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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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größter Noth, denn schon im Laufe des Nachmittags war auch hier der letzte
Tropfen Wasser verausgabt. Die Kasaken dagegen konnten erst am andern
Morgen sich an dem ihnen zugeführten Wasser erquicken. Der Gefahr des
Verdurstens waren sie entgangen, ihre Kräfte aber waren geschwunden. Ein¬
zeln, mit genauer Noth erreichten sie die Infanterie oder andere den Brunnen
Vala-ischein, wohin am Morgen des 21. April das Jnfanterie-Echelon beordert
wurde.

Gegen 200 Mann waren in Folge von Entkräftung und zum Theil vom
Sonnenstich getroffen, außer Stande zu gehen oder zu reiten. Der Marsch
bis zum Rande der Chiwa-Oase nahm aller Wahrscheinlichkeit nach noch
10--12 Tage in Anspruch. Den für diese Zeit nothwendigen Wasservorrath
mitzuführen, war rein unmöglich, -- und so wäre jeder Versuch, den Marsch
auf Chiwa wieder aufzunehmen, als ein tollkühnes Spielen mit dem Geschick
der Truppen zu kennzeichnen gewesen. Hiervon überzeugt, entschied sich der
Oberst Markosow, das ganze Detachement nach Kraßnowvdssk zurückzuführen. --
Am 14. Mai traf das letzte Echelon dort ein. -- Die Truppen hatten im
Ganzen 960 Werst in 57 Tagen durchzogen, davon die etwa 520 Werst lange
Strecke von Tschikischljar bis vor Orta-kuju in 33, und den Rückweg von dort
bis Kraßnowvdssk 440 Werst in 24 Tagen. Todt blieben nur 3 Maun.

Wenden wir uns nunmehr wieder zu den Truppen zurück, welche glück¬
licher als die Kaukasier des Obersten Markosow, bereits die Chiwa-Oase be¬
treten hatten/

Nachdem das orenburgische Detachement am 8. Mai bei Kungrad zuerst
mit dem Feinde Fühlung gewonnen hatte, erreichte es, letzteren vor sich her¬
treibend, und bereits mit dem mangyschlak'schen Detachement vereinigt, am
13. Mai Chodjeili und am 20. Mangyt. Hier hatten sich die Chiwesen in
einer ungefähren Stärke von 3000 Mann gestellt, wurden aber wieder ge¬
worfen, so daß der General Werewkin über Gurken direct auf Chiwa mar-
schiren konnte, und am 25. Mai nur noch einen Tagemarsch von der Haupt¬
stadt des Chanats entfernt war. Nachdem er am 26. Mai 8 Werst weiter
vorgerückt war, und am folgenden Tage einen feindlichen Ausfall aus der
Stadt zurückgewiesen hatte, gelang es ihm am 28. einen Theil seiner Truppen
und besonders eine Bergbatterie bis dicht vor das Nordthor vorzuschieben.

Das turkestanische Detachement hatte, nach Einnahme der Festung Cha-
sarasp, auch seinerseits den Vormarsch gegen die Stadt Chiwa angetreten, wo
in Folge des so energischen Vorgehens der Russen Alles den Kopf verloren
hatte. Seid-Rachim war geflüchtet, und sein 20jähriger Bruder als Chan
ausgerufen. Es herrschte die vollständigste Anarchie: die einen wollten Frieden,
die andern drangen ans Fortsetzung des Krieges. -- Während der neue Chan


größter Noth, denn schon im Laufe des Nachmittags war auch hier der letzte
Tropfen Wasser verausgabt. Die Kasaken dagegen konnten erst am andern
Morgen sich an dem ihnen zugeführten Wasser erquicken. Der Gefahr des
Verdurstens waren sie entgangen, ihre Kräfte aber waren geschwunden. Ein¬
zeln, mit genauer Noth erreichten sie die Infanterie oder andere den Brunnen
Vala-ischein, wohin am Morgen des 21. April das Jnfanterie-Echelon beordert
wurde.

Gegen 200 Mann waren in Folge von Entkräftung und zum Theil vom
Sonnenstich getroffen, außer Stande zu gehen oder zu reiten. Der Marsch
bis zum Rande der Chiwa-Oase nahm aller Wahrscheinlichkeit nach noch
10—12 Tage in Anspruch. Den für diese Zeit nothwendigen Wasservorrath
mitzuführen, war rein unmöglich, — und so wäre jeder Versuch, den Marsch
auf Chiwa wieder aufzunehmen, als ein tollkühnes Spielen mit dem Geschick
der Truppen zu kennzeichnen gewesen. Hiervon überzeugt, entschied sich der
Oberst Markosow, das ganze Detachement nach Kraßnowvdssk zurückzuführen. —
Am 14. Mai traf das letzte Echelon dort ein. — Die Truppen hatten im
Ganzen 960 Werst in 57 Tagen durchzogen, davon die etwa 520 Werst lange
Strecke von Tschikischljar bis vor Orta-kuju in 33, und den Rückweg von dort
bis Kraßnowvdssk 440 Werst in 24 Tagen. Todt blieben nur 3 Maun.

Wenden wir uns nunmehr wieder zu den Truppen zurück, welche glück¬
licher als die Kaukasier des Obersten Markosow, bereits die Chiwa-Oase be¬
treten hatten/

Nachdem das orenburgische Detachement am 8. Mai bei Kungrad zuerst
mit dem Feinde Fühlung gewonnen hatte, erreichte es, letzteren vor sich her¬
treibend, und bereits mit dem mangyschlak'schen Detachement vereinigt, am
13. Mai Chodjeili und am 20. Mangyt. Hier hatten sich die Chiwesen in
einer ungefähren Stärke von 3000 Mann gestellt, wurden aber wieder ge¬
worfen, so daß der General Werewkin über Gurken direct auf Chiwa mar-
schiren konnte, und am 25. Mai nur noch einen Tagemarsch von der Haupt¬
stadt des Chanats entfernt war. Nachdem er am 26. Mai 8 Werst weiter
vorgerückt war, und am folgenden Tage einen feindlichen Ausfall aus der
Stadt zurückgewiesen hatte, gelang es ihm am 28. einen Theil seiner Truppen
und besonders eine Bergbatterie bis dicht vor das Nordthor vorzuschieben.

Das turkestanische Detachement hatte, nach Einnahme der Festung Cha-
sarasp, auch seinerseits den Vormarsch gegen die Stadt Chiwa angetreten, wo
in Folge des so energischen Vorgehens der Russen Alles den Kopf verloren
hatte. Seid-Rachim war geflüchtet, und sein 20jähriger Bruder als Chan
ausgerufen. Es herrschte die vollständigste Anarchie: die einen wollten Frieden,
die andern drangen ans Fortsetzung des Krieges. — Während der neue Chan


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/58>, abgerufen am 23.07.2024.