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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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und erschrecklich Spektakel. Da huben die Studenten an, ihn zu beklagen und
zu beweinen und suchten ihn allenthalben. Letztlich aber fanden sie seinen
Leib draußen auf dem Mist liegen, welcher greulich anzusehen war, da ihm
der Kopf und alle Glieder schlotterten."

Die Studenten gehen nun, nachdem sie ihren Freund begraben, nach
Fausts Hause zurück und finden hier nur noch dessen Famulus vor. Helena
und ihr Sohn sind verschwunden. In dem Hause wird es unheimlich, der
Geist des vom Teufel Geholten spukt dort, und die Vorübergehenden sehen ihn
zum Fenster herausgnken. Das Buch schließt hierauf als mit seiner Moral
mit dem Spruche 1. Petri 5: "Seid nüchtern und wachet; denn euer Wider¬
sacher, der Teufel, gehet umher wie ein brüllender Löwe und suchet, welchen
er verschlinge; dem widerstehet fest im Glauben."

Ich bemerke zum Schlüsse, daß Faust auch als magischer Schriftsteller
thätig gewesen sein soll, ob aber die berühmteste seiner Schriften, die unter
dem Titel "F austs Höllenzwang" vom Aberglauben bis in die Gegen¬
wart herein hoch gehalten und zu Beschwörungen benutzt wurde, von ihm her¬
rührt, ist kaum anzunehmen. Gewiß ist nur, daß sie schon 1660 existirte,
doch ist nicht zu beweisen, daß die Form, in der sie Scheible einer im prager
Jesuitenkollegium erschienenen Ausgabe im "Kloster" nachgedruckt hat, mit der
gleichlautet, die damals einem Schreiber zu Hildesheim beinahe die Folter ge¬
bracht hätte. Ein paar Worte über diese Anweisung, den Geist Uziel, "den
Schatzmeister über die verborgenen Güter der ganzen Welt", zu beschwören
und sich von ihm Geld bringen zu lassen, werden genügen, um die Leser von
der Natur dieses nekromantischen Hokuspokus in Kenntniß zu setzen.

Der Exorcist hatte zunächst drei Tage zu fasten, zu beten, Almosen zu
reichen, zu beichten und zu kommunieiren, auch drei Messen lesen zu lassen.
Dann mußte er zu bestimmter Stunde an einem der sechs Wochentage, Mon¬
tags z. B. von vier bis fünf Uhr Vormittags oder von fünf bis elf Uhr
Nachmittags, zwei Kreise auf den Boden zeichnen und mit gewissen aus Papier
zurechtgeschnitteuen Figuren belegen. Der eine Kreis war für den Geist, der
andere für den Exorcisten bestimmt, welcher in ihm mit dem linken Fuße auf
das in dem Buche abgebildete Siegel Aziels zu treten hatte. Vor der Be¬
schwörung war ein Gebet zu sprechen, welches folgendermaßen lautete:

"O allmächtiger Gott und himmlischer Vater, ich bitte Dich durch Jesum
Christum, Deinen allerliebsten Sohn dnrch diese Deine allerheiligsten Namen:
Agta, Noah, Soter, Emanuel, Du wollest die Worte meines Mundes gnädiglich
erhören und mir die Kraft und Macht verleihen, daß die bösen Geister, welche
Du wegen ihres Hochmuthes und ihrer Herrschsucht aus Deinem heiligen Himmel
in den Abgrund der Hölle verstoßen hast, daß sie, wenn ich sie mit Deiner


und erschrecklich Spektakel. Da huben die Studenten an, ihn zu beklagen und
zu beweinen und suchten ihn allenthalben. Letztlich aber fanden sie seinen
Leib draußen auf dem Mist liegen, welcher greulich anzusehen war, da ihm
der Kopf und alle Glieder schlotterten."

Die Studenten gehen nun, nachdem sie ihren Freund begraben, nach
Fausts Hause zurück und finden hier nur noch dessen Famulus vor. Helena
und ihr Sohn sind verschwunden. In dem Hause wird es unheimlich, der
Geist des vom Teufel Geholten spukt dort, und die Vorübergehenden sehen ihn
zum Fenster herausgnken. Das Buch schließt hierauf als mit seiner Moral
mit dem Spruche 1. Petri 5: „Seid nüchtern und wachet; denn euer Wider¬
sacher, der Teufel, gehet umher wie ein brüllender Löwe und suchet, welchen
er verschlinge; dem widerstehet fest im Glauben."

Ich bemerke zum Schlüsse, daß Faust auch als magischer Schriftsteller
thätig gewesen sein soll, ob aber die berühmteste seiner Schriften, die unter
dem Titel „F austs Höllenzwang" vom Aberglauben bis in die Gegen¬
wart herein hoch gehalten und zu Beschwörungen benutzt wurde, von ihm her¬
rührt, ist kaum anzunehmen. Gewiß ist nur, daß sie schon 1660 existirte,
doch ist nicht zu beweisen, daß die Form, in der sie Scheible einer im prager
Jesuitenkollegium erschienenen Ausgabe im „Kloster" nachgedruckt hat, mit der
gleichlautet, die damals einem Schreiber zu Hildesheim beinahe die Folter ge¬
bracht hätte. Ein paar Worte über diese Anweisung, den Geist Uziel, „den
Schatzmeister über die verborgenen Güter der ganzen Welt", zu beschwören
und sich von ihm Geld bringen zu lassen, werden genügen, um die Leser von
der Natur dieses nekromantischen Hokuspokus in Kenntniß zu setzen.

Der Exorcist hatte zunächst drei Tage zu fasten, zu beten, Almosen zu
reichen, zu beichten und zu kommunieiren, auch drei Messen lesen zu lassen.
Dann mußte er zu bestimmter Stunde an einem der sechs Wochentage, Mon¬
tags z. B. von vier bis fünf Uhr Vormittags oder von fünf bis elf Uhr
Nachmittags, zwei Kreise auf den Boden zeichnen und mit gewissen aus Papier
zurechtgeschnitteuen Figuren belegen. Der eine Kreis war für den Geist, der
andere für den Exorcisten bestimmt, welcher in ihm mit dem linken Fuße auf
das in dem Buche abgebildete Siegel Aziels zu treten hatte. Vor der Be¬
schwörung war ein Gebet zu sprechen, welches folgendermaßen lautete:

„O allmächtiger Gott und himmlischer Vater, ich bitte Dich durch Jesum
Christum, Deinen allerliebsten Sohn dnrch diese Deine allerheiligsten Namen:
Agta, Noah, Soter, Emanuel, Du wollest die Worte meines Mundes gnädiglich
erhören und mir die Kraft und Macht verleihen, daß die bösen Geister, welche
Du wegen ihres Hochmuthes und ihrer Herrschsucht aus Deinem heiligen Himmel
in den Abgrund der Hölle verstoßen hast, daß sie, wenn ich sie mit Deiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/427>, abgerufen am 23.07.2024.