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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Masken verhaftet werden." -- Einen häßlichen Makel hat der "christliche"
Karneval dieser Zeit in den barbarischen Verhöhnungen der Juden, die in dem
genannten Jahre so arg wurden, daß endlich ein Verbot dagegen ergehen mußte.
Franciscus Valerius schreibt darüber in seinem Diario: "Sonntag, 9. Februar
1709. Unter den zahlreichen Wagen, die man in verschiedenen Stadtvierteln
für diesen Karneval ausgerüstet hatte, war eiuer, "die Cassaeeia" genannt, ans
dem die Fischhändler in lächerlicher Weise alle Ceremonien dargestellt hatten,
welche die Juden beim Begräbniß ihrer Todten anzuwenden pflegen. Da diese
sich an den Kardinalvikar und auch an das heilige Offizio gewendet, so war
jenen bei harter Strafe die Ausführung untersagt worden. Weil aber der
Prinz Alexander, Sohn der Königin von Polen (Casimira), den Wunsch hatte,
es zu sehen, so erhielt er die Erlaubniß, an demselben Abend die Vorstellung
im Garten des vou Ihrer Majestät bewohnten Palastes auf Trinitü, de Monti
veranstalten zu lassen, wozu eine große Menge von Personen sich einfand." -
Auch später hatten die Juden, die in früherer Zeit selbst um das Pallium
Wettlaufen mußten, noch oft unter ähnlichen Verhöhnungen zu leiden. Im
Jahre 1711 schou durften die Fischhändler, die sich immer hervorgethan zu
haben scheinen, eine neue Maskerade veranstalten "vou hundert Juden auf
Eseln nebst einem Rabbi, der rücklings zu Pferde saß, den Schwanz in der
eiuen, das Gesetzbuch in der andern Hand." -- Das heilige Offizio hatte
nichts dagegen!

1710 war der Zudrang von Fremden außerordentlich groß und die Mas¬
keraden der vornehmen Welt fanden großen Beifall. Valerius schreibt darüber
u. a.: "Montag, 2. Februar 1710. Wegen des Regens ward die schöne Mas¬
kerade, betitelt "der Triumph der Schönheit", welche um einundzwanzig Uhr auf¬
treten sollte, erst um zweiundzwanzig und ein halb ans den Corso geführt. Voran
zogen sechs Trompeter zu Pferde und sechs Oboisten. Hinter ihnen folgten
die Theilnehmer auf höchst edeln Rossen mit werthvollen juwelenbeladeueu Ge¬
wändern, und zwar der Connetable Colonna, der Bruder des Fürsten von
Carbognano, Colonna, der Graf Bolognetti, die Marquis Bougiovanui, ein
Neffe des Botschafters von Portugal, Angelo Grauelli aus Genua und Don
Antonio Colonna, umgeben von Lakaien mit Adelsdcvisen. Ihnen folgte ein
Triumphwagen, ganz und gar bemalt und vergoldet, von vier weißen Pferden
gezogen. Auf ihm standen Flöten- und Oboenbläser u. a., und ganz oben saß
die Herzogin von segni-Cesarini als "die Schönheit", neben ihr "die Tapfer¬
keit", dargestellt dnrch den Prinzen Alexander Sobieski von Polen. Dahinter
kamen als Schluß des Zuges einige Figuren, welche die Fehler darstellten."

Diese Aufzüge fanden Anklang und Nachfolge. 17N haben wir "Masken
mit juwelenbesäten Kleidern und mit Hüten, an welchen Edelsteinagraffen.


Masken verhaftet werden." — Einen häßlichen Makel hat der „christliche"
Karneval dieser Zeit in den barbarischen Verhöhnungen der Juden, die in dem
genannten Jahre so arg wurden, daß endlich ein Verbot dagegen ergehen mußte.
Franciscus Valerius schreibt darüber in seinem Diario: „Sonntag, 9. Februar
1709. Unter den zahlreichen Wagen, die man in verschiedenen Stadtvierteln
für diesen Karneval ausgerüstet hatte, war eiuer, „die Cassaeeia" genannt, ans
dem die Fischhändler in lächerlicher Weise alle Ceremonien dargestellt hatten,
welche die Juden beim Begräbniß ihrer Todten anzuwenden pflegen. Da diese
sich an den Kardinalvikar und auch an das heilige Offizio gewendet, so war
jenen bei harter Strafe die Ausführung untersagt worden. Weil aber der
Prinz Alexander, Sohn der Königin von Polen (Casimira), den Wunsch hatte,
es zu sehen, so erhielt er die Erlaubniß, an demselben Abend die Vorstellung
im Garten des vou Ihrer Majestät bewohnten Palastes auf Trinitü, de Monti
veranstalten zu lassen, wozu eine große Menge von Personen sich einfand." -
Auch später hatten die Juden, die in früherer Zeit selbst um das Pallium
Wettlaufen mußten, noch oft unter ähnlichen Verhöhnungen zu leiden. Im
Jahre 1711 schou durften die Fischhändler, die sich immer hervorgethan zu
haben scheinen, eine neue Maskerade veranstalten „vou hundert Juden auf
Eseln nebst einem Rabbi, der rücklings zu Pferde saß, den Schwanz in der
eiuen, das Gesetzbuch in der andern Hand." — Das heilige Offizio hatte
nichts dagegen!

1710 war der Zudrang von Fremden außerordentlich groß und die Mas¬
keraden der vornehmen Welt fanden großen Beifall. Valerius schreibt darüber
u. a.: „Montag, 2. Februar 1710. Wegen des Regens ward die schöne Mas¬
kerade, betitelt „der Triumph der Schönheit", welche um einundzwanzig Uhr auf¬
treten sollte, erst um zweiundzwanzig und ein halb ans den Corso geführt. Voran
zogen sechs Trompeter zu Pferde und sechs Oboisten. Hinter ihnen folgten
die Theilnehmer auf höchst edeln Rossen mit werthvollen juwelenbeladeueu Ge¬
wändern, und zwar der Connetable Colonna, der Bruder des Fürsten von
Carbognano, Colonna, der Graf Bolognetti, die Marquis Bougiovanui, ein
Neffe des Botschafters von Portugal, Angelo Grauelli aus Genua und Don
Antonio Colonna, umgeben von Lakaien mit Adelsdcvisen. Ihnen folgte ein
Triumphwagen, ganz und gar bemalt und vergoldet, von vier weißen Pferden
gezogen. Auf ihm standen Flöten- und Oboenbläser u. a., und ganz oben saß
die Herzogin von segni-Cesarini als „die Schönheit", neben ihr „die Tapfer¬
keit", dargestellt dnrch den Prinzen Alexander Sobieski von Polen. Dahinter
kamen als Schluß des Zuges einige Figuren, welche die Fehler darstellten."

Diese Aufzüge fanden Anklang und Nachfolge. 17N haben wir „Masken
mit juwelenbesäten Kleidern und mit Hüten, an welchen Edelsteinagraffen.


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[0469] Masken verhaftet werden." — Einen häßlichen Makel hat der „christliche" Karneval dieser Zeit in den barbarischen Verhöhnungen der Juden, die in dem genannten Jahre so arg wurden, daß endlich ein Verbot dagegen ergehen mußte. Franciscus Valerius schreibt darüber in seinem Diario: „Sonntag, 9. Februar 1709. Unter den zahlreichen Wagen, die man in verschiedenen Stadtvierteln für diesen Karneval ausgerüstet hatte, war eiuer, „die Cassaeeia" genannt, ans dem die Fischhändler in lächerlicher Weise alle Ceremonien dargestellt hatten, welche die Juden beim Begräbniß ihrer Todten anzuwenden pflegen. Da diese sich an den Kardinalvikar und auch an das heilige Offizio gewendet, so war jenen bei harter Strafe die Ausführung untersagt worden. Weil aber der Prinz Alexander, Sohn der Königin von Polen (Casimira), den Wunsch hatte, es zu sehen, so erhielt er die Erlaubniß, an demselben Abend die Vorstellung im Garten des vou Ihrer Majestät bewohnten Palastes auf Trinitü, de Monti veranstalten zu lassen, wozu eine große Menge von Personen sich einfand." - Auch später hatten die Juden, die in früherer Zeit selbst um das Pallium Wettlaufen mußten, noch oft unter ähnlichen Verhöhnungen zu leiden. Im Jahre 1711 schou durften die Fischhändler, die sich immer hervorgethan zu haben scheinen, eine neue Maskerade veranstalten „vou hundert Juden auf Eseln nebst einem Rabbi, der rücklings zu Pferde saß, den Schwanz in der eiuen, das Gesetzbuch in der andern Hand." — Das heilige Offizio hatte nichts dagegen! 1710 war der Zudrang von Fremden außerordentlich groß und die Mas¬ keraden der vornehmen Welt fanden großen Beifall. Valerius schreibt darüber u. a.: „Montag, 2. Februar 1710. Wegen des Regens ward die schöne Mas¬ kerade, betitelt „der Triumph der Schönheit", welche um einundzwanzig Uhr auf¬ treten sollte, erst um zweiundzwanzig und ein halb ans den Corso geführt. Voran zogen sechs Trompeter zu Pferde und sechs Oboisten. Hinter ihnen folgten die Theilnehmer auf höchst edeln Rossen mit werthvollen juwelenbeladeueu Ge¬ wändern, und zwar der Connetable Colonna, der Bruder des Fürsten von Carbognano, Colonna, der Graf Bolognetti, die Marquis Bougiovanui, ein Neffe des Botschafters von Portugal, Angelo Grauelli aus Genua und Don Antonio Colonna, umgeben von Lakaien mit Adelsdcvisen. Ihnen folgte ein Triumphwagen, ganz und gar bemalt und vergoldet, von vier weißen Pferden gezogen. Auf ihm standen Flöten- und Oboenbläser u. a., und ganz oben saß die Herzogin von segni-Cesarini als „die Schönheit", neben ihr „die Tapfer¬ keit", dargestellt dnrch den Prinzen Alexander Sobieski von Polen. Dahinter kamen als Schluß des Zuges einige Figuren, welche die Fehler darstellten." Diese Aufzüge fanden Anklang und Nachfolge. 17N haben wir „Masken mit juwelenbesäten Kleidern und mit Hüten, an welchen Edelsteinagraffen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/469>, abgerufen am 23.07.2024.