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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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von der Gnade der Allmacht Gebrauch zu machen. Faust zögert, er kann sich
von dem, was er liebt, nicht losreißen, er will die Wohnung des Ueberflusses
nicht mit der Hütte des Elends vertauschen. Zuletzt will er dem Mahner zwar
solgen, aber nur, wenn Helena und Eduard ihn begleiten dürfen. "Wie sinn¬
reich", ruft Jthnriel aus. "Dein Feind hat Deine Angen ganz verblendet.
Rasender Thor, mit welchem prächtigen Gefolge willst Dn die schmalen Gleise
der Tugend antreten! Nimm deinen Zug mit Dir, vergiß Dein Gold nicht,
schleppe Dein ganzes Haus mit fort auf Deinem Rücken. Ich will Dich den
Verführungen entreißen, und Du eilst ihnen entgegen. Dn bist ganz Feuer
und schleppst Pechkränze mit fort. Ich frage Dich zum letzten Male, willst
Du folgen? Du waukst, Du hörst mich nicht --" In diesem Augenblicke er¬
scheinen Fausts Eltern wieder, um ihn noch einmal zu bitten, ihnen zu folgen.
Er kann ihrem Andringen endlich nicht mehr widerstehen und erklärt sich für
besiegt. Sie wollen sich entfernen, als Helena kommt und ihn unter allen
Umständen begleiten will. "Sieh mich zu Deinen Füßen; ich und mein Sohn
wollen Dir in die Hütte der Armuth folgen, da will ich Dir Speise bereiten,
ich will Dir dienen wie eine Magd, und o glücklich, wenn oft ein mitleidiger
Blick meine Zärtlichkeit belohnt! Ihr großmüthigen Leute, verschmäht nicht
Meine Bitte, seid gastfreundlich, nehmt mich auf, bewirthet eine Unglückselige."
Die Eltern gewähren diesen Wunsch, Helena soll ihre Tochter sein. Im Be¬
griffe zu gehen, tritt ihnen Mephistopheles in den Weg, der den Knaben Fausts
und Helenas an der Hand hält und ans ihn als seine Geißel für das Ver¬
bleiben Fausts bei ihm hinweist. Umsonst bitten Helena und Faust ihn fu߬
fällig, des unschuldige" Kindes zu schonen. Die Eltern Fausts sehen, daß
er ihnen wieder verloren ist und entfernen sich, er eilt ihnen nach, und die
Zeit bis zu seiner Rückkunft wird von Mephistopheles benutzt, Helena zu über¬
reden, den alten Theodor zu ermorden. Sie könne, sagt er, dadurch sich, ihren
Freund und ihren Sohn retten. Er schenke ihr für diese That alles, was sie
Uebe. Sie schrickt vor dem Dolche, den er ihr hinhält, zurück, sie will sich von
ihm nicht zur Mörderin brandmarken lassen. Er redet ihr dringend zu: "Ist
Dein Herz denn von Verbrechen rein? Thörin, ist ein Laster nicht wie das
andere? Was liegt daran, ob Dn mit einem oder mit tausend Verbrechen
die Erde verläßt?" Uebrigens begehe sie, wenn sie den Greis tödte, eine
Wohlthat; denn sie befreie ihn von siechen und elenden Tagen. Helena wider¬
steht noch immer, sie will kein unschuldiges Blut vergießen. Habe Theodor
aber Mephistopheles beleidigt, so möge er sich selbst rächen. Mephistopheles
entgegnet: "Dieser Feind ist nicht in meiner Macht, aber in Deiner. Menschen
können sich einander schaden, wir können die Menschen nnr durch sich selbst
stürzen. Wir führen unsere Rathschläge durch Euch aus, wir waffnen Einen


von der Gnade der Allmacht Gebrauch zu machen. Faust zögert, er kann sich
von dem, was er liebt, nicht losreißen, er will die Wohnung des Ueberflusses
nicht mit der Hütte des Elends vertauschen. Zuletzt will er dem Mahner zwar
solgen, aber nur, wenn Helena und Eduard ihn begleiten dürfen. „Wie sinn¬
reich", ruft Jthnriel aus. „Dein Feind hat Deine Angen ganz verblendet.
Rasender Thor, mit welchem prächtigen Gefolge willst Dn die schmalen Gleise
der Tugend antreten! Nimm deinen Zug mit Dir, vergiß Dein Gold nicht,
schleppe Dein ganzes Haus mit fort auf Deinem Rücken. Ich will Dich den
Verführungen entreißen, und Du eilst ihnen entgegen. Dn bist ganz Feuer
und schleppst Pechkränze mit fort. Ich frage Dich zum letzten Male, willst
Du folgen? Du waukst, Du hörst mich nicht —" In diesem Augenblicke er¬
scheinen Fausts Eltern wieder, um ihn noch einmal zu bitten, ihnen zu folgen.
Er kann ihrem Andringen endlich nicht mehr widerstehen und erklärt sich für
besiegt. Sie wollen sich entfernen, als Helena kommt und ihn unter allen
Umständen begleiten will. „Sieh mich zu Deinen Füßen; ich und mein Sohn
wollen Dir in die Hütte der Armuth folgen, da will ich Dir Speise bereiten,
ich will Dir dienen wie eine Magd, und o glücklich, wenn oft ein mitleidiger
Blick meine Zärtlichkeit belohnt! Ihr großmüthigen Leute, verschmäht nicht
Meine Bitte, seid gastfreundlich, nehmt mich auf, bewirthet eine Unglückselige."
Die Eltern gewähren diesen Wunsch, Helena soll ihre Tochter sein. Im Be¬
griffe zu gehen, tritt ihnen Mephistopheles in den Weg, der den Knaben Fausts
und Helenas an der Hand hält und ans ihn als seine Geißel für das Ver¬
bleiben Fausts bei ihm hinweist. Umsonst bitten Helena und Faust ihn fu߬
fällig, des unschuldige» Kindes zu schonen. Die Eltern Fausts sehen, daß
er ihnen wieder verloren ist und entfernen sich, er eilt ihnen nach, und die
Zeit bis zu seiner Rückkunft wird von Mephistopheles benutzt, Helena zu über¬
reden, den alten Theodor zu ermorden. Sie könne, sagt er, dadurch sich, ihren
Freund und ihren Sohn retten. Er schenke ihr für diese That alles, was sie
Uebe. Sie schrickt vor dem Dolche, den er ihr hinhält, zurück, sie will sich von
ihm nicht zur Mörderin brandmarken lassen. Er redet ihr dringend zu: „Ist
Dein Herz denn von Verbrechen rein? Thörin, ist ein Laster nicht wie das
andere? Was liegt daran, ob Dn mit einem oder mit tausend Verbrechen
die Erde verläßt?" Uebrigens begehe sie, wenn sie den Greis tödte, eine
Wohlthat; denn sie befreie ihn von siechen und elenden Tagen. Helena wider¬
steht noch immer, sie will kein unschuldiges Blut vergießen. Habe Theodor
aber Mephistopheles beleidigt, so möge er sich selbst rächen. Mephistopheles
entgegnet: „Dieser Feind ist nicht in meiner Macht, aber in Deiner. Menschen
können sich einander schaden, wir können die Menschen nnr durch sich selbst
stürzen. Wir führen unsere Rathschläge durch Euch aus, wir waffnen Einen


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[0461] von der Gnade der Allmacht Gebrauch zu machen. Faust zögert, er kann sich von dem, was er liebt, nicht losreißen, er will die Wohnung des Ueberflusses nicht mit der Hütte des Elends vertauschen. Zuletzt will er dem Mahner zwar solgen, aber nur, wenn Helena und Eduard ihn begleiten dürfen. „Wie sinn¬ reich", ruft Jthnriel aus. „Dein Feind hat Deine Angen ganz verblendet. Rasender Thor, mit welchem prächtigen Gefolge willst Dn die schmalen Gleise der Tugend antreten! Nimm deinen Zug mit Dir, vergiß Dein Gold nicht, schleppe Dein ganzes Haus mit fort auf Deinem Rücken. Ich will Dich den Verführungen entreißen, und Du eilst ihnen entgegen. Dn bist ganz Feuer und schleppst Pechkränze mit fort. Ich frage Dich zum letzten Male, willst Du folgen? Du waukst, Du hörst mich nicht —" In diesem Augenblicke er¬ scheinen Fausts Eltern wieder, um ihn noch einmal zu bitten, ihnen zu folgen. Er kann ihrem Andringen endlich nicht mehr widerstehen und erklärt sich für besiegt. Sie wollen sich entfernen, als Helena kommt und ihn unter allen Umständen begleiten will. „Sieh mich zu Deinen Füßen; ich und mein Sohn wollen Dir in die Hütte der Armuth folgen, da will ich Dir Speise bereiten, ich will Dir dienen wie eine Magd, und o glücklich, wenn oft ein mitleidiger Blick meine Zärtlichkeit belohnt! Ihr großmüthigen Leute, verschmäht nicht Meine Bitte, seid gastfreundlich, nehmt mich auf, bewirthet eine Unglückselige." Die Eltern gewähren diesen Wunsch, Helena soll ihre Tochter sein. Im Be¬ griffe zu gehen, tritt ihnen Mephistopheles in den Weg, der den Knaben Fausts und Helenas an der Hand hält und ans ihn als seine Geißel für das Ver¬ bleiben Fausts bei ihm hinweist. Umsonst bitten Helena und Faust ihn fu߬ fällig, des unschuldige» Kindes zu schonen. Die Eltern Fausts sehen, daß er ihnen wieder verloren ist und entfernen sich, er eilt ihnen nach, und die Zeit bis zu seiner Rückkunft wird von Mephistopheles benutzt, Helena zu über¬ reden, den alten Theodor zu ermorden. Sie könne, sagt er, dadurch sich, ihren Freund und ihren Sohn retten. Er schenke ihr für diese That alles, was sie Uebe. Sie schrickt vor dem Dolche, den er ihr hinhält, zurück, sie will sich von ihm nicht zur Mörderin brandmarken lassen. Er redet ihr dringend zu: „Ist Dein Herz denn von Verbrechen rein? Thörin, ist ein Laster nicht wie das andere? Was liegt daran, ob Dn mit einem oder mit tausend Verbrechen die Erde verläßt?" Uebrigens begehe sie, wenn sie den Greis tödte, eine Wohlthat; denn sie befreie ihn von siechen und elenden Tagen. Helena wider¬ steht noch immer, sie will kein unschuldiges Blut vergießen. Habe Theodor aber Mephistopheles beleidigt, so möge er sich selbst rächen. Mephistopheles entgegnet: „Dieser Feind ist nicht in meiner Macht, aber in Deiner. Menschen können sich einander schaden, wir können die Menschen nnr durch sich selbst stürzen. Wir führen unsere Rathschläge durch Euch aus, wir waffnen Einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/461>, abgerufen am 23.07.2024.