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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Diese sonderbare Verschiebung der Gratulation hinter die Wünsche für den
vergnügten Wohlstand des Herrn Professors und der Frau Professorin
scheint doch mit Danzels hoher Meinung von Nenbers Bildung nicht ganz
zu stimmen.

Am 23. März 1836 übersendet Reuber aus Hamburg im Auftrag seiner
Frau ein Buch, welches "rar und selten" sein soll.

Am 2. Mai 1836 überschickt er wieder im Auftrage der Fran "beygehende
Bogen Verse." Er klagt dann, daß die Fortsetzung des angefangenen Werks
dnrch "das niederträchtige Geld-Vermögen" aufgehalten werde. "Es kränkt
mich im Herzen wenn ich bedenke was E. H. sich unseretwegen für Mühe ge¬
geben und wenn ich dabey überlege, daß Sie nicht bald die Freude haben
sollen den Vorsatz aufgeführet zu scheu. Dies ist mein Ernst und keine
Schmeichelet), die man sonst in Briefen dieser Welt anwendet. E. H. sind viel
zu großmüthig wenn ich meine Herzens-Meynung nicht recht ausgedrückt habe;
ich aber bin glücklich wenn ich verstanden werde wie ich habe schreiben wollen.
Ich bitte mir Erlaubniß aus mich lebenslang zu nennen :c."

Der letzte Nenbersche Brief ist vom 24. December 1736 aus Straßbnrg
datirt und beginnt mit Dank für Gottscheds Glückwünsche zu dem der Neuber-
schen Truppe gewordenen Ruf an den Petersburger Hof. Es fehle aber noch
an Geld zur Reise. Jetzt befänden sie sich unter dem Schutz des Königs von
Frankreich. Es fehle ihnen nur an Tragödien. Vier Wochen agirten sie schon
mit gutem Beifall und zwar alle Tage, während die französischen Komödianten
nur dreimal die Woche spielten. "Straßburg hat zwei Komödien-Häuser, in
dem eiuen agiren wir, in dem andern auf dem Roßmarkt die Franzosen.
Beide können bei jetziger Jahreszeit warm gemacht werden. Wie oft wünsche
ich, daß ich dies Komödien-Hans in Leipzig haben möchte." Dann heißt es
über die Haltung des Publikums: "Es kamen viele Franzosen herein, die kein
Wort deutsch verstehen und sahen mit großer Aufmerksamkeit zu. Sowohl die
Husaren-Offiziers als auch andere französische Kriegsleute sind so höflich, daß
ich es nicht genug sagen kann und sehen unseren deutschen Offizieren hierin
gar nicht ähnlich. Der Lieutenant du Roy Herr Krolcms hat uns täglich vier
Maun Wache gegeben, die ungemein scharfe Ordre haben auf alle Betrunkene
oder Bediente oder andere die ein Geräusche machen wollen wohl Acht zu haben,
und selbige sogleich aus dem Komödien-Hause fortzuschaffen. Ingleichen darf
sich kein Mensch wer es sey, unterstehen bey dem Eingange sowohl wegen der
Bezahlung als auch wegen der Plätze Lärm oder geringste Unordnung zu
machen und wer sich einem Soldaten widersetzt der läuft Gefahr sogleich
niedergeschossen zu werden oder wenigstens in Arrest zu kommen. Das sieht


Diese sonderbare Verschiebung der Gratulation hinter die Wünsche für den
vergnügten Wohlstand des Herrn Professors und der Frau Professorin
scheint doch mit Danzels hoher Meinung von Nenbers Bildung nicht ganz
zu stimmen.

Am 23. März 1836 übersendet Reuber aus Hamburg im Auftrag seiner
Frau ein Buch, welches „rar und selten" sein soll.

Am 2. Mai 1836 überschickt er wieder im Auftrage der Fran „beygehende
Bogen Verse." Er klagt dann, daß die Fortsetzung des angefangenen Werks
dnrch „das niederträchtige Geld-Vermögen" aufgehalten werde. „Es kränkt
mich im Herzen wenn ich bedenke was E. H. sich unseretwegen für Mühe ge¬
geben und wenn ich dabey überlege, daß Sie nicht bald die Freude haben
sollen den Vorsatz aufgeführet zu scheu. Dies ist mein Ernst und keine
Schmeichelet), die man sonst in Briefen dieser Welt anwendet. E. H. sind viel
zu großmüthig wenn ich meine Herzens-Meynung nicht recht ausgedrückt habe;
ich aber bin glücklich wenn ich verstanden werde wie ich habe schreiben wollen.
Ich bitte mir Erlaubniß aus mich lebenslang zu nennen :c."

Der letzte Nenbersche Brief ist vom 24. December 1736 aus Straßbnrg
datirt und beginnt mit Dank für Gottscheds Glückwünsche zu dem der Neuber-
schen Truppe gewordenen Ruf an den Petersburger Hof. Es fehle aber noch
an Geld zur Reise. Jetzt befänden sie sich unter dem Schutz des Königs von
Frankreich. Es fehle ihnen nur an Tragödien. Vier Wochen agirten sie schon
mit gutem Beifall und zwar alle Tage, während die französischen Komödianten
nur dreimal die Woche spielten. „Straßburg hat zwei Komödien-Häuser, in
dem eiuen agiren wir, in dem andern auf dem Roßmarkt die Franzosen.
Beide können bei jetziger Jahreszeit warm gemacht werden. Wie oft wünsche
ich, daß ich dies Komödien-Hans in Leipzig haben möchte." Dann heißt es
über die Haltung des Publikums: „Es kamen viele Franzosen herein, die kein
Wort deutsch verstehen und sahen mit großer Aufmerksamkeit zu. Sowohl die
Husaren-Offiziers als auch andere französische Kriegsleute sind so höflich, daß
ich es nicht genug sagen kann und sehen unseren deutschen Offizieren hierin
gar nicht ähnlich. Der Lieutenant du Roy Herr Krolcms hat uns täglich vier
Maun Wache gegeben, die ungemein scharfe Ordre haben auf alle Betrunkene
oder Bediente oder andere die ein Geräusche machen wollen wohl Acht zu haben,
und selbige sogleich aus dem Komödien-Hause fortzuschaffen. Ingleichen darf
sich kein Mensch wer es sey, unterstehen bey dem Eingange sowohl wegen der
Bezahlung als auch wegen der Plätze Lärm oder geringste Unordnung zu
machen und wer sich einem Soldaten widersetzt der läuft Gefahr sogleich
niedergeschossen zu werden oder wenigstens in Arrest zu kommen. Das sieht


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[0438] Diese sonderbare Verschiebung der Gratulation hinter die Wünsche für den vergnügten Wohlstand des Herrn Professors und der Frau Professorin scheint doch mit Danzels hoher Meinung von Nenbers Bildung nicht ganz zu stimmen. Am 23. März 1836 übersendet Reuber aus Hamburg im Auftrag seiner Frau ein Buch, welches „rar und selten" sein soll. Am 2. Mai 1836 überschickt er wieder im Auftrage der Fran „beygehende Bogen Verse." Er klagt dann, daß die Fortsetzung des angefangenen Werks dnrch „das niederträchtige Geld-Vermögen" aufgehalten werde. „Es kränkt mich im Herzen wenn ich bedenke was E. H. sich unseretwegen für Mühe ge¬ geben und wenn ich dabey überlege, daß Sie nicht bald die Freude haben sollen den Vorsatz aufgeführet zu scheu. Dies ist mein Ernst und keine Schmeichelet), die man sonst in Briefen dieser Welt anwendet. E. H. sind viel zu großmüthig wenn ich meine Herzens-Meynung nicht recht ausgedrückt habe; ich aber bin glücklich wenn ich verstanden werde wie ich habe schreiben wollen. Ich bitte mir Erlaubniß aus mich lebenslang zu nennen :c." Der letzte Nenbersche Brief ist vom 24. December 1736 aus Straßbnrg datirt und beginnt mit Dank für Gottscheds Glückwünsche zu dem der Neuber- schen Truppe gewordenen Ruf an den Petersburger Hof. Es fehle aber noch an Geld zur Reise. Jetzt befänden sie sich unter dem Schutz des Königs von Frankreich. Es fehle ihnen nur an Tragödien. Vier Wochen agirten sie schon mit gutem Beifall und zwar alle Tage, während die französischen Komödianten nur dreimal die Woche spielten. „Straßburg hat zwei Komödien-Häuser, in dem eiuen agiren wir, in dem andern auf dem Roßmarkt die Franzosen. Beide können bei jetziger Jahreszeit warm gemacht werden. Wie oft wünsche ich, daß ich dies Komödien-Hans in Leipzig haben möchte." Dann heißt es über die Haltung des Publikums: „Es kamen viele Franzosen herein, die kein Wort deutsch verstehen und sahen mit großer Aufmerksamkeit zu. Sowohl die Husaren-Offiziers als auch andere französische Kriegsleute sind so höflich, daß ich es nicht genug sagen kann und sehen unseren deutschen Offizieren hierin gar nicht ähnlich. Der Lieutenant du Roy Herr Krolcms hat uns täglich vier Maun Wache gegeben, die ungemein scharfe Ordre haben auf alle Betrunkene oder Bediente oder andere die ein Geräusche machen wollen wohl Acht zu haben, und selbige sogleich aus dem Komödien-Hause fortzuschaffen. Ingleichen darf sich kein Mensch wer es sey, unterstehen bey dem Eingange sowohl wegen der Bezahlung als auch wegen der Plätze Lärm oder geringste Unordnung zu machen und wer sich einem Soldaten widersetzt der läuft Gefahr sogleich niedergeschossen zu werden oder wenigstens in Arrest zu kommen. Das sieht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/438>, abgerufen am 23.07.2024.