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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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leibfarbeue Rosen mit audere bunte und >vohlriechende Blumen, welches eine
herrliche Lust zu sehen und zu riechen gab."

Daß Faust sich auch auf Liebeszauber verstand, zeigt eine Historie, wo
er einem wittenberger Studenten von Adel, der sich in eine Dame, die ihn
nicht mochte, verliebt hatte und aus Herzeleid über sein Mißgeschick krank ge¬
worden war, zum Ziele seiner Wünsche verhalf. Er gab ihm einen Ring,
führte ihn in einen Garten, wo die Geliebte mit andern Mädchen beim Tanze
war, und hieß ihn sie mit dem Finger berühren. Von Stund an war "die
gute Jungfrau mit Cupidinis Pfeilen durchschossen", und an: nächsten Morgen
schickte sie zu ihm und begehrte ihn zum Ehemann, worauf sie Hochzeit mit
einander machten, auch dem Doctor Fausto eine gute Verehrung gaben.

Als Faust sein Verhältniß zum Teufel eine Reihe von Jahren fortgesetzt
hatte, war es einmal nahe daran, daß sich dasselbe auflöste. Sem Nachbar,
ein gottesfürchtiger Arzt und Liebhaber der heiligen Schrift, lud ihn zu sich,
machte ihm Vorstellungen und drang in ihn, Buße zu thun und sich zu be¬
kehren. Faust hörte ihm fleißig zu, sagte, daß ihm die Lehre wohlgefiele, und
gelobte, womöglich zu thun, was er von ihm begehre. Zu Hause dachte er
weiter über die Ermahnung nach und beschloß, dem Teufel sein Versprechen
auszusagen. Da erschien ihm aber sein Geist und griff nach ihm, als ob er
ihm den Hals umdrehen wollte, worauf er ihm so lange mit Vorstellungen
und Drohungen zusetzte, bis er sich ihm von neuem verschrieb, auch dem
frommen Nachbar so feind wurde, daß er ihm nach dem Leben trachtete.

Desgleichen fand sich bei ihm auch die Lust zu allerlei Possen und Necke¬
reien wieder ein. Einmal hatte er in Augsburg Gäste bei sich, die er mit
Speisen, die Mephostophiles einem reichen Bürger, der Hochzeit hielt, aus der
Küche gestohlen, und mit Wein aus Fuggers Keller traktirte. Nachdem sie
gegessen, wollten seine Freunde ein Kunststück von ihm sehen. "Da ließ er
auf dem Tische einen Rebstock wachsen mit reifen Trauben, deren vor Jedem
eine hing. Hieß darauf einen Jeglichen die seine mit der einen Hand angreifen
und halten und mit der andern das Messer auf den Stengel setzen, als wenn
er sie abschneiden wollte; es sollte aber bei Leibe keiner schneiden. Darnach
gehet er aus der Stube, wartet nicht lange, kommt wieder, da sitzen sie Alle
und halten sich ein Jeglicher selbst bei der Nase und das Messer darauf.
Wenn ihr nun gerne wollt, sagte Faustus, so mögt ihr die Trauben ab¬
schneiden. Das war ihnen aber ungelegen, wollten sie lieber noch reifer werden
lassen."

Eine reine Eulenspiegelei trieb er mit dem Kapellan Dorstenius zu Batto-
burg an der Maas, der ihm viel Gutes und Liebes erzeiget und, "dieweil er
sahe, daß Faustus dem Trunk sehr geneigt war", ihm so lange guten Wein


leibfarbeue Rosen mit audere bunte und >vohlriechende Blumen, welches eine
herrliche Lust zu sehen und zu riechen gab."

Daß Faust sich auch auf Liebeszauber verstand, zeigt eine Historie, wo
er einem wittenberger Studenten von Adel, der sich in eine Dame, die ihn
nicht mochte, verliebt hatte und aus Herzeleid über sein Mißgeschick krank ge¬
worden war, zum Ziele seiner Wünsche verhalf. Er gab ihm einen Ring,
führte ihn in einen Garten, wo die Geliebte mit andern Mädchen beim Tanze
war, und hieß ihn sie mit dem Finger berühren. Von Stund an war „die
gute Jungfrau mit Cupidinis Pfeilen durchschossen", und an: nächsten Morgen
schickte sie zu ihm und begehrte ihn zum Ehemann, worauf sie Hochzeit mit
einander machten, auch dem Doctor Fausto eine gute Verehrung gaben.

Als Faust sein Verhältniß zum Teufel eine Reihe von Jahren fortgesetzt
hatte, war es einmal nahe daran, daß sich dasselbe auflöste. Sem Nachbar,
ein gottesfürchtiger Arzt und Liebhaber der heiligen Schrift, lud ihn zu sich,
machte ihm Vorstellungen und drang in ihn, Buße zu thun und sich zu be¬
kehren. Faust hörte ihm fleißig zu, sagte, daß ihm die Lehre wohlgefiele, und
gelobte, womöglich zu thun, was er von ihm begehre. Zu Hause dachte er
weiter über die Ermahnung nach und beschloß, dem Teufel sein Versprechen
auszusagen. Da erschien ihm aber sein Geist und griff nach ihm, als ob er
ihm den Hals umdrehen wollte, worauf er ihm so lange mit Vorstellungen
und Drohungen zusetzte, bis er sich ihm von neuem verschrieb, auch dem
frommen Nachbar so feind wurde, daß er ihm nach dem Leben trachtete.

Desgleichen fand sich bei ihm auch die Lust zu allerlei Possen und Necke¬
reien wieder ein. Einmal hatte er in Augsburg Gäste bei sich, die er mit
Speisen, die Mephostophiles einem reichen Bürger, der Hochzeit hielt, aus der
Küche gestohlen, und mit Wein aus Fuggers Keller traktirte. Nachdem sie
gegessen, wollten seine Freunde ein Kunststück von ihm sehen. „Da ließ er
auf dem Tische einen Rebstock wachsen mit reifen Trauben, deren vor Jedem
eine hing. Hieß darauf einen Jeglichen die seine mit der einen Hand angreifen
und halten und mit der andern das Messer auf den Stengel setzen, als wenn
er sie abschneiden wollte; es sollte aber bei Leibe keiner schneiden. Darnach
gehet er aus der Stube, wartet nicht lange, kommt wieder, da sitzen sie Alle
und halten sich ein Jeglicher selbst bei der Nase und das Messer darauf.
Wenn ihr nun gerne wollt, sagte Faustus, so mögt ihr die Trauben ab¬
schneiden. Das war ihnen aber ungelegen, wollten sie lieber noch reifer werden
lassen."

Eine reine Eulenspiegelei trieb er mit dem Kapellan Dorstenius zu Batto-
burg an der Maas, der ihm viel Gutes und Liebes erzeiget und, „dieweil er
sahe, daß Faustus dem Trunk sehr geneigt war", ihm so lange guten Wein


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[0423] leibfarbeue Rosen mit audere bunte und >vohlriechende Blumen, welches eine herrliche Lust zu sehen und zu riechen gab." Daß Faust sich auch auf Liebeszauber verstand, zeigt eine Historie, wo er einem wittenberger Studenten von Adel, der sich in eine Dame, die ihn nicht mochte, verliebt hatte und aus Herzeleid über sein Mißgeschick krank ge¬ worden war, zum Ziele seiner Wünsche verhalf. Er gab ihm einen Ring, führte ihn in einen Garten, wo die Geliebte mit andern Mädchen beim Tanze war, und hieß ihn sie mit dem Finger berühren. Von Stund an war „die gute Jungfrau mit Cupidinis Pfeilen durchschossen", und an: nächsten Morgen schickte sie zu ihm und begehrte ihn zum Ehemann, worauf sie Hochzeit mit einander machten, auch dem Doctor Fausto eine gute Verehrung gaben. Als Faust sein Verhältniß zum Teufel eine Reihe von Jahren fortgesetzt hatte, war es einmal nahe daran, daß sich dasselbe auflöste. Sem Nachbar, ein gottesfürchtiger Arzt und Liebhaber der heiligen Schrift, lud ihn zu sich, machte ihm Vorstellungen und drang in ihn, Buße zu thun und sich zu be¬ kehren. Faust hörte ihm fleißig zu, sagte, daß ihm die Lehre wohlgefiele, und gelobte, womöglich zu thun, was er von ihm begehre. Zu Hause dachte er weiter über die Ermahnung nach und beschloß, dem Teufel sein Versprechen auszusagen. Da erschien ihm aber sein Geist und griff nach ihm, als ob er ihm den Hals umdrehen wollte, worauf er ihm so lange mit Vorstellungen und Drohungen zusetzte, bis er sich ihm von neuem verschrieb, auch dem frommen Nachbar so feind wurde, daß er ihm nach dem Leben trachtete. Desgleichen fand sich bei ihm auch die Lust zu allerlei Possen und Necke¬ reien wieder ein. Einmal hatte er in Augsburg Gäste bei sich, die er mit Speisen, die Mephostophiles einem reichen Bürger, der Hochzeit hielt, aus der Küche gestohlen, und mit Wein aus Fuggers Keller traktirte. Nachdem sie gegessen, wollten seine Freunde ein Kunststück von ihm sehen. „Da ließ er auf dem Tische einen Rebstock wachsen mit reifen Trauben, deren vor Jedem eine hing. Hieß darauf einen Jeglichen die seine mit der einen Hand angreifen und halten und mit der andern das Messer auf den Stengel setzen, als wenn er sie abschneiden wollte; es sollte aber bei Leibe keiner schneiden. Darnach gehet er aus der Stube, wartet nicht lange, kommt wieder, da sitzen sie Alle und halten sich ein Jeglicher selbst bei der Nase und das Messer darauf. Wenn ihr nun gerne wollt, sagte Faustus, so mögt ihr die Trauben ab¬ schneiden. Das war ihnen aber ungelegen, wollten sie lieber noch reifer werden lassen." Eine reine Eulenspiegelei trieb er mit dem Kapellan Dorstenius zu Batto- burg an der Maas, der ihm viel Gutes und Liebes erzeiget und, „dieweil er sahe, daß Faustus dem Trunk sehr geneigt war", ihm so lange guten Wein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/423>, abgerufen am 23.07.2024.