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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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zielt der höhere Offiziersstand rekrutirt, entweder offen ultramontan, oder sie
gehören wenigstens zu den schon längst nicht mehr verschämten Gesinnungsge¬
nossen. Mit dürren Worten heißt es in der "Tydschrift van de Evangelische
Maatschapph" von 1875 über diese Sachlage: Mit unleugbarer Furcht wurde
in den letzten Jahren von allen, welche die Freiheit lieb haben, bemerkt, daß
in unsern Regierungskreisen und an dem Hofe unseres Königs mehr und mehr
der ultramontane Einfluß sich geltend machte. Daß in der Armee mit Vor¬
liebe Nömischkatholische sowohl in höheren als in niedern Graden angestellt
wurden, war nicht zu verkennen. Daß das königliche Militärkreuz fortwährend
Römischkatholischen verliehen wurde, bewiesen die Namen. Daß in dem Stall¬
dienst Seiner Majestät, zumal seit Herr de Posson zum Stallmeister ernannt
war, beständig Römischkatholische angestellt wurden, wurde hier und da laut¬
bar. Ganz allmählich begann Seine Majestät unser König sich in einer Um¬
gebung zu bewegen, auf welche der Einfluß der römischen Priester seine Macht
ausüben konnte. -- Hunderte von Fällen, wo Katholiken am Hofe und im
Heere bevorzugt wurden, bleiben aus dem einfachen Grunde unberücksichtigt,
weil es dem anständigen Menschen nicht einfällt, statt nach der Leistung nach
der Konfession zu fragen, und die unermüdlich rührige Jesnitenpartei, die nur
diesen Gesichtspunkt kennt, meist von vornherein gewonnenes Spiel hat. Ja
selbst wenn ein einzelner Fall einmal Aufsehen erregt und zu größerer Vor¬
sicht veranlaßt -- wie bald ist das wieder vergessen, während die römische
Maschinerie keinen Augenblick still steht! Nur eine ähnliche ununterbrochene
systematische Wachsamkeit könnte die stets wachsende Gefahr wenigstens ein¬
dämmen." "Unwillkürlich gewinnt man bei der Musterung der keolksiK
mMtanK in Holland und namentlich ihrer Presse den Eindruck, als ob ihre
Führer sich einem zusammensinkenden Staatswesen und einer auseinander¬
gefallenen Kirche gegenüber als glückliche Eroberer fühlten, denen die Beute
von selbst in den Schoß fallen müßte."

Wenden wir uns den Führern der holländischen Ultramontanen zu, so
begegnen wir derselben Erscheinung wie in Deutschland, Wie hier die Phrasen¬
macher der Partei im Reichstage die erste Geige spielen und nicht die dem
moralischen Selbstmorde verfallnen Bischöfe, so in Holland die Dichter, die
Schriftsteller und die Redner. Zunächst ist von diesen Alberdingk Thym, der
amsterdamer Kaufmann, zu nennen, der sich als Dichter einen Namen gewacht
hat, und der als Mitarbeiter am Hauptblatte der Klerikalen, dem "Tyd", als
Redakteur der Zeitschrift "Dietsche Waraude", als Herausgeber des "Volks-
almanak" und als Verfasser verschiedener Broschüren fanatisch gegen alles, was
mit der Reformation und der Renaissance zusammenhängt, zu Felde zu ziehen
pflegt. Ganz in derselben Art hat Schaepmann seiue dichterische Begabung


zielt der höhere Offiziersstand rekrutirt, entweder offen ultramontan, oder sie
gehören wenigstens zu den schon längst nicht mehr verschämten Gesinnungsge¬
nossen. Mit dürren Worten heißt es in der „Tydschrift van de Evangelische
Maatschapph" von 1875 über diese Sachlage: Mit unleugbarer Furcht wurde
in den letzten Jahren von allen, welche die Freiheit lieb haben, bemerkt, daß
in unsern Regierungskreisen und an dem Hofe unseres Königs mehr und mehr
der ultramontane Einfluß sich geltend machte. Daß in der Armee mit Vor¬
liebe Nömischkatholische sowohl in höheren als in niedern Graden angestellt
wurden, war nicht zu verkennen. Daß das königliche Militärkreuz fortwährend
Römischkatholischen verliehen wurde, bewiesen die Namen. Daß in dem Stall¬
dienst Seiner Majestät, zumal seit Herr de Posson zum Stallmeister ernannt
war, beständig Römischkatholische angestellt wurden, wurde hier und da laut¬
bar. Ganz allmählich begann Seine Majestät unser König sich in einer Um¬
gebung zu bewegen, auf welche der Einfluß der römischen Priester seine Macht
ausüben konnte. — Hunderte von Fällen, wo Katholiken am Hofe und im
Heere bevorzugt wurden, bleiben aus dem einfachen Grunde unberücksichtigt,
weil es dem anständigen Menschen nicht einfällt, statt nach der Leistung nach
der Konfession zu fragen, und die unermüdlich rührige Jesnitenpartei, die nur
diesen Gesichtspunkt kennt, meist von vornherein gewonnenes Spiel hat. Ja
selbst wenn ein einzelner Fall einmal Aufsehen erregt und zu größerer Vor¬
sicht veranlaßt — wie bald ist das wieder vergessen, während die römische
Maschinerie keinen Augenblick still steht! Nur eine ähnliche ununterbrochene
systematische Wachsamkeit könnte die stets wachsende Gefahr wenigstens ein¬
dämmen." „Unwillkürlich gewinnt man bei der Musterung der keolksiK
mMtanK in Holland und namentlich ihrer Presse den Eindruck, als ob ihre
Führer sich einem zusammensinkenden Staatswesen und einer auseinander¬
gefallenen Kirche gegenüber als glückliche Eroberer fühlten, denen die Beute
von selbst in den Schoß fallen müßte."

Wenden wir uns den Führern der holländischen Ultramontanen zu, so
begegnen wir derselben Erscheinung wie in Deutschland, Wie hier die Phrasen¬
macher der Partei im Reichstage die erste Geige spielen und nicht die dem
moralischen Selbstmorde verfallnen Bischöfe, so in Holland die Dichter, die
Schriftsteller und die Redner. Zunächst ist von diesen Alberdingk Thym, der
amsterdamer Kaufmann, zu nennen, der sich als Dichter einen Namen gewacht
hat, und der als Mitarbeiter am Hauptblatte der Klerikalen, dem „Tyd", als
Redakteur der Zeitschrift „Dietsche Waraude", als Herausgeber des „Volks-
almanak" und als Verfasser verschiedener Broschüren fanatisch gegen alles, was
mit der Reformation und der Renaissance zusammenhängt, zu Felde zu ziehen
pflegt. Ganz in derselben Art hat Schaepmann seiue dichterische Begabung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/108>, abgerufen am 03.07.2024.