Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die lästige, aber ungefährliche Gebirgskrankheit ausarten, sich jedoch schon
in wenigen Tagen verlieren. -- Baumlos erheben sich kegelförmige Trachyt-
berge, zum Theil mit stacheligen Pajagras und dürftigem Tolagejtrüpp, zum
Theil mit Blöcken und Gerölle bedeckt. In den drei Sommermonaten von
Dezember bis Februar (wenn die Sonne senkrecht steht), ziehen Nachmittags
dunkle Wolken mit Gewittern und Hagelschauern über die Gegend und ver¬
wandeln diese in wenigen Minuten in eine vollständige Winterlandschaft. Aber
das Klima ist trotzdem gesund, und die Gegend behält trotzdem einen eigenen
Reiz. Im Uebrigen kann man fast alle Lebensbedürfnisse von den genannten
Ortschaften und von der Küste aus befriedigen und sich selbst mit europäischem
Comfort umgeben, wie dies ja dort auch viel weiter im Innern schon längst
geschieht.

Ich vermag uun zwar nicht mit Bestimmtheit zu sagen, daß die Arbeit
in Chocvlimpe noch immer ruht, da mir seit sechs Jahren keine Nachricht über
dieselbe zugegangen ist; ich bin aber fest überzeugt, daß sich in dieser Hinsicht
nichts geändert hat; denn einestheils steht die Grube dort in dem Rufe, daß
in ihr unbesiegbare Wasserquellen existiren, die jede Arbeit vereiteln, andern-
theils sind die Bewohner der Küste, von denen sich allein eine Wiederaufnahme
voraussetzen ließe, meist Kaufleute, die sich zu wenig für die Sache interessiren,
fast gar kein Verständniß dafür haben und vielleicht anch dnrch schlimme Er¬
fahrungen mißtrauisch geworden sind, die sie früher an Ausländern gemacht,
welche sich als Bergleute ausgaben, ohne es zu sein.

Als ich im Jahre 1861 mit einem Deutschen, Herrn C. Bode aus Claus¬
thal, die Küsteueordillera zwischeu deu bekannterett Bergen von Caqnena und
Sajama zur Untersuchung auf Erzlager bereiste, wobei Chocvlimpe natürlich unser
Hauptziel bildete, nahmen wir ein paar indianische Bergleute mit dem nöthige"
Arbeitsgezähe aus einem Grnbenorte des Innern mit uns. In Parinacota
bot sich uns ein alter Indianer, welcher selbst noch in der Grube vou Ch"-
colimpe gearbeitet hatte und durch den früheren Verkehr mit Eingewanderten
sogar leidlich Spanisch verstand (eine große Seltenheit) als Wegweiser an.
Dicht bei Parinacota hatte damals ein sogenannter MMnio, ein Aufbereitungs¬
werk gestanden, in welchem die Erze, auf Lamas hierhergeführt, mittels eines
oberschlägigen Wasserrades unter Pochstempeln zerkleint und zugleich, mit
Quecksilber beschickt, amalgamirt wurden. Das Rad, die Stempel und die
Dachsparren hatten längst andere Verwendung gefunden, nur die Umfassungs¬
mauern und ein paar Basaltsäulen, die als Pochsohle dienten, waren noch
vorhanden. Unter letzteren kratzte der alte Indianer einige Hände voll Schlamm
hervor, der noch Quecksilberperlen und Silberamalgamkügelchen enthielt; er
versicherte uns, daß er aus dem daneben befindlichen kleinen Teiche, in welche"


die lästige, aber ungefährliche Gebirgskrankheit ausarten, sich jedoch schon
in wenigen Tagen verlieren. — Baumlos erheben sich kegelförmige Trachyt-
berge, zum Theil mit stacheligen Pajagras und dürftigem Tolagejtrüpp, zum
Theil mit Blöcken und Gerölle bedeckt. In den drei Sommermonaten von
Dezember bis Februar (wenn die Sonne senkrecht steht), ziehen Nachmittags
dunkle Wolken mit Gewittern und Hagelschauern über die Gegend und ver¬
wandeln diese in wenigen Minuten in eine vollständige Winterlandschaft. Aber
das Klima ist trotzdem gesund, und die Gegend behält trotzdem einen eigenen
Reiz. Im Uebrigen kann man fast alle Lebensbedürfnisse von den genannten
Ortschaften und von der Küste aus befriedigen und sich selbst mit europäischem
Comfort umgeben, wie dies ja dort auch viel weiter im Innern schon längst
geschieht.

Ich vermag uun zwar nicht mit Bestimmtheit zu sagen, daß die Arbeit
in Chocvlimpe noch immer ruht, da mir seit sechs Jahren keine Nachricht über
dieselbe zugegangen ist; ich bin aber fest überzeugt, daß sich in dieser Hinsicht
nichts geändert hat; denn einestheils steht die Grube dort in dem Rufe, daß
in ihr unbesiegbare Wasserquellen existiren, die jede Arbeit vereiteln, andern-
theils sind die Bewohner der Küste, von denen sich allein eine Wiederaufnahme
voraussetzen ließe, meist Kaufleute, die sich zu wenig für die Sache interessiren,
fast gar kein Verständniß dafür haben und vielleicht anch dnrch schlimme Er¬
fahrungen mißtrauisch geworden sind, die sie früher an Ausländern gemacht,
welche sich als Bergleute ausgaben, ohne es zu sein.

Als ich im Jahre 1861 mit einem Deutschen, Herrn C. Bode aus Claus¬
thal, die Küsteueordillera zwischeu deu bekannterett Bergen von Caqnena und
Sajama zur Untersuchung auf Erzlager bereiste, wobei Chocvlimpe natürlich unser
Hauptziel bildete, nahmen wir ein paar indianische Bergleute mit dem nöthige»
Arbeitsgezähe aus einem Grnbenorte des Innern mit uns. In Parinacota
bot sich uns ein alter Indianer, welcher selbst noch in der Grube vou Ch»-
colimpe gearbeitet hatte und durch den früheren Verkehr mit Eingewanderten
sogar leidlich Spanisch verstand (eine große Seltenheit) als Wegweiser an.
Dicht bei Parinacota hatte damals ein sogenannter MMnio, ein Aufbereitungs¬
werk gestanden, in welchem die Erze, auf Lamas hierhergeführt, mittels eines
oberschlägigen Wasserrades unter Pochstempeln zerkleint und zugleich, mit
Quecksilber beschickt, amalgamirt wurden. Das Rad, die Stempel und die
Dachsparren hatten längst andere Verwendung gefunden, nur die Umfassungs¬
mauern und ein paar Basaltsäulen, die als Pochsohle dienten, waren noch
vorhanden. Unter letzteren kratzte der alte Indianer einige Hände voll Schlamm
hervor, der noch Quecksilberperlen und Silberamalgamkügelchen enthielt; er
versicherte uns, daß er aus dem daneben befindlichen kleinen Teiche, in welche»


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0518" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137691"/>
          <p xml:id="ID_1647" prev="#ID_1646"> die lästige, aber ungefährliche Gebirgskrankheit ausarten, sich jedoch schon<lb/>
in wenigen Tagen verlieren. &#x2014; Baumlos erheben sich kegelförmige Trachyt-<lb/>
berge, zum Theil mit stacheligen Pajagras und dürftigem Tolagejtrüpp, zum<lb/>
Theil mit Blöcken und Gerölle bedeckt. In den drei Sommermonaten von<lb/>
Dezember bis Februar (wenn die Sonne senkrecht steht), ziehen Nachmittags<lb/>
dunkle Wolken mit Gewittern und Hagelschauern über die Gegend und ver¬<lb/>
wandeln diese in wenigen Minuten in eine vollständige Winterlandschaft. Aber<lb/>
das Klima ist trotzdem gesund, und die Gegend behält trotzdem einen eigenen<lb/>
Reiz. Im Uebrigen kann man fast alle Lebensbedürfnisse von den genannten<lb/>
Ortschaften und von der Küste aus befriedigen und sich selbst mit europäischem<lb/>
Comfort umgeben, wie dies ja dort auch viel weiter im Innern schon längst<lb/>
geschieht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1648"> Ich vermag uun zwar nicht mit Bestimmtheit zu sagen, daß die Arbeit<lb/>
in Chocvlimpe noch immer ruht, da mir seit sechs Jahren keine Nachricht über<lb/>
dieselbe zugegangen ist; ich bin aber fest überzeugt, daß sich in dieser Hinsicht<lb/>
nichts geändert hat; denn einestheils steht die Grube dort in dem Rufe, daß<lb/>
in ihr unbesiegbare Wasserquellen existiren, die jede Arbeit vereiteln, andern-<lb/>
theils sind die Bewohner der Küste, von denen sich allein eine Wiederaufnahme<lb/>
voraussetzen ließe, meist Kaufleute, die sich zu wenig für die Sache interessiren,<lb/>
fast gar kein Verständniß dafür haben und vielleicht anch dnrch schlimme Er¬<lb/>
fahrungen mißtrauisch geworden sind, die sie früher an Ausländern gemacht,<lb/>
welche sich als Bergleute ausgaben, ohne es zu sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1649" next="#ID_1650"> Als ich im Jahre 1861 mit einem Deutschen, Herrn C. Bode aus Claus¬<lb/>
thal, die Küsteueordillera zwischeu deu bekannterett Bergen von Caqnena und<lb/>
Sajama zur Untersuchung auf Erzlager bereiste, wobei Chocvlimpe natürlich unser<lb/>
Hauptziel bildete, nahmen wir ein paar indianische Bergleute mit dem nöthige»<lb/>
Arbeitsgezähe aus einem Grnbenorte des Innern mit uns. In Parinacota<lb/>
bot sich uns ein alter Indianer, welcher selbst noch in der Grube vou Ch»-<lb/>
colimpe gearbeitet hatte und durch den früheren Verkehr mit Eingewanderten<lb/>
sogar leidlich Spanisch verstand (eine große Seltenheit) als Wegweiser an.<lb/>
Dicht bei Parinacota hatte damals ein sogenannter MMnio, ein Aufbereitungs¬<lb/>
werk gestanden, in welchem die Erze, auf Lamas hierhergeführt, mittels eines<lb/>
oberschlägigen Wasserrades unter Pochstempeln zerkleint und zugleich, mit<lb/>
Quecksilber beschickt, amalgamirt wurden. Das Rad, die Stempel und die<lb/>
Dachsparren hatten längst andere Verwendung gefunden, nur die Umfassungs¬<lb/>
mauern und ein paar Basaltsäulen, die als Pochsohle dienten, waren noch<lb/>
vorhanden. Unter letzteren kratzte der alte Indianer einige Hände voll Schlamm<lb/>
hervor, der noch Quecksilberperlen und Silberamalgamkügelchen enthielt; er<lb/>
versicherte uns, daß er aus dem daneben befindlichen kleinen Teiche, in welche»</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0518] die lästige, aber ungefährliche Gebirgskrankheit ausarten, sich jedoch schon in wenigen Tagen verlieren. — Baumlos erheben sich kegelförmige Trachyt- berge, zum Theil mit stacheligen Pajagras und dürftigem Tolagejtrüpp, zum Theil mit Blöcken und Gerölle bedeckt. In den drei Sommermonaten von Dezember bis Februar (wenn die Sonne senkrecht steht), ziehen Nachmittags dunkle Wolken mit Gewittern und Hagelschauern über die Gegend und ver¬ wandeln diese in wenigen Minuten in eine vollständige Winterlandschaft. Aber das Klima ist trotzdem gesund, und die Gegend behält trotzdem einen eigenen Reiz. Im Uebrigen kann man fast alle Lebensbedürfnisse von den genannten Ortschaften und von der Küste aus befriedigen und sich selbst mit europäischem Comfort umgeben, wie dies ja dort auch viel weiter im Innern schon längst geschieht. Ich vermag uun zwar nicht mit Bestimmtheit zu sagen, daß die Arbeit in Chocvlimpe noch immer ruht, da mir seit sechs Jahren keine Nachricht über dieselbe zugegangen ist; ich bin aber fest überzeugt, daß sich in dieser Hinsicht nichts geändert hat; denn einestheils steht die Grube dort in dem Rufe, daß in ihr unbesiegbare Wasserquellen existiren, die jede Arbeit vereiteln, andern- theils sind die Bewohner der Küste, von denen sich allein eine Wiederaufnahme voraussetzen ließe, meist Kaufleute, die sich zu wenig für die Sache interessiren, fast gar kein Verständniß dafür haben und vielleicht anch dnrch schlimme Er¬ fahrungen mißtrauisch geworden sind, die sie früher an Ausländern gemacht, welche sich als Bergleute ausgaben, ohne es zu sein. Als ich im Jahre 1861 mit einem Deutschen, Herrn C. Bode aus Claus¬ thal, die Küsteueordillera zwischeu deu bekannterett Bergen von Caqnena und Sajama zur Untersuchung auf Erzlager bereiste, wobei Chocvlimpe natürlich unser Hauptziel bildete, nahmen wir ein paar indianische Bergleute mit dem nöthige» Arbeitsgezähe aus einem Grnbenorte des Innern mit uns. In Parinacota bot sich uns ein alter Indianer, welcher selbst noch in der Grube vou Ch»- colimpe gearbeitet hatte und durch den früheren Verkehr mit Eingewanderten sogar leidlich Spanisch verstand (eine große Seltenheit) als Wegweiser an. Dicht bei Parinacota hatte damals ein sogenannter MMnio, ein Aufbereitungs¬ werk gestanden, in welchem die Erze, auf Lamas hierhergeführt, mittels eines oberschlägigen Wasserrades unter Pochstempeln zerkleint und zugleich, mit Quecksilber beschickt, amalgamirt wurden. Das Rad, die Stempel und die Dachsparren hatten längst andere Verwendung gefunden, nur die Umfassungs¬ mauern und ein paar Basaltsäulen, die als Pochsohle dienten, waren noch vorhanden. Unter letzteren kratzte der alte Indianer einige Hände voll Schlamm hervor, der noch Quecksilberperlen und Silberamalgamkügelchen enthielt; er versicherte uns, daß er aus dem daneben befindlichen kleinen Teiche, in welche»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/518
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/518>, abgerufen am 23.07.2024.