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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Ruhe und Harmonie unter allen Parteien und in allen Theilen." Möge es
Hayes vergönnt sein, die in dieser Hinsicht selbst im Süden der Vereinigten
Staaten vielfach ans ihn gesetzten Hoffnungen nicht zu täuschen!*)


R ud. Doehn.


Dom Keichstage.

Endlich hat der Reichstag seine Arbeit beginnen können. Daß der Reichs¬
haushaltsetat für das Jahr 1877/78 mit den bisherigen Mitteln uicht zu bestreikn
sein werde, war längst bekannt. Seit Kurzem kannte man auch die Summe, auf
welche das sogenannte Defizit sich belaufen würde, nämlich rund vierundzwanzig
Millionen. Nur das blieb bis zum Erscheinen des Etatsgesetzentwurfs im
Unklaren, welchen Weg der Bundesrath schließlich zur Deckung vorschlagen
werde, ob eine Vermehrung der eigenen Einnahmen des Reichs oder eine Er¬
höhung der Matrikularbeiträge. Nicht gering war das Erstaunen, als man
diese Kardinalfrage im Etat zwar durch die Beschreidung des letzteren Weges
entschieden sah, dem betreffenden Kapitel jedoch die Bemerkung hinzugefügt
fand: "Der volle zur Deckung der Ausgaben erforderliche Betrag an Matri-
kularbeitrügen ist hier nnr vorläufig in Ansatz gebracht, indem vorbehalten
wird, eine Vermehrung der eigenen Einnahmen des Reichs zum Zweck der
Herabminderung der Matrikularbeiträge in Erwägung zu ziehen" Das Problem,
die Matrikularbeiträge ganz oder theilweise durch eigene Einnahmen des Reichs
zu ersetzen, ist so alt wie der norddeutsche Bund. Der von Seiten der Re¬
gierung wiederholt gemachte Versuch, neue Steuern einzuführen, ist -- mit der
einzigen Ausnahme der Wechselstempelsteuer -- gescheitert. Ganz bestimmt
hat sich in der letzten Legislaturperiode die Situation dahin abgeklärt, daß an
eine Annahme neuer Stenerprojekte im Reichstage nicht zu denken ist, wenn
dieselben sich nicht als Bestandtheile eines umfassenden Refvrmplanes darstellen,
welcher das Steuerwesen des Reichs und der Einzelstaaten in ein rationelles



*) Seine Antrittsbotschaft ist nach den neuesten Nachrichten mich im Süden beifällig
aufgenommen worden. Das neue Kabinet ist mit Männern besetzt worden, die bisher
in sehr entschiedener Weise die unter Grant eingerissene Mißwirtschaft der Ausbeutung der
höchsten Aemter der Union zu Privatzwecken bekämpften. Vor Allem ist der Führer der
"ehrlichen Politiker", Karl Schurz, -- freilich nicht zur Freude der republikanischen
S D, Red. taatsschmarotzer -- zum Minister des Innern ernannt worden.

Ruhe und Harmonie unter allen Parteien und in allen Theilen." Möge es
Hayes vergönnt sein, die in dieser Hinsicht selbst im Süden der Vereinigten
Staaten vielfach ans ihn gesetzten Hoffnungen nicht zu täuschen!*)


R ud. Doehn.


Dom Keichstage.

Endlich hat der Reichstag seine Arbeit beginnen können. Daß der Reichs¬
haushaltsetat für das Jahr 1877/78 mit den bisherigen Mitteln uicht zu bestreikn
sein werde, war längst bekannt. Seit Kurzem kannte man auch die Summe, auf
welche das sogenannte Defizit sich belaufen würde, nämlich rund vierundzwanzig
Millionen. Nur das blieb bis zum Erscheinen des Etatsgesetzentwurfs im
Unklaren, welchen Weg der Bundesrath schließlich zur Deckung vorschlagen
werde, ob eine Vermehrung der eigenen Einnahmen des Reichs oder eine Er¬
höhung der Matrikularbeiträge. Nicht gering war das Erstaunen, als man
diese Kardinalfrage im Etat zwar durch die Beschreidung des letzteren Weges
entschieden sah, dem betreffenden Kapitel jedoch die Bemerkung hinzugefügt
fand: „Der volle zur Deckung der Ausgaben erforderliche Betrag an Matri-
kularbeitrügen ist hier nnr vorläufig in Ansatz gebracht, indem vorbehalten
wird, eine Vermehrung der eigenen Einnahmen des Reichs zum Zweck der
Herabminderung der Matrikularbeiträge in Erwägung zu ziehen" Das Problem,
die Matrikularbeiträge ganz oder theilweise durch eigene Einnahmen des Reichs
zu ersetzen, ist so alt wie der norddeutsche Bund. Der von Seiten der Re¬
gierung wiederholt gemachte Versuch, neue Steuern einzuführen, ist — mit der
einzigen Ausnahme der Wechselstempelsteuer — gescheitert. Ganz bestimmt
hat sich in der letzten Legislaturperiode die Situation dahin abgeklärt, daß an
eine Annahme neuer Stenerprojekte im Reichstage nicht zu denken ist, wenn
dieselben sich nicht als Bestandtheile eines umfassenden Refvrmplanes darstellen,
welcher das Steuerwesen des Reichs und der Einzelstaaten in ein rationelles



*) Seine Antrittsbotschaft ist nach den neuesten Nachrichten mich im Süden beifällig
aufgenommen worden. Das neue Kabinet ist mit Männern besetzt worden, die bisher
in sehr entschiedener Weise die unter Grant eingerissene Mißwirtschaft der Ausbeutung der
höchsten Aemter der Union zu Privatzwecken bekämpften. Vor Allem ist der Führer der
„ehrlichen Politiker", Karl Schurz, — freilich nicht zur Freude der republikanischen
S D, Red. taatsschmarotzer — zum Minister des Innern ernannt worden.
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[0479] Ruhe und Harmonie unter allen Parteien und in allen Theilen." Möge es Hayes vergönnt sein, die in dieser Hinsicht selbst im Süden der Vereinigten Staaten vielfach ans ihn gesetzten Hoffnungen nicht zu täuschen!*) R ud. Doehn. Dom Keichstage. Endlich hat der Reichstag seine Arbeit beginnen können. Daß der Reichs¬ haushaltsetat für das Jahr 1877/78 mit den bisherigen Mitteln uicht zu bestreikn sein werde, war längst bekannt. Seit Kurzem kannte man auch die Summe, auf welche das sogenannte Defizit sich belaufen würde, nämlich rund vierundzwanzig Millionen. Nur das blieb bis zum Erscheinen des Etatsgesetzentwurfs im Unklaren, welchen Weg der Bundesrath schließlich zur Deckung vorschlagen werde, ob eine Vermehrung der eigenen Einnahmen des Reichs oder eine Er¬ höhung der Matrikularbeiträge. Nicht gering war das Erstaunen, als man diese Kardinalfrage im Etat zwar durch die Beschreidung des letzteren Weges entschieden sah, dem betreffenden Kapitel jedoch die Bemerkung hinzugefügt fand: „Der volle zur Deckung der Ausgaben erforderliche Betrag an Matri- kularbeitrügen ist hier nnr vorläufig in Ansatz gebracht, indem vorbehalten wird, eine Vermehrung der eigenen Einnahmen des Reichs zum Zweck der Herabminderung der Matrikularbeiträge in Erwägung zu ziehen" Das Problem, die Matrikularbeiträge ganz oder theilweise durch eigene Einnahmen des Reichs zu ersetzen, ist so alt wie der norddeutsche Bund. Der von Seiten der Re¬ gierung wiederholt gemachte Versuch, neue Steuern einzuführen, ist — mit der einzigen Ausnahme der Wechselstempelsteuer — gescheitert. Ganz bestimmt hat sich in der letzten Legislaturperiode die Situation dahin abgeklärt, daß an eine Annahme neuer Stenerprojekte im Reichstage nicht zu denken ist, wenn dieselben sich nicht als Bestandtheile eines umfassenden Refvrmplanes darstellen, welcher das Steuerwesen des Reichs und der Einzelstaaten in ein rationelles *) Seine Antrittsbotschaft ist nach den neuesten Nachrichten mich im Süden beifällig aufgenommen worden. Das neue Kabinet ist mit Männern besetzt worden, die bisher in sehr entschiedener Weise die unter Grant eingerissene Mißwirtschaft der Ausbeutung der höchsten Aemter der Union zu Privatzwecken bekämpften. Vor Allem ist der Führer der „ehrlichen Politiker", Karl Schurz, — freilich nicht zur Freude der republikanischen S D, Red. taatsschmarotzer — zum Minister des Innern ernannt worden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/479>, abgerufen am 23.07.2024.