Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.machtest! O zeitliche Wollust, in was für Noth hast Du mich geführt! Ach Auf solche und ähnliche Klagen erschien ihm Mephostophiles und ver¬ "Ja, ja, mein Fauste, mit großen Herren und dem Teufel ist nicht gut Grenzboten I, 1877. 53
machtest! O zeitliche Wollust, in was für Noth hast Du mich geführt! Ach Auf solche und ähnliche Klagen erschien ihm Mephostophiles und ver¬ „Ja, ja, mein Fauste, mit großen Herren und dem Teufel ist nicht gut Grenzboten I, 1877. 53
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0425" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137598"/> <p xml:id="ID_1374" prev="#ID_1373"> machtest! O zeitliche Wollust, in was für Noth hast Du mich geführt! Ach<lb/> mein schwaches Gemüth, wo ist Deine Erkenntniß? Ach Leid über Leid, Jammer<lb/> über Jammer! Ach und Wehe, wer wird mich erlösen? Wo soll ich mich<lb/> verbergen? Wohin soll ich mich verkriechen oder fliehen?"</p><lb/> <p xml:id="ID_1375"> Auf solche und ähnliche Klagen erschien ihm Mephostophiles und ver¬<lb/> spottete ihn mit allerlei Scherzreden. Unter Andern sagte er ihm:</p><lb/> <p xml:id="ID_1376" next="#ID_1377"> „Ja, ja, mein Fauste, mit großen Herren und dem Teufel ist nicht gut<lb/> Kirschen essen, sie werfen einem die Stiele ins Angesicht, wie du nun siehst.<lb/> Derhalben wärest Du wohl weit von dannen gegangen, was gut für den<lb/> Schuß gewesen wäre. Aber Dein hoffcirtig Rößlein hatte Dich geschlagen,<lb/> Du hast die Kunst, die Dir Gott gegeben, verachtet und Dir nicht daran ge¬<lb/> nügen lassen, sondern den Teufel zu Gaste geladen und hast diese ganzen vier¬<lb/> undzwanzig Jahre daher gemeint, es sei alles Gold, was gleißet, was Dir der<lb/> Teufel berichte, dadurch Dir der Teufel wie einer Katze eine Schelle angehängt.<lb/> Siehe, Du warst eine schöne erschaffene Kreatur, aber die Rose, die man lange<lb/> in den Händen trägt und an der man viel riecht, die bleibt nicht, wessen Brot<lb/> Du gegessen hast, dessen Lied mußt Du singen, verziehe bis auf den Karfrei¬<lb/> tag, so wird's bald Ostern sein. Was Du verheißen hast, ist nicht ohne Ursache<lb/> geschehen, eine gebratene Wurst hat zwei Zipfel, und auf des Teufels Eis ist<lb/> nicht gut gehen. Du hast eine böse Art gehabt, darum läßt Art von Art<lb/> nicht, also läßt die Katze das Mausen nicht. Scharf vornehmen macht schartig.<lb/> So lange der Löffel neu ist, braucht ihn der Koch, darnach wenn er alt wird,<lb/> so sah— er drein, dann iß mit ihm aus. Ist es nicht auch mit Dir also, der<lb/> Du ein neuer Kochlöffel des Teufels wärest? Nun nützet er Dich nimmer;<lb/> denn der Markt hätte Dich sollen lehren kaufen. — Noch mehr, mein Fauste,<lb/> was hast Du sür einen großen Uebermuth gebrauchet, in allem Deinem Thun<lb/> und Wandel hast Du Dich einen Teufelsfrennd genannt; derohalber fchürze<lb/> Dich nun; denn Gott ist der Herr, der Teufel ist blos Abt oder Mönch.<lb/> Hoffart thut niemals gut; wolltest Hans in allen Gassen sein, so soll man<lb/> Narren mit Kolben lausen. Wer zu viel will haben, dem wird zu wenig, und<lb/> darnach Einer legete, darnach muß er aufsetzen. So laß Dir nun meine Lehre<lb/> und Erinnerung zu Herzen gehen, die gleichwohl schier verloren ist. Du solltest<lb/> dem Teufel nicht so wohl vertrauet haben, dieweil er Gottes Affe, auch ein<lb/> Lügner und Mörder ist; darum solltest Du klüger gewesen sein. Schimpf<lb/> bringt Schande; denn es ist bald um einen Menschen geschehen, und er kostet<lb/> so viel zu erziehen. Um den Teufel zu beherbergen, bedarf es eines klugen<lb/> Wirthes. Zum Tanze gehört mehr als ein Paar rothe Schuhe. Hättest Du<lb/> Gott vor Augen gehabt und Dir an den Gaben, so er Dir verliehen, genügen<lb/> lassen, dürftest Du diesen Reigen nicht tanzen. Du solltest dem Teufel nicht</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I, 1877. 53</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0425]
machtest! O zeitliche Wollust, in was für Noth hast Du mich geführt! Ach
mein schwaches Gemüth, wo ist Deine Erkenntniß? Ach Leid über Leid, Jammer
über Jammer! Ach und Wehe, wer wird mich erlösen? Wo soll ich mich
verbergen? Wohin soll ich mich verkriechen oder fliehen?"
Auf solche und ähnliche Klagen erschien ihm Mephostophiles und ver¬
spottete ihn mit allerlei Scherzreden. Unter Andern sagte er ihm:
„Ja, ja, mein Fauste, mit großen Herren und dem Teufel ist nicht gut
Kirschen essen, sie werfen einem die Stiele ins Angesicht, wie du nun siehst.
Derhalben wärest Du wohl weit von dannen gegangen, was gut für den
Schuß gewesen wäre. Aber Dein hoffcirtig Rößlein hatte Dich geschlagen,
Du hast die Kunst, die Dir Gott gegeben, verachtet und Dir nicht daran ge¬
nügen lassen, sondern den Teufel zu Gaste geladen und hast diese ganzen vier¬
undzwanzig Jahre daher gemeint, es sei alles Gold, was gleißet, was Dir der
Teufel berichte, dadurch Dir der Teufel wie einer Katze eine Schelle angehängt.
Siehe, Du warst eine schöne erschaffene Kreatur, aber die Rose, die man lange
in den Händen trägt und an der man viel riecht, die bleibt nicht, wessen Brot
Du gegessen hast, dessen Lied mußt Du singen, verziehe bis auf den Karfrei¬
tag, so wird's bald Ostern sein. Was Du verheißen hast, ist nicht ohne Ursache
geschehen, eine gebratene Wurst hat zwei Zipfel, und auf des Teufels Eis ist
nicht gut gehen. Du hast eine böse Art gehabt, darum läßt Art von Art
nicht, also läßt die Katze das Mausen nicht. Scharf vornehmen macht schartig.
So lange der Löffel neu ist, braucht ihn der Koch, darnach wenn er alt wird,
so sah— er drein, dann iß mit ihm aus. Ist es nicht auch mit Dir also, der
Du ein neuer Kochlöffel des Teufels wärest? Nun nützet er Dich nimmer;
denn der Markt hätte Dich sollen lehren kaufen. — Noch mehr, mein Fauste,
was hast Du sür einen großen Uebermuth gebrauchet, in allem Deinem Thun
und Wandel hast Du Dich einen Teufelsfrennd genannt; derohalber fchürze
Dich nun; denn Gott ist der Herr, der Teufel ist blos Abt oder Mönch.
Hoffart thut niemals gut; wolltest Hans in allen Gassen sein, so soll man
Narren mit Kolben lausen. Wer zu viel will haben, dem wird zu wenig, und
darnach Einer legete, darnach muß er aufsetzen. So laß Dir nun meine Lehre
und Erinnerung zu Herzen gehen, die gleichwohl schier verloren ist. Du solltest
dem Teufel nicht so wohl vertrauet haben, dieweil er Gottes Affe, auch ein
Lügner und Mörder ist; darum solltest Du klüger gewesen sein. Schimpf
bringt Schande; denn es ist bald um einen Menschen geschehen, und er kostet
so viel zu erziehen. Um den Teufel zu beherbergen, bedarf es eines klugen
Wirthes. Zum Tanze gehört mehr als ein Paar rothe Schuhe. Hättest Du
Gott vor Augen gehabt und Dir an den Gaben, so er Dir verliehen, genügen
lassen, dürftest Du diesen Reigen nicht tanzen. Du solltest dem Teufel nicht
Grenzboten I, 1877. 53
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