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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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aufzüge zu Pferde oder in großen Triumphwagen stattfinden, von denen herab
man Konfekt und trockene eingemachte Früchte auf das Volk regnen läßt.
Man verheißt uns auch, daß in derselben Straße Pferderennen stattfinden werden,
schöner, als anderswo. Die Rennbahn ist ziemlich lang, von Piazza del
Popolo bis zum S. Markuspalast. Die Pferde sind ganz frei und ungezüumt;
der Stallknecht, welcher sie an der Barriere festhält, läßt sie los auf ein
Zeichen, welches der Pvlizeihauptmcmn (jetzt der Bürgermeister) gibt. Sie
jagen dahin zwischen zwei Reihen Volks, welches sie mit lautem Geschrei an¬
feuert. Die, welche in diesen Rennen erprobt sind, beeilen sich anfangs nicht.
Sie laufen eine kurze Strecke ganz sachte, ohne sich zu ermüden, bis zu eiuer
gewissen Entfernung vom Ziel; dann setzen sie sich in einen rasenden Galopp
und schlagen mit Kopf und Hufen nach rechts und links,


"daß sie wie Wale rasend schnell sich wenden,"

um die andern Pferde zu verdrängen und sich Platz zu machen.


"II ron^iiw or vorie ors, droles,
?c>i sotto it petto si vavois, 1k lesen,,
(Zinoon al seinen", e inen" e^loi in trott"."

Der Preis für den Sieger ist in der Regel ein Brokat (das sogenannte
Pallium), mit dem man ihn bedeckt und mit dem er stolz schnaubend durch die
Straßen schreitet, um sich zu zeigen. -- Basta. Man muß diese Karnevals¬
geschichte noch sehen."

Indes der Karneval kommt nicht. Der Papst ist bedenklich krank, aber
die Krisis schiebt sich hinaus, und De Brosses ist höchst unmuthig, weder das
Schauspiel des Karnevals noch das des Leichenbegängnisses haben zu können.
"Der Kardinalvikar", schreibt er, "hatte die Schauspiele aufhören und in allen
Kirchen das heilige Sakrament ausstellen lassen, so daß die armen Fremden,
die in Ermangelung der Oper nicht mehr wußten, on (Innner cle is. toto pour
um,- "oil-6<z, sich ganz in Verlegenheit befanden. Nach Verlauf einiger Tage,
als die Sache weder vorwärts noch rückwärts ging, fingen die Handwerker,
welche für die Theaterunternehmer arbeiteten, Geschrei an; denn die meisten
erhielten als Lohn nur die Anweisung auf die Einnahmen aus gewissen Logen
im oberen Rang. Der Gouverneur von Rom hat die Theater wieder eröffnen
lassen wollen. Er hat dem Kardinalvikar seine Vorstellung gemacht und die
Antwort erhalten, daß jenes nicht angehe, solange das heilige Sakrament aus¬
gestellt sei. Der Gouverneur hat darauf replizirt, daß es besser sei, dasselbe
wieder einzuschließen, als die Arbeiter Hungers sterben zu lassen. Doch hatte er
lange mit diesem guten Kardinal Gucidagni zu kämpfen, um ihm Raison
beizubringen.


aufzüge zu Pferde oder in großen Triumphwagen stattfinden, von denen herab
man Konfekt und trockene eingemachte Früchte auf das Volk regnen läßt.
Man verheißt uns auch, daß in derselben Straße Pferderennen stattfinden werden,
schöner, als anderswo. Die Rennbahn ist ziemlich lang, von Piazza del
Popolo bis zum S. Markuspalast. Die Pferde sind ganz frei und ungezüumt;
der Stallknecht, welcher sie an der Barriere festhält, läßt sie los auf ein
Zeichen, welches der Pvlizeihauptmcmn (jetzt der Bürgermeister) gibt. Sie
jagen dahin zwischen zwei Reihen Volks, welches sie mit lautem Geschrei an¬
feuert. Die, welche in diesen Rennen erprobt sind, beeilen sich anfangs nicht.
Sie laufen eine kurze Strecke ganz sachte, ohne sich zu ermüden, bis zu eiuer
gewissen Entfernung vom Ziel; dann setzen sie sich in einen rasenden Galopp
und schlagen mit Kopf und Hufen nach rechts und links,


„daß sie wie Wale rasend schnell sich wenden,"

um die andern Pferde zu verdrängen und sich Platz zu machen.


„II ron^iiw or vorie ors, droles,
?c>i sotto it petto si vavois, 1k lesen,,
(Zinoon al seinen», e inen» e^loi in trott»."

Der Preis für den Sieger ist in der Regel ein Brokat (das sogenannte
Pallium), mit dem man ihn bedeckt und mit dem er stolz schnaubend durch die
Straßen schreitet, um sich zu zeigen. — Basta. Man muß diese Karnevals¬
geschichte noch sehen."

Indes der Karneval kommt nicht. Der Papst ist bedenklich krank, aber
die Krisis schiebt sich hinaus, und De Brosses ist höchst unmuthig, weder das
Schauspiel des Karnevals noch das des Leichenbegängnisses haben zu können.
„Der Kardinalvikar", schreibt er, „hatte die Schauspiele aufhören und in allen
Kirchen das heilige Sakrament ausstellen lassen, so daß die armen Fremden,
die in Ermangelung der Oper nicht mehr wußten, on (Innner cle is. toto pour
um,- »oil-6<z, sich ganz in Verlegenheit befanden. Nach Verlauf einiger Tage,
als die Sache weder vorwärts noch rückwärts ging, fingen die Handwerker,
welche für die Theaterunternehmer arbeiteten, Geschrei an; denn die meisten
erhielten als Lohn nur die Anweisung auf die Einnahmen aus gewissen Logen
im oberen Rang. Der Gouverneur von Rom hat die Theater wieder eröffnen
lassen wollen. Er hat dem Kardinalvikar seine Vorstellung gemacht und die
Antwort erhalten, daß jenes nicht angehe, solange das heilige Sakrament aus¬
gestellt sei. Der Gouverneur hat darauf replizirt, daß es besser sei, dasselbe
wieder einzuschließen, als die Arbeiter Hungers sterben zu lassen. Doch hatte er
lange mit diesem guten Kardinal Gucidagni zu kämpfen, um ihm Raison
beizubringen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/472>, abgerufen am 23.07.2024.