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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Andere Zauberstücklein, wie er Studenten verblendet, die sich vor seinem
Hause raufen, wie er als Büchsenmeister in einer Festung, die von Kaiser
Karls spanischem Kriegsvolke belagert wird, einen Meisterschuß thut und die
feindlichen Kugeln wie Bälle beim Spiel auffängt, wie er zwei Bauern eiues
Pferdes wegen an einander hetzt, daß sie sich prügeln, wie er in einem Wirths-
haus, wo sie nach der Sitte der Zeit "auf gut Sächsisch und Pommerisch mit
Halben und Ganzen zufammensoffen", einen Hausknecht, der ihm trotz seines
Widerspruchs immer zu voll eingeschenkt hat, verschluckt und ihm einen Kübel
mit Kühlwasser in die Gurgel nachschickt, endlich wie er in einer alten
Kapelle bei Wittenberg einen Schatz hebt, erwähne ich nur der Vollständig¬
keit halber.

Einmal wurde Faust uach einer Mahlzeit im Gasthause vou seinen Tisch
genossen gebeten, ihnen zu zeigen, wie er Köpfe abhalten und wieder ansetzen
könne. Als niemand von ihnen seinen Kopf dazu Herleihen wollte, ließ sich
der Hausknecht gegen ein Geschenk dazu bewegen, verlangte jedoch, daß ihn:
der Kopf dann wieder recht fest angemacht würde; "denn sollte er ohne Kopf
darnach sein Amt versehen, was würden die Gäste dazu sagen?" So wurde
er denn auf gut Scharfrichterisch geköpft, "aber das Wiederanmachen wollte
nicht von Statten gehen, was auch Faustus anfing. Da sprach er zu deu
Gästen, es sei einer unter thuen, der ihn verhindere, den wollte er vermahnet
und gewarnet haben, daß er's nicht thue. Darauf versuchte er's abermals,
konnte aber nichts ausrichten. Er vermcchnete nud brauete dem zum andern
Mal, er solle ihn unverhindert lassen, oder es werde ihm nicht zum Besten
ausschlagen. Da aber auch das nichts half, und er den Kopf nicht wieder an¬
setzen konnte, läßt er auf dem Tische eine Lilie wachsen, der haut er das Haupt
und die Blume oben ab. Alsbald fiel einer von den Gästen hinter sich von
der Bank, und war ihm der Kopf ab. Der war der Zauberer, der ihn ver¬
hindert hatte. Da setzte Faustus dem Hausknechte seinen Kopf, wie er ihm
verheißen hatte, wiederum auf und packte sich von bannen. Eine ähnliche
Zauberei verrichtete Faust nach unsrer Schrift zu Frankfurt während der Messe
in einem Wirthshause bei der Judengasse.

Um Weihnachten hatte Faust einmal eine Anzahl seiner Kunden unter
deu Junkern und dein adeligen Frauenzimmer in der Nachbarschaft von Witten¬
berg zu Tische bei sich. Da begab sich, während draußen tiefer Schnee lag,
in Fausts Garten "ein herrlich und lustig Spektakel; denn es war in seinem
Garten kein Schnee zu sehen, sondern ein schöner Sommer mit allerlei Ge¬
wächs, daß auch das Gras grünete und allerhand schöne Blumen blühten.
Auch waren da Weinreben mit Trauben behängen, desgleichen rothe, weiße und


Andere Zauberstücklein, wie er Studenten verblendet, die sich vor seinem
Hause raufen, wie er als Büchsenmeister in einer Festung, die von Kaiser
Karls spanischem Kriegsvolke belagert wird, einen Meisterschuß thut und die
feindlichen Kugeln wie Bälle beim Spiel auffängt, wie er zwei Bauern eiues
Pferdes wegen an einander hetzt, daß sie sich prügeln, wie er in einem Wirths-
haus, wo sie nach der Sitte der Zeit „auf gut Sächsisch und Pommerisch mit
Halben und Ganzen zufammensoffen", einen Hausknecht, der ihm trotz seines
Widerspruchs immer zu voll eingeschenkt hat, verschluckt und ihm einen Kübel
mit Kühlwasser in die Gurgel nachschickt, endlich wie er in einer alten
Kapelle bei Wittenberg einen Schatz hebt, erwähne ich nur der Vollständig¬
keit halber.

Einmal wurde Faust uach einer Mahlzeit im Gasthause vou seinen Tisch
genossen gebeten, ihnen zu zeigen, wie er Köpfe abhalten und wieder ansetzen
könne. Als niemand von ihnen seinen Kopf dazu Herleihen wollte, ließ sich
der Hausknecht gegen ein Geschenk dazu bewegen, verlangte jedoch, daß ihn:
der Kopf dann wieder recht fest angemacht würde; „denn sollte er ohne Kopf
darnach sein Amt versehen, was würden die Gäste dazu sagen?" So wurde
er denn auf gut Scharfrichterisch geköpft, „aber das Wiederanmachen wollte
nicht von Statten gehen, was auch Faustus anfing. Da sprach er zu deu
Gästen, es sei einer unter thuen, der ihn verhindere, den wollte er vermahnet
und gewarnet haben, daß er's nicht thue. Darauf versuchte er's abermals,
konnte aber nichts ausrichten. Er vermcchnete nud brauete dem zum andern
Mal, er solle ihn unverhindert lassen, oder es werde ihm nicht zum Besten
ausschlagen. Da aber auch das nichts half, und er den Kopf nicht wieder an¬
setzen konnte, läßt er auf dem Tische eine Lilie wachsen, der haut er das Haupt
und die Blume oben ab. Alsbald fiel einer von den Gästen hinter sich von
der Bank, und war ihm der Kopf ab. Der war der Zauberer, der ihn ver¬
hindert hatte. Da setzte Faustus dem Hausknechte seinen Kopf, wie er ihm
verheißen hatte, wiederum auf und packte sich von bannen. Eine ähnliche
Zauberei verrichtete Faust nach unsrer Schrift zu Frankfurt während der Messe
in einem Wirthshause bei der Judengasse.

Um Weihnachten hatte Faust einmal eine Anzahl seiner Kunden unter
deu Junkern und dein adeligen Frauenzimmer in der Nachbarschaft von Witten¬
berg zu Tische bei sich. Da begab sich, während draußen tiefer Schnee lag,
in Fausts Garten „ein herrlich und lustig Spektakel; denn es war in seinem
Garten kein Schnee zu sehen, sondern ein schöner Sommer mit allerlei Ge¬
wächs, daß auch das Gras grünete und allerhand schöne Blumen blühten.
Auch waren da Weinreben mit Trauben behängen, desgleichen rothe, weiße und


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[0422] Andere Zauberstücklein, wie er Studenten verblendet, die sich vor seinem Hause raufen, wie er als Büchsenmeister in einer Festung, die von Kaiser Karls spanischem Kriegsvolke belagert wird, einen Meisterschuß thut und die feindlichen Kugeln wie Bälle beim Spiel auffängt, wie er zwei Bauern eiues Pferdes wegen an einander hetzt, daß sie sich prügeln, wie er in einem Wirths- haus, wo sie nach der Sitte der Zeit „auf gut Sächsisch und Pommerisch mit Halben und Ganzen zufammensoffen", einen Hausknecht, der ihm trotz seines Widerspruchs immer zu voll eingeschenkt hat, verschluckt und ihm einen Kübel mit Kühlwasser in die Gurgel nachschickt, endlich wie er in einer alten Kapelle bei Wittenberg einen Schatz hebt, erwähne ich nur der Vollständig¬ keit halber. Einmal wurde Faust uach einer Mahlzeit im Gasthause vou seinen Tisch genossen gebeten, ihnen zu zeigen, wie er Köpfe abhalten und wieder ansetzen könne. Als niemand von ihnen seinen Kopf dazu Herleihen wollte, ließ sich der Hausknecht gegen ein Geschenk dazu bewegen, verlangte jedoch, daß ihn: der Kopf dann wieder recht fest angemacht würde; „denn sollte er ohne Kopf darnach sein Amt versehen, was würden die Gäste dazu sagen?" So wurde er denn auf gut Scharfrichterisch geköpft, „aber das Wiederanmachen wollte nicht von Statten gehen, was auch Faustus anfing. Da sprach er zu deu Gästen, es sei einer unter thuen, der ihn verhindere, den wollte er vermahnet und gewarnet haben, daß er's nicht thue. Darauf versuchte er's abermals, konnte aber nichts ausrichten. Er vermcchnete nud brauete dem zum andern Mal, er solle ihn unverhindert lassen, oder es werde ihm nicht zum Besten ausschlagen. Da aber auch das nichts half, und er den Kopf nicht wieder an¬ setzen konnte, läßt er auf dem Tische eine Lilie wachsen, der haut er das Haupt und die Blume oben ab. Alsbald fiel einer von den Gästen hinter sich von der Bank, und war ihm der Kopf ab. Der war der Zauberer, der ihn ver¬ hindert hatte. Da setzte Faustus dem Hausknechte seinen Kopf, wie er ihm verheißen hatte, wiederum auf und packte sich von bannen. Eine ähnliche Zauberei verrichtete Faust nach unsrer Schrift zu Frankfurt während der Messe in einem Wirthshause bei der Judengasse. Um Weihnachten hatte Faust einmal eine Anzahl seiner Kunden unter deu Junkern und dein adeligen Frauenzimmer in der Nachbarschaft von Witten¬ berg zu Tische bei sich. Da begab sich, während draußen tiefer Schnee lag, in Fausts Garten „ein herrlich und lustig Spektakel; denn es war in seinem Garten kein Schnee zu sehen, sondern ein schöner Sommer mit allerlei Ge¬ wächs, daß auch das Gras grünete und allerhand schöne Blumen blühten. Auch waren da Weinreben mit Trauben behängen, desgleichen rothe, weiße und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/422>, abgerufen am 23.07.2024.