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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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willfahre. Faust wankt vor diesem Anblick, fragt seinen Vater, was er thun
soll. Der antwortet, er solle ihm folgen und nicht auf die Verführerin hören.
Aber Faust ist dazu nicht im Stande, und als Helena ihn zum letzten Male
fragt, was er wähle, erwidert er: "Vater verzeih! Ich liebe Dich; aber die
Natur siegt über mich. Lebt wohl! -- Helena, ich bin Dein." Jthuriel,
Theodor nud Elisabeth entfernen sich, Mephistopheles triumphirt, Helena
dankt Faust für seine Liebe und will jede Minute anwenden, ihn glücklich zu
machen. Der böse Geist aber verspricht, ihn durch ein neues Vergnügen auf¬
zuheitern.

Dieses Vergnügen beginnt den vierten Auszug und besteht in einem Ballet
mit Pantomimen, welches den Zauberpalast der Liebe vorstellt. Man sieht in
einen prächtig beleuchteten Saal hinein, in dessen Hintergrund ein Thron mit
Stufen errichtet ist. "Amor schläft auf dem Throne nachlässig ausgestreckt.
Er ist mit Blumenkränzen geziert. Am Fuße des Thrones sitzen ans beiden
Seiten in einer Reihe schlummernde Mädchen. Jedes hat eine andere Stellung.
Die Liebhaber knieen vor ihnen auf verschiedene Art. Der küßt die Hand, der
andere reicht ihr einen Blumenkranz, der küßt einen Liebesbrief, jener be¬
trachtet ihr Bildniß. Dieses bildet eine bewegliche Gruppe. Ein Mädchen
schleicht schüchtern herein, sie drückt ihr Erstaunen aus, sie wirft sich dem
Amor zu Füßen und legt ihm eine Bittschrift in die Hand; sie eilt fort. Ein
Jüngling kommt, gibt seine Verwirrung zu erkennen. Er kniet vor Amor
nieder und überreicht ihm ein Blatt. Der Jüngling entflieht. Amor erwacht,
er sieht die Papiere an und lächelt, sein Lächeln hat Einfluß auf alle Per¬
sonen, Alles fängt sich an zu regen, huldigt der Liebe und tanzt." Dann wird
dem Amor von dem wieder herznschleichenden Mädchen sein Pfeil und von
dem Jünglinge sein Bogen gestohlen, Amor entdeckt den Verlust und zürnt,
und sein Zorn hat Einfluß auf den ganzen Häuser. Jede Geliebte zankt mit
ihrem Liebhaber, und der Tanz drückt die Zerwürfnisse aus. Später erscheint
Venus, und nachdem der Tanz verschiedene andere Verhältnisse versinnbildet,
gibt es eine allgemeine Umarmung. Venus steigt ans den Thron, krönt
ihren Sohn, und auf den Stufen wird wieder der Liebe gehuldigt. "Auf ein-
mal verfinstert sich die Bühne. Ein Schatten erscheint an der Wand, schreibt
und verschwindet. Alles zittert, die Musik drückt Angst und Verwirrung aus,
Tänzer und Tänzerinnen entfliehen, Faust, Helena, Eduard, Wagner, Mephi-
stopheles irren ängstlich umher. An der Stelle des Schattens aber liest man
mit goldenen Buchstaben: "Faust, es wird Abend." >

Jthuriel erscheint und fragt Faust, wann er ihm folgen wolle. Jener
antwortet, morgen. Der Engel erwidert, morgen werde er nicht mehr sein.
Heute aber sei es noch Zeit, sich der Weisheit und Tugend zuzuwenden und


willfahre. Faust wankt vor diesem Anblick, fragt seinen Vater, was er thun
soll. Der antwortet, er solle ihm folgen und nicht auf die Verführerin hören.
Aber Faust ist dazu nicht im Stande, und als Helena ihn zum letzten Male
fragt, was er wähle, erwidert er: „Vater verzeih! Ich liebe Dich; aber die
Natur siegt über mich. Lebt wohl! — Helena, ich bin Dein." Jthuriel,
Theodor nud Elisabeth entfernen sich, Mephistopheles triumphirt, Helena
dankt Faust für seine Liebe und will jede Minute anwenden, ihn glücklich zu
machen. Der böse Geist aber verspricht, ihn durch ein neues Vergnügen auf¬
zuheitern.

Dieses Vergnügen beginnt den vierten Auszug und besteht in einem Ballet
mit Pantomimen, welches den Zauberpalast der Liebe vorstellt. Man sieht in
einen prächtig beleuchteten Saal hinein, in dessen Hintergrund ein Thron mit
Stufen errichtet ist. „Amor schläft auf dem Throne nachlässig ausgestreckt.
Er ist mit Blumenkränzen geziert. Am Fuße des Thrones sitzen ans beiden
Seiten in einer Reihe schlummernde Mädchen. Jedes hat eine andere Stellung.
Die Liebhaber knieen vor ihnen auf verschiedene Art. Der küßt die Hand, der
andere reicht ihr einen Blumenkranz, der küßt einen Liebesbrief, jener be¬
trachtet ihr Bildniß. Dieses bildet eine bewegliche Gruppe. Ein Mädchen
schleicht schüchtern herein, sie drückt ihr Erstaunen aus, sie wirft sich dem
Amor zu Füßen und legt ihm eine Bittschrift in die Hand; sie eilt fort. Ein
Jüngling kommt, gibt seine Verwirrung zu erkennen. Er kniet vor Amor
nieder und überreicht ihm ein Blatt. Der Jüngling entflieht. Amor erwacht,
er sieht die Papiere an und lächelt, sein Lächeln hat Einfluß auf alle Per¬
sonen, Alles fängt sich an zu regen, huldigt der Liebe und tanzt." Dann wird
dem Amor von dem wieder herznschleichenden Mädchen sein Pfeil und von
dem Jünglinge sein Bogen gestohlen, Amor entdeckt den Verlust und zürnt,
und sein Zorn hat Einfluß auf den ganzen Häuser. Jede Geliebte zankt mit
ihrem Liebhaber, und der Tanz drückt die Zerwürfnisse aus. Später erscheint
Venus, und nachdem der Tanz verschiedene andere Verhältnisse versinnbildet,
gibt es eine allgemeine Umarmung. Venus steigt ans den Thron, krönt
ihren Sohn, und auf den Stufen wird wieder der Liebe gehuldigt. „Auf ein-
mal verfinstert sich die Bühne. Ein Schatten erscheint an der Wand, schreibt
und verschwindet. Alles zittert, die Musik drückt Angst und Verwirrung aus,
Tänzer und Tänzerinnen entfliehen, Faust, Helena, Eduard, Wagner, Mephi-
stopheles irren ängstlich umher. An der Stelle des Schattens aber liest man
mit goldenen Buchstaben: „Faust, es wird Abend." >

Jthuriel erscheint und fragt Faust, wann er ihm folgen wolle. Jener
antwortet, morgen. Der Engel erwidert, morgen werde er nicht mehr sein.
Heute aber sei es noch Zeit, sich der Weisheit und Tugend zuzuwenden und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/460>, abgerufen am 23.07.2024.