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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Später war Faust eine Zeit lang am Hofe der Grafen von Anhalt. Er
verschaffte hier der Gräfin im Januar Obst und Trauben, indem er sich zwei
silberne Schüsseln geben ließ, sie vor das Fenster stellte und sie nach einer
halben Stunde, die eine mit weißen und rothen Trauben, die andere mit
Aepfeln und Birnen aus dem Morgenlande gefüllt, wieder herein holte. Kurz
vor seinem Abschied aber bat er den Grafen, in einem schönen Schlosse,
welches er sich ans den Rohmbühl, einen Berg nicht weit von der Stadt, ge¬
zaubert hatte, bei ihm zu frühstücke". Es gab bei diesem "königlichen Mahl"
allerlei Speisen und Getränke, jedes Mal wurden neue Trachten aufgesetzt, und
die feinsten Weine standen in hundert Kannen auf dem Tische. "Wie man
aber von der Mahlzeit aufgestanden war und das Frauenzimmer im Saal
Alles fürwitziglich beschaute, fragte Doctor Faustus den Fürsten, ob er unter
dem Frauenzimmer sollte eine Kurzweil machen. Als es ihm der Fürst er¬
laubte, streckte er die Faust in die Luft und ergriff einen ehernen Kopf, den
stellte er auf die Lehne der Stiege und verzauberte ihn dermaßen, daß als¬
bald ein großes Geräusch von Wasser sich erhob, also, daß in kurzer Zeit
durch den Saal ein Bach mit aller Gewalt lief. Da hätte man hören sollen,
wie das Frauenzimmer zu schreien anhub, und wie die Jungfrauen ihre köst¬
lichen Kleider ausschürzten, damit sie dieselben nicht netzten. Das andere Hof¬
gesinde aber, welches von dem Wasser nichts bemerkte, lachte sie aus, als sie
ihre weißpolirten Beine sehen ließen. Unterdeß, weil des Gelächters genug,
läuft ein großer Hirsch im Wasser daher, nach welchem von dem Hofgesinde
mit den Rapieren vergebens gestochen worden. Verschwand darauf Wasser,
Hirsch und Kopf mit einander, und war das Frauenzimmer wegen dieses Possens
nicht wenig schamroth geworden. Solches nahm der Graf in Gnaden an
und zog wieder zu Hofe. Da gingen aus Doctor Fausti Schloß grausame
Büchsenschüsse, und das Gebäude brannte mit Hellem Feuer in die Höhe, bis es
ganz verschwand. Da kam Faustus wieder zum Grafen, der ihn: hernach
etliche hundert Thaler verehrte und ihn wiederum fortziehen ließ."

Nachdem Faust nach Wittenberg zurückgekehrt war, kam die Fastnacht
heran, und der Doktor spielte den'Bacchus, als welcher er eine Anzahl von
Magistern und Studenten zu bewirthen unternahm. Am ersten Tage führte
er sie in seinen Garten, nahm eine Leiter, ließ jeden sich auf eine Sprosse der¬
selben setzen und fuhr darauf mit ihnen von dannen in den Keller des Bischofs
von Salzburg. Hier tranken sie von dessen bestem Wein, bis der Kellermeister
sie dabei störte, der sie für Diebe und Einbrecher ausschrie. "Das verdroß
Faustnm, mahnte seine Gesellen aufzusein, nahm den Kellermeister beim Haar,
fuhr mit ihm davon und setzte ihn, der in großen Aengsten und Schrecken
war, auf eiuer hohen Tanne ab, von der ihn die Bauern am andern Tage


Später war Faust eine Zeit lang am Hofe der Grafen von Anhalt. Er
verschaffte hier der Gräfin im Januar Obst und Trauben, indem er sich zwei
silberne Schüsseln geben ließ, sie vor das Fenster stellte und sie nach einer
halben Stunde, die eine mit weißen und rothen Trauben, die andere mit
Aepfeln und Birnen aus dem Morgenlande gefüllt, wieder herein holte. Kurz
vor seinem Abschied aber bat er den Grafen, in einem schönen Schlosse,
welches er sich ans den Rohmbühl, einen Berg nicht weit von der Stadt, ge¬
zaubert hatte, bei ihm zu frühstücke». Es gab bei diesem „königlichen Mahl"
allerlei Speisen und Getränke, jedes Mal wurden neue Trachten aufgesetzt, und
die feinsten Weine standen in hundert Kannen auf dem Tische. „Wie man
aber von der Mahlzeit aufgestanden war und das Frauenzimmer im Saal
Alles fürwitziglich beschaute, fragte Doctor Faustus den Fürsten, ob er unter
dem Frauenzimmer sollte eine Kurzweil machen. Als es ihm der Fürst er¬
laubte, streckte er die Faust in die Luft und ergriff einen ehernen Kopf, den
stellte er auf die Lehne der Stiege und verzauberte ihn dermaßen, daß als¬
bald ein großes Geräusch von Wasser sich erhob, also, daß in kurzer Zeit
durch den Saal ein Bach mit aller Gewalt lief. Da hätte man hören sollen,
wie das Frauenzimmer zu schreien anhub, und wie die Jungfrauen ihre köst¬
lichen Kleider ausschürzten, damit sie dieselben nicht netzten. Das andere Hof¬
gesinde aber, welches von dem Wasser nichts bemerkte, lachte sie aus, als sie
ihre weißpolirten Beine sehen ließen. Unterdeß, weil des Gelächters genug,
läuft ein großer Hirsch im Wasser daher, nach welchem von dem Hofgesinde
mit den Rapieren vergebens gestochen worden. Verschwand darauf Wasser,
Hirsch und Kopf mit einander, und war das Frauenzimmer wegen dieses Possens
nicht wenig schamroth geworden. Solches nahm der Graf in Gnaden an
und zog wieder zu Hofe. Da gingen aus Doctor Fausti Schloß grausame
Büchsenschüsse, und das Gebäude brannte mit Hellem Feuer in die Höhe, bis es
ganz verschwand. Da kam Faustus wieder zum Grafen, der ihn: hernach
etliche hundert Thaler verehrte und ihn wiederum fortziehen ließ."

Nachdem Faust nach Wittenberg zurückgekehrt war, kam die Fastnacht
heran, und der Doktor spielte den'Bacchus, als welcher er eine Anzahl von
Magistern und Studenten zu bewirthen unternahm. Am ersten Tage führte
er sie in seinen Garten, nahm eine Leiter, ließ jeden sich auf eine Sprosse der¬
selben setzen und fuhr darauf mit ihnen von dannen in den Keller des Bischofs
von Salzburg. Hier tranken sie von dessen bestem Wein, bis der Kellermeister
sie dabei störte, der sie für Diebe und Einbrecher ausschrie. „Das verdroß
Faustnm, mahnte seine Gesellen aufzusein, nahm den Kellermeister beim Haar,
fuhr mit ihm davon und setzte ihn, der in großen Aengsten und Schrecken
war, auf eiuer hohen Tanne ab, von der ihn die Bauern am andern Tage


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[0418] Später war Faust eine Zeit lang am Hofe der Grafen von Anhalt. Er verschaffte hier der Gräfin im Januar Obst und Trauben, indem er sich zwei silberne Schüsseln geben ließ, sie vor das Fenster stellte und sie nach einer halben Stunde, die eine mit weißen und rothen Trauben, die andere mit Aepfeln und Birnen aus dem Morgenlande gefüllt, wieder herein holte. Kurz vor seinem Abschied aber bat er den Grafen, in einem schönen Schlosse, welches er sich ans den Rohmbühl, einen Berg nicht weit von der Stadt, ge¬ zaubert hatte, bei ihm zu frühstücke». Es gab bei diesem „königlichen Mahl" allerlei Speisen und Getränke, jedes Mal wurden neue Trachten aufgesetzt, und die feinsten Weine standen in hundert Kannen auf dem Tische. „Wie man aber von der Mahlzeit aufgestanden war und das Frauenzimmer im Saal Alles fürwitziglich beschaute, fragte Doctor Faustus den Fürsten, ob er unter dem Frauenzimmer sollte eine Kurzweil machen. Als es ihm der Fürst er¬ laubte, streckte er die Faust in die Luft und ergriff einen ehernen Kopf, den stellte er auf die Lehne der Stiege und verzauberte ihn dermaßen, daß als¬ bald ein großes Geräusch von Wasser sich erhob, also, daß in kurzer Zeit durch den Saal ein Bach mit aller Gewalt lief. Da hätte man hören sollen, wie das Frauenzimmer zu schreien anhub, und wie die Jungfrauen ihre köst¬ lichen Kleider ausschürzten, damit sie dieselben nicht netzten. Das andere Hof¬ gesinde aber, welches von dem Wasser nichts bemerkte, lachte sie aus, als sie ihre weißpolirten Beine sehen ließen. Unterdeß, weil des Gelächters genug, läuft ein großer Hirsch im Wasser daher, nach welchem von dem Hofgesinde mit den Rapieren vergebens gestochen worden. Verschwand darauf Wasser, Hirsch und Kopf mit einander, und war das Frauenzimmer wegen dieses Possens nicht wenig schamroth geworden. Solches nahm der Graf in Gnaden an und zog wieder zu Hofe. Da gingen aus Doctor Fausti Schloß grausame Büchsenschüsse, und das Gebäude brannte mit Hellem Feuer in die Höhe, bis es ganz verschwand. Da kam Faustus wieder zum Grafen, der ihn: hernach etliche hundert Thaler verehrte und ihn wiederum fortziehen ließ." Nachdem Faust nach Wittenberg zurückgekehrt war, kam die Fastnacht heran, und der Doktor spielte den'Bacchus, als welcher er eine Anzahl von Magistern und Studenten zu bewirthen unternahm. Am ersten Tage führte er sie in seinen Garten, nahm eine Leiter, ließ jeden sich auf eine Sprosse der¬ selben setzen und fuhr darauf mit ihnen von dannen in den Keller des Bischofs von Salzburg. Hier tranken sie von dessen bestem Wein, bis der Kellermeister sie dabei störte, der sie für Diebe und Einbrecher ausschrie. „Das verdroß Faustnm, mahnte seine Gesellen aufzusein, nahm den Kellermeister beim Haar, fuhr mit ihm davon und setzte ihn, der in großen Aengsten und Schrecken war, auf eiuer hohen Tanne ab, von der ihn die Bauern am andern Tage

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/418>, abgerufen am 23.07.2024.