforschung schlechterdings keine Spur zeigen. Auch das theologische oder gar das religiöse Element wird man hier vergebens suchen; den Mittelpunkt von Allem bildet die päpstliche Politik, die vollständig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/111
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/111>, abgerufen am 23.07.2024.