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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Wegs gesonnen, wegen irgend eines Planetensystems der Welt es mit Leuten
zu verderben, die einmal immer Geld hatten, wenn er dessen bedürfte, andrer¬
seits aus seinem und seines Vaters Privatleben so mauche pikante Züge kannten
und mühelos die stumpfe und bigotte Masse des Volkes zur Empörung treiben
konnten. Alles was sie für Galilei thun konnten, war eine landesväterliche
Warnung vor Unheil, und vermuthlich kam auch aus diesen hohen Kreisen dem
gelehrten Astronomen die erste Warnung zu, gerade als er auf dem Zenith
seines Ruhmes sich befand. Galilei aber war nebenbei auch Hofmann und
Kavalier genug, um den gauzen Werth eiuer solchen immerhin sehr dankens-
werthen Warnung uicht gering anzuschlagen. Als Kavalier, der seinerzeit den
Fechtboden mit Erfolg frequentirt hatte, wußte er, daß die beste Vertheidigung
ein schneller Gegenangriff sei. Sein Gegner war das "eollsgio romg.no", ein
Institut, welches aus halbgebildeter und gänzlich ungebildeten Pfaffen bestand
und ins Leben gerufen war unter dem Eindruck, den hundert Jahre vorher
die Weltumsegelung Magelhaens hervorgerufen. Mit Galilei machte diese Ge¬
sellschaft den letzten mißglückter Versuch, "Gedanken zu morde"." Ihre
spätere Existenz war nur ein schattenhaftes Hernmspukeu nnter den Titeln ver¬
botener Bücher. Mit dein mclex libiorum machte sie Reklame für kluge Buch-
händler, die gelegentlich heute noch fortwirkt. Zur Stunde aber, im Jahre 1611,
war sie eine Macht, mit der jeder Italiener, der nicht Mannesmuth genug
besaß, um seiner Ueberzeugung willen ins Exil zu gehen, rechnen mußte.

Galilei hatte soeben erst die Jnpitermonde entdeckt und sie mit Namen
der großherzoglichen Familie bezeichnet, aber des Großherzogs Privatsekretär
machte damals schon darauf anfmevksam, daß hierzu die Genehmigung des
Collegii zu Rom unentbehrlich sei. Möglicherweise war dies der warnende
Ruf, den der feine weltgewandte Galilei zu beachten beschloß. Er sicherte sich,
so gut er konnte. Gewissermaßen im Auftrage und auf Kosten des Herzogs
reiste er nach Rom und nahm seinen Wohnsitz in der toskanischen Gesandt¬
schaft, um seine persönliche Freiheit zu wahren.

In Rom ward er bald Mode. Kardinäle. Prälaten, Fürsten luden ihn
ein, er war die Seele aller Feste. Wenn unser Autor sagt: "In der Villa
des Marchese Cesi, ans dein Gipfel des Monte Janieulo, entzückte er eine ge¬
wählte Gesellschaft, indem er sie während der frühliugsfrischen Aprilnächte
das Himmelsgewölbe betrachten ließ, durch das Fernrohr, welches er erfunden
und mit seinem Namen geschmückt hatte", so ist dies zwar sehr schön gesagt,
aber nicht ganz richtig, denn das Fernrohr war, wie auch Galilei sehr wohl
wußte, vom Glasschleifer Johnson in Middelburg erfunden und von Galilei
nur verbessert worden. Allgemeine Begeisterung erregte er aber, als er eine drei
Miglien entfernte Inschrift mit Hülfe des Fernrohres den erstaunten Herrschaften


Wegs gesonnen, wegen irgend eines Planetensystems der Welt es mit Leuten
zu verderben, die einmal immer Geld hatten, wenn er dessen bedürfte, andrer¬
seits aus seinem und seines Vaters Privatleben so mauche pikante Züge kannten
und mühelos die stumpfe und bigotte Masse des Volkes zur Empörung treiben
konnten. Alles was sie für Galilei thun konnten, war eine landesväterliche
Warnung vor Unheil, und vermuthlich kam auch aus diesen hohen Kreisen dem
gelehrten Astronomen die erste Warnung zu, gerade als er auf dem Zenith
seines Ruhmes sich befand. Galilei aber war nebenbei auch Hofmann und
Kavalier genug, um den gauzen Werth eiuer solchen immerhin sehr dankens-
werthen Warnung uicht gering anzuschlagen. Als Kavalier, der seinerzeit den
Fechtboden mit Erfolg frequentirt hatte, wußte er, daß die beste Vertheidigung
ein schneller Gegenangriff sei. Sein Gegner war das „eollsgio romg.no", ein
Institut, welches aus halbgebildeter und gänzlich ungebildeten Pfaffen bestand
und ins Leben gerufen war unter dem Eindruck, den hundert Jahre vorher
die Weltumsegelung Magelhaens hervorgerufen. Mit Galilei machte diese Ge¬
sellschaft den letzten mißglückter Versuch, „Gedanken zu morde»." Ihre
spätere Existenz war nur ein schattenhaftes Hernmspukeu nnter den Titeln ver¬
botener Bücher. Mit dein mclex libiorum machte sie Reklame für kluge Buch-
händler, die gelegentlich heute noch fortwirkt. Zur Stunde aber, im Jahre 1611,
war sie eine Macht, mit der jeder Italiener, der nicht Mannesmuth genug
besaß, um seiner Ueberzeugung willen ins Exil zu gehen, rechnen mußte.

Galilei hatte soeben erst die Jnpitermonde entdeckt und sie mit Namen
der großherzoglichen Familie bezeichnet, aber des Großherzogs Privatsekretär
machte damals schon darauf anfmevksam, daß hierzu die Genehmigung des
Collegii zu Rom unentbehrlich sei. Möglicherweise war dies der warnende
Ruf, den der feine weltgewandte Galilei zu beachten beschloß. Er sicherte sich,
so gut er konnte. Gewissermaßen im Auftrage und auf Kosten des Herzogs
reiste er nach Rom und nahm seinen Wohnsitz in der toskanischen Gesandt¬
schaft, um seine persönliche Freiheit zu wahren.

In Rom ward er bald Mode. Kardinäle. Prälaten, Fürsten luden ihn
ein, er war die Seele aller Feste. Wenn unser Autor sagt: „In der Villa
des Marchese Cesi, ans dein Gipfel des Monte Janieulo, entzückte er eine ge¬
wählte Gesellschaft, indem er sie während der frühliugsfrischen Aprilnächte
das Himmelsgewölbe betrachten ließ, durch das Fernrohr, welches er erfunden
und mit seinem Namen geschmückt hatte", so ist dies zwar sehr schön gesagt,
aber nicht ganz richtig, denn das Fernrohr war, wie auch Galilei sehr wohl
wußte, vom Glasschleifer Johnson in Middelburg erfunden und von Galilei
nur verbessert worden. Allgemeine Begeisterung erregte er aber, als er eine drei
Miglien entfernte Inschrift mit Hülfe des Fernrohres den erstaunten Herrschaften


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/491>, abgerufen am 23.07.2024.