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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Im März 1871 erschien ein kleines Buch, welches Twams angebliche
"Selbstbiographie" und seinen "ersten Roman" brachte. Es waren schwanke,
die mit Illustrationen ausgestattet waren, welche nicht das Mindeste mit dein
Texte zu schaffen hatten, und die eine Satire auf den berüchtigten Erie-Ring
waren, welche nicht unerheblich dazu beitrugen, daß die Eisenbahn den Händen
der Betrüger Gould, Fisk u. Comp. entrissen wurde. Um zu zeigen, wie be¬
liebt der Humorist war, bemerken wir, daß ein einziger nnter den Bestellzetteln,
welche das kleine Heftchen verlangten, ans die ungeheure Zahl von zehntausend
Exemplaren lautete.

Inzwischen war der Schwiegervater unseres Autors gestorben, und dieser
Umstand sowie andere Heimsuchungen seiner Familie bewogen Twain, seine
Mitarbeiterschaft an der "Galaxy" im April 1871 aufzugeben. Er kündigte
dies mit folgenden Worten an:

"Zum Abschiede. -- Ich habe jetzt für die "Galaxy" ein Jahr lang
geschrieben. Die letzten acht Monate habe ich fast ohne alle Unterbrechung
zu Gefährten und Stubengenossen Tag und Nacht Aerzte und Krankenwärter
gehabt. Während dieser acht Monate hat der Tod meinem Familienkreise
zwei Mitglieder entrissen und zwei andere tückisch bedroht. Alles das habe
ich durchgemacht, und dabei bin ich die ganze Zeit über kontraktlich verpflichtet
gewesen, dieser Monatsschrift alle vier Wochen humoristische Beiträge zu liefern.
Ich spreche hierin genan die Wahrheit. Ich bitte die Leser, sich gefälligst ein¬
mal an meine Stelle zu denken und sich die gräßliche Seltsamkeit meiner Lage
zu vergegenwärtigen. Die "Memoranda" (so hatte er seine Beiträge über¬
schrieben) werden mit diesem Hefte unseres Magazins für immer zu erscheinen
aufhören. Früher dachte ich mir's als die unbehaglichste Lage, ein Seeräuber
mit knappen Gehalte und ohne Anspruch auf Antheil an dem Ertrage des Ge¬
schäftsbetriebes zu sein, aber jetzt habe ich eine andere Ansicht. Alle
Monate einmal lustig sein zu müssen in unerfreulicher Zeit, ist noch weniger
behaglich."

Durch den Tod ihres Vaters kam Frau Clemens in den Besitz eines
Vermögens, welches eine Viertelmillion Dollars betrug, und jetzt hatte ihr
Gemahl keine Veranlassung mehr, seine Beschäftigung als Redakteur fortzu¬
setzen. Er verließ noch im Laufe des Jahres 1871 Buffalo und zog nach
der schönen Stadt Hartford in Connecticut, wo er noch jetzt lebt. Hier hat er
außer vielen kleinen komischen Aufsätzen, die sich im "Skizzenbuche" befinden,
auch die in den beiden letzten Jahren erschienenen größeren Arbeiten "Tom
Sawyers Abenteuer" und (mit Warner) "das vergoldete Zeitalter" verfaßt,
welche ebenfalls den von Moritz Busch übersetzten "Amerikanischen Humoristen"
einverleibt worden sind. Jeden Winter nahm er seitdem auch seine Reisen als


Im März 1871 erschien ein kleines Buch, welches Twams angebliche
„Selbstbiographie" und seinen „ersten Roman" brachte. Es waren schwanke,
die mit Illustrationen ausgestattet waren, welche nicht das Mindeste mit dein
Texte zu schaffen hatten, und die eine Satire auf den berüchtigten Erie-Ring
waren, welche nicht unerheblich dazu beitrugen, daß die Eisenbahn den Händen
der Betrüger Gould, Fisk u. Comp. entrissen wurde. Um zu zeigen, wie be¬
liebt der Humorist war, bemerken wir, daß ein einziger nnter den Bestellzetteln,
welche das kleine Heftchen verlangten, ans die ungeheure Zahl von zehntausend
Exemplaren lautete.

Inzwischen war der Schwiegervater unseres Autors gestorben, und dieser
Umstand sowie andere Heimsuchungen seiner Familie bewogen Twain, seine
Mitarbeiterschaft an der „Galaxy" im April 1871 aufzugeben. Er kündigte
dies mit folgenden Worten an:

„Zum Abschiede. — Ich habe jetzt für die „Galaxy" ein Jahr lang
geschrieben. Die letzten acht Monate habe ich fast ohne alle Unterbrechung
zu Gefährten und Stubengenossen Tag und Nacht Aerzte und Krankenwärter
gehabt. Während dieser acht Monate hat der Tod meinem Familienkreise
zwei Mitglieder entrissen und zwei andere tückisch bedroht. Alles das habe
ich durchgemacht, und dabei bin ich die ganze Zeit über kontraktlich verpflichtet
gewesen, dieser Monatsschrift alle vier Wochen humoristische Beiträge zu liefern.
Ich spreche hierin genan die Wahrheit. Ich bitte die Leser, sich gefälligst ein¬
mal an meine Stelle zu denken und sich die gräßliche Seltsamkeit meiner Lage
zu vergegenwärtigen. Die „Memoranda" (so hatte er seine Beiträge über¬
schrieben) werden mit diesem Hefte unseres Magazins für immer zu erscheinen
aufhören. Früher dachte ich mir's als die unbehaglichste Lage, ein Seeräuber
mit knappen Gehalte und ohne Anspruch auf Antheil an dem Ertrage des Ge¬
schäftsbetriebes zu sein, aber jetzt habe ich eine andere Ansicht. Alle
Monate einmal lustig sein zu müssen in unerfreulicher Zeit, ist noch weniger
behaglich."

Durch den Tod ihres Vaters kam Frau Clemens in den Besitz eines
Vermögens, welches eine Viertelmillion Dollars betrug, und jetzt hatte ihr
Gemahl keine Veranlassung mehr, seine Beschäftigung als Redakteur fortzu¬
setzen. Er verließ noch im Laufe des Jahres 1871 Buffalo und zog nach
der schönen Stadt Hartford in Connecticut, wo er noch jetzt lebt. Hier hat er
außer vielen kleinen komischen Aufsätzen, die sich im „Skizzenbuche" befinden,
auch die in den beiden letzten Jahren erschienenen größeren Arbeiten „Tom
Sawyers Abenteuer" und (mit Warner) „das vergoldete Zeitalter" verfaßt,
welche ebenfalls den von Moritz Busch übersetzten „Amerikanischen Humoristen"
einverleibt worden sind. Jeden Winter nahm er seitdem auch seine Reisen als


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[0515] Im März 1871 erschien ein kleines Buch, welches Twams angebliche „Selbstbiographie" und seinen „ersten Roman" brachte. Es waren schwanke, die mit Illustrationen ausgestattet waren, welche nicht das Mindeste mit dein Texte zu schaffen hatten, und die eine Satire auf den berüchtigten Erie-Ring waren, welche nicht unerheblich dazu beitrugen, daß die Eisenbahn den Händen der Betrüger Gould, Fisk u. Comp. entrissen wurde. Um zu zeigen, wie be¬ liebt der Humorist war, bemerken wir, daß ein einziger nnter den Bestellzetteln, welche das kleine Heftchen verlangten, ans die ungeheure Zahl von zehntausend Exemplaren lautete. Inzwischen war der Schwiegervater unseres Autors gestorben, und dieser Umstand sowie andere Heimsuchungen seiner Familie bewogen Twain, seine Mitarbeiterschaft an der „Galaxy" im April 1871 aufzugeben. Er kündigte dies mit folgenden Worten an: „Zum Abschiede. — Ich habe jetzt für die „Galaxy" ein Jahr lang geschrieben. Die letzten acht Monate habe ich fast ohne alle Unterbrechung zu Gefährten und Stubengenossen Tag und Nacht Aerzte und Krankenwärter gehabt. Während dieser acht Monate hat der Tod meinem Familienkreise zwei Mitglieder entrissen und zwei andere tückisch bedroht. Alles das habe ich durchgemacht, und dabei bin ich die ganze Zeit über kontraktlich verpflichtet gewesen, dieser Monatsschrift alle vier Wochen humoristische Beiträge zu liefern. Ich spreche hierin genan die Wahrheit. Ich bitte die Leser, sich gefälligst ein¬ mal an meine Stelle zu denken und sich die gräßliche Seltsamkeit meiner Lage zu vergegenwärtigen. Die „Memoranda" (so hatte er seine Beiträge über¬ schrieben) werden mit diesem Hefte unseres Magazins für immer zu erscheinen aufhören. Früher dachte ich mir's als die unbehaglichste Lage, ein Seeräuber mit knappen Gehalte und ohne Anspruch auf Antheil an dem Ertrage des Ge¬ schäftsbetriebes zu sein, aber jetzt habe ich eine andere Ansicht. Alle Monate einmal lustig sein zu müssen in unerfreulicher Zeit, ist noch weniger behaglich." Durch den Tod ihres Vaters kam Frau Clemens in den Besitz eines Vermögens, welches eine Viertelmillion Dollars betrug, und jetzt hatte ihr Gemahl keine Veranlassung mehr, seine Beschäftigung als Redakteur fortzu¬ setzen. Er verließ noch im Laufe des Jahres 1871 Buffalo und zog nach der schönen Stadt Hartford in Connecticut, wo er noch jetzt lebt. Hier hat er außer vielen kleinen komischen Aufsätzen, die sich im „Skizzenbuche" befinden, auch die in den beiden letzten Jahren erschienenen größeren Arbeiten „Tom Sawyers Abenteuer" und (mit Warner) „das vergoldete Zeitalter" verfaßt, welche ebenfalls den von Moritz Busch übersetzten „Amerikanischen Humoristen" einverleibt worden sind. Jeden Winter nahm er seitdem auch seine Reisen als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/515>, abgerufen am 23.07.2024.