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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Aufzügen im Paläste Fausts vor sich. Zuerst tritt dessen Kammerdiener
Wagner mit einer Jägerbaude auf, welche dem noch schlafenden Faust ein
Morgenständchen bringen. Wagner wundert sich, daß Faust noch nicht aufge¬
standen ist, da er auf die Jagd gewollt. Dann hört er drinnen reden, und als
er die Stimme Jthuriels, des jungen Freundes seines Herrn, in welchem sich
dessen guter Engel verbirgt, zu erkennen glaubt, ärgert er sich, tröstet sich aber
damit, daß die Sache bald ein Ende haben werde, da die Komödie ihrem
Schlüsse zueile. Im zweiten Auftritt erscheinen Theodor und Elisabeth, Fausts
alte Eltern, um ihren Sohn zu besuchen. Wagner aber sagt ihnen, der wohne
nicht hier, sondern ziehe als Taschenspieler im Lande herum, und sie entfernen
sich. Nach ihnen tritt Donnerschlag, ein polternder und fluchender Offizier auf,
der gelähmt ist, dies den Hexenkünsten einer rachsüchtigen Geliebten zuschreibt
und von Faust geheilt sein will. Wagner meint, ihm sei vielleicht noch zu
helfen, wenn er sich entschließe, in seinem Leben nicht mehr zu zürnen, dann
einen Monat kein Wort zu sprechen und endlich das Bad zu brauchen. Der
vierte Auftritt führt zunächst den gekrönten Poeten Spuraus auf die Bühne,
der auf seine Braut, eine alte Jungfer, eifersüchtig ist und unsichtbar gemacht
werden will, um seine Emilie täglich behorchen zu können. Wagner will sich
die Sache überlegen und sagt: "Wir haben jetzt einige Regimenter Soldaten
über dem Hals, die sich alle auf der Grenze unsichtbar machen wollen. So¬
bald dies geschehen sein wird, so wird man an Sie denken." Dann kommt
Emilie selbst und will wissen, ob die Prophezeiung, nach welcher sie ein ge¬
kröntes Haupt heirathen soll, eintreffen wird, und Wagner erklärt ihr, sie
brauche zu diesem Zwecke nur ihren Spurans zum Manne zu nehmen, der
ja gekrönter Dichter sei. Die Komik dieser Scenen ist schal und matt. Im
sechsten Auftritt erscheint dann Faust, sich schwermüthig ans den Arm Jthuriels
stützend. Er gesteht dem Freunde seine Unruhe und seinen Kummer und sagt ihm
zugleich, daß, seit er bei ihm sei, ein anderes Wesen sich in ihm rege. "Sieh
her, Jthuriel, der ermüdete Sklave der Lüste keucht uach Ruhe und findet sie
nicht. Ich habe alle Laster durchgeschwelgt. Von Schandthat zu Schandthat
bin ich getaumelt, aber seit Du bei mir bist, ändert sich meine Natur. Um¬
sonst winkt mir der purpurne Saft der Weintraube, umsonst die kostbarste
Tafel, mein Gaumen ist unfühlbar; umsonst lächelt mich die Schönheit an, ich
bleibe unempfindlich und trüge im Besitz aller Wollüste wie Cäsar; ist dies
alles? Sprich, Freund, warum seufzt der Mensch bei allem irdischen Glücke?"
Jthuriel erwidert, weil er zu größeren Wonnen eingeladen sei, weil er sich
nach unsterblichem Vergnügen sehne. Aber vielleicht ist er nicht unsterblich,
wirft Faust ein. Der Freund tadelt ihn wegen dieses Zweifels und meint,
er sttrchte sich, seinem Gewissen zu begegnen. Faust lehnt das ab und schließt


Aufzügen im Paläste Fausts vor sich. Zuerst tritt dessen Kammerdiener
Wagner mit einer Jägerbaude auf, welche dem noch schlafenden Faust ein
Morgenständchen bringen. Wagner wundert sich, daß Faust noch nicht aufge¬
standen ist, da er auf die Jagd gewollt. Dann hört er drinnen reden, und als
er die Stimme Jthuriels, des jungen Freundes seines Herrn, in welchem sich
dessen guter Engel verbirgt, zu erkennen glaubt, ärgert er sich, tröstet sich aber
damit, daß die Sache bald ein Ende haben werde, da die Komödie ihrem
Schlüsse zueile. Im zweiten Auftritt erscheinen Theodor und Elisabeth, Fausts
alte Eltern, um ihren Sohn zu besuchen. Wagner aber sagt ihnen, der wohne
nicht hier, sondern ziehe als Taschenspieler im Lande herum, und sie entfernen
sich. Nach ihnen tritt Donnerschlag, ein polternder und fluchender Offizier auf,
der gelähmt ist, dies den Hexenkünsten einer rachsüchtigen Geliebten zuschreibt
und von Faust geheilt sein will. Wagner meint, ihm sei vielleicht noch zu
helfen, wenn er sich entschließe, in seinem Leben nicht mehr zu zürnen, dann
einen Monat kein Wort zu sprechen und endlich das Bad zu brauchen. Der
vierte Auftritt führt zunächst den gekrönten Poeten Spuraus auf die Bühne,
der auf seine Braut, eine alte Jungfer, eifersüchtig ist und unsichtbar gemacht
werden will, um seine Emilie täglich behorchen zu können. Wagner will sich
die Sache überlegen und sagt: „Wir haben jetzt einige Regimenter Soldaten
über dem Hals, die sich alle auf der Grenze unsichtbar machen wollen. So¬
bald dies geschehen sein wird, so wird man an Sie denken." Dann kommt
Emilie selbst und will wissen, ob die Prophezeiung, nach welcher sie ein ge¬
kröntes Haupt heirathen soll, eintreffen wird, und Wagner erklärt ihr, sie
brauche zu diesem Zwecke nur ihren Spurans zum Manne zu nehmen, der
ja gekrönter Dichter sei. Die Komik dieser Scenen ist schal und matt. Im
sechsten Auftritt erscheint dann Faust, sich schwermüthig ans den Arm Jthuriels
stützend. Er gesteht dem Freunde seine Unruhe und seinen Kummer und sagt ihm
zugleich, daß, seit er bei ihm sei, ein anderes Wesen sich in ihm rege. „Sieh
her, Jthuriel, der ermüdete Sklave der Lüste keucht uach Ruhe und findet sie
nicht. Ich habe alle Laster durchgeschwelgt. Von Schandthat zu Schandthat
bin ich getaumelt, aber seit Du bei mir bist, ändert sich meine Natur. Um¬
sonst winkt mir der purpurne Saft der Weintraube, umsonst die kostbarste
Tafel, mein Gaumen ist unfühlbar; umsonst lächelt mich die Schönheit an, ich
bleibe unempfindlich und trüge im Besitz aller Wollüste wie Cäsar; ist dies
alles? Sprich, Freund, warum seufzt der Mensch bei allem irdischen Glücke?"
Jthuriel erwidert, weil er zu größeren Wonnen eingeladen sei, weil er sich
nach unsterblichem Vergnügen sehne. Aber vielleicht ist er nicht unsterblich,
wirft Faust ein. Der Freund tadelt ihn wegen dieses Zweifels und meint,
er sttrchte sich, seinem Gewissen zu begegnen. Faust lehnt das ab und schließt


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[0455] Aufzügen im Paläste Fausts vor sich. Zuerst tritt dessen Kammerdiener Wagner mit einer Jägerbaude auf, welche dem noch schlafenden Faust ein Morgenständchen bringen. Wagner wundert sich, daß Faust noch nicht aufge¬ standen ist, da er auf die Jagd gewollt. Dann hört er drinnen reden, und als er die Stimme Jthuriels, des jungen Freundes seines Herrn, in welchem sich dessen guter Engel verbirgt, zu erkennen glaubt, ärgert er sich, tröstet sich aber damit, daß die Sache bald ein Ende haben werde, da die Komödie ihrem Schlüsse zueile. Im zweiten Auftritt erscheinen Theodor und Elisabeth, Fausts alte Eltern, um ihren Sohn zu besuchen. Wagner aber sagt ihnen, der wohne nicht hier, sondern ziehe als Taschenspieler im Lande herum, und sie entfernen sich. Nach ihnen tritt Donnerschlag, ein polternder und fluchender Offizier auf, der gelähmt ist, dies den Hexenkünsten einer rachsüchtigen Geliebten zuschreibt und von Faust geheilt sein will. Wagner meint, ihm sei vielleicht noch zu helfen, wenn er sich entschließe, in seinem Leben nicht mehr zu zürnen, dann einen Monat kein Wort zu sprechen und endlich das Bad zu brauchen. Der vierte Auftritt führt zunächst den gekrönten Poeten Spuraus auf die Bühne, der auf seine Braut, eine alte Jungfer, eifersüchtig ist und unsichtbar gemacht werden will, um seine Emilie täglich behorchen zu können. Wagner will sich die Sache überlegen und sagt: „Wir haben jetzt einige Regimenter Soldaten über dem Hals, die sich alle auf der Grenze unsichtbar machen wollen. So¬ bald dies geschehen sein wird, so wird man an Sie denken." Dann kommt Emilie selbst und will wissen, ob die Prophezeiung, nach welcher sie ein ge¬ kröntes Haupt heirathen soll, eintreffen wird, und Wagner erklärt ihr, sie brauche zu diesem Zwecke nur ihren Spurans zum Manne zu nehmen, der ja gekrönter Dichter sei. Die Komik dieser Scenen ist schal und matt. Im sechsten Auftritt erscheint dann Faust, sich schwermüthig ans den Arm Jthuriels stützend. Er gesteht dem Freunde seine Unruhe und seinen Kummer und sagt ihm zugleich, daß, seit er bei ihm sei, ein anderes Wesen sich in ihm rege. „Sieh her, Jthuriel, der ermüdete Sklave der Lüste keucht uach Ruhe und findet sie nicht. Ich habe alle Laster durchgeschwelgt. Von Schandthat zu Schandthat bin ich getaumelt, aber seit Du bei mir bist, ändert sich meine Natur. Um¬ sonst winkt mir der purpurne Saft der Weintraube, umsonst die kostbarste Tafel, mein Gaumen ist unfühlbar; umsonst lächelt mich die Schönheit an, ich bleibe unempfindlich und trüge im Besitz aller Wollüste wie Cäsar; ist dies alles? Sprich, Freund, warum seufzt der Mensch bei allem irdischen Glücke?" Jthuriel erwidert, weil er zu größeren Wonnen eingeladen sei, weil er sich nach unsterblichem Vergnügen sehne. Aber vielleicht ist er nicht unsterblich, wirft Faust ein. Der Freund tadelt ihn wegen dieses Zweifels und meint, er sttrchte sich, seinem Gewissen zu begegnen. Faust lehnt das ab und schließt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/455>, abgerufen am 23.07.2024.