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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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nach der "Insel Kaukasus zwischen Jndia und Scythia", wo ihm ein Heller
Glanz in der Ferne die Stelle zeigt, an welcher das Paradies liegt.

Wie es mit der durch seine Himmelsreise erlangten Kenntniß von den
Himmelskörpern und Himmelserscheinungen beschaffen war, erzählt uns das
Buch in mehreren Kapiteln, die von den Kometen, von Sternen und Stern¬
schnuppen und vom Donner handeln. Charakteristisch ist hier namentlich
Fausts Antwort auf die Frage von guten Freunden, was ein Komet sei. "Es
geschieht oft, daß sich der Mond am Himmel verwandelt und die Sonne
unterhalb der Erde ist. Wenn der Mond nahe hinzukommt, ist die Sonne
so kräftig und stark, daß sie dem Monde seinen Schein nimmt und er ganz
roth wird. Wenn nun der Mond wiederum in die Höhe steiget, verwandelt
er sich in mancherlei Farben und springt ein Prodigium vom höchsten draus,
wird alsdann ein Komet, und sind der Figuren und Bedeutungen, so Gott
verhängt, mancherlei. Einmal bringt es Aufruhr, Krieg oder Sterben im
Reich, als Pestilenz, jähen Tod und andere Seuchen. Item Wassergüsse,
Wolkenbrüche, Brunst, Theuerung und dergleichen."

Als Kaiser Karl der Fünfte in Innsbruck Hof hielt, citirte ihm Faust
den Geist Alexanders des Großen sowie den von dessen Gemahlin. Jener er¬
schien als ein "wohlgesetztes dickes Münnlein, rothen und dicken Bartes, mit
rothen Backen und strengem Angesicht, als ob er Basiliskenaugen hätte. Er
trat herein in einem ganzen vollkommnen Harnisch und neigte sich mit einer
tiefen Reverenz." Am Abend, als man bei Hofe zu Tisch geblasen, sah Faust
einen Ritter und Freiherrn, der zum Fenster herausschaueud von der Hitze
des Tages eingeschlafen war, und sofort zauberte er ihm ein Hirschgeweih auf
den Kopf, sodaß er nicht wieder zum Fenster hereinkonnte, bis ihn der Kaiser
gesehen und Faust den Zauber gelöst hatte. Als der Ritter ihm darauf bei
seiner Rückreise mit einigen Leuten anflauerte, um sich für den Schabernack zu
rächen, griff Faust ihn mit einem großen Haufen spukhafter geharnischter
Reiter an, umringte ihn und zauberte ihm und den Seinigen Ziegenhörner, den
Pferden aber Kuhhörner auf die Köpfe, die sie erst nach einem Monate los
wurden."

Drei Grafen, die zu Wittenberg studirten, wünschten bei der Hochzeit zu
sein, die der Baierfürst in München seinem Sohne ausrichtete, und wendeten
sich deshalb an Faust, indem sie ihm zugleich Geld schenkten und ein Bankett
gaben. Er lud sie darauf ein, in ihren besten Kleidern zu ihm in seinen
Garten zu kommen, breitete hier feinen Mantel aus, setzte sich mit ihnen auf
denselben und begann eine Beschwörung, worauf ein großer Wind den Mantel
emporhob und mit seinen Insassen gen München führte, wo sie unsichtbar der
Hochzeit beiwohnten.


Grenzboten l. 1877. ^

nach der „Insel Kaukasus zwischen Jndia und Scythia", wo ihm ein Heller
Glanz in der Ferne die Stelle zeigt, an welcher das Paradies liegt.

Wie es mit der durch seine Himmelsreise erlangten Kenntniß von den
Himmelskörpern und Himmelserscheinungen beschaffen war, erzählt uns das
Buch in mehreren Kapiteln, die von den Kometen, von Sternen und Stern¬
schnuppen und vom Donner handeln. Charakteristisch ist hier namentlich
Fausts Antwort auf die Frage von guten Freunden, was ein Komet sei. „Es
geschieht oft, daß sich der Mond am Himmel verwandelt und die Sonne
unterhalb der Erde ist. Wenn der Mond nahe hinzukommt, ist die Sonne
so kräftig und stark, daß sie dem Monde seinen Schein nimmt und er ganz
roth wird. Wenn nun der Mond wiederum in die Höhe steiget, verwandelt
er sich in mancherlei Farben und springt ein Prodigium vom höchsten draus,
wird alsdann ein Komet, und sind der Figuren und Bedeutungen, so Gott
verhängt, mancherlei. Einmal bringt es Aufruhr, Krieg oder Sterben im
Reich, als Pestilenz, jähen Tod und andere Seuchen. Item Wassergüsse,
Wolkenbrüche, Brunst, Theuerung und dergleichen."

Als Kaiser Karl der Fünfte in Innsbruck Hof hielt, citirte ihm Faust
den Geist Alexanders des Großen sowie den von dessen Gemahlin. Jener er¬
schien als ein „wohlgesetztes dickes Münnlein, rothen und dicken Bartes, mit
rothen Backen und strengem Angesicht, als ob er Basiliskenaugen hätte. Er
trat herein in einem ganzen vollkommnen Harnisch und neigte sich mit einer
tiefen Reverenz." Am Abend, als man bei Hofe zu Tisch geblasen, sah Faust
einen Ritter und Freiherrn, der zum Fenster herausschaueud von der Hitze
des Tages eingeschlafen war, und sofort zauberte er ihm ein Hirschgeweih auf
den Kopf, sodaß er nicht wieder zum Fenster hereinkonnte, bis ihn der Kaiser
gesehen und Faust den Zauber gelöst hatte. Als der Ritter ihm darauf bei
seiner Rückreise mit einigen Leuten anflauerte, um sich für den Schabernack zu
rächen, griff Faust ihn mit einem großen Haufen spukhafter geharnischter
Reiter an, umringte ihn und zauberte ihm und den Seinigen Ziegenhörner, den
Pferden aber Kuhhörner auf die Köpfe, die sie erst nach einem Monate los
wurden."

Drei Grafen, die zu Wittenberg studirten, wünschten bei der Hochzeit zu
sein, die der Baierfürst in München seinem Sohne ausrichtete, und wendeten
sich deshalb an Faust, indem sie ihm zugleich Geld schenkten und ein Bankett
gaben. Er lud sie darauf ein, in ihren besten Kleidern zu ihm in seinen
Garten zu kommen, breitete hier feinen Mantel aus, setzte sich mit ihnen auf
denselben und begann eine Beschwörung, worauf ein großer Wind den Mantel
emporhob und mit seinen Insassen gen München führte, wo sie unsichtbar der
Hochzeit beiwohnten.


Grenzboten l. 1877. ^
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[0417] nach der „Insel Kaukasus zwischen Jndia und Scythia", wo ihm ein Heller Glanz in der Ferne die Stelle zeigt, an welcher das Paradies liegt. Wie es mit der durch seine Himmelsreise erlangten Kenntniß von den Himmelskörpern und Himmelserscheinungen beschaffen war, erzählt uns das Buch in mehreren Kapiteln, die von den Kometen, von Sternen und Stern¬ schnuppen und vom Donner handeln. Charakteristisch ist hier namentlich Fausts Antwort auf die Frage von guten Freunden, was ein Komet sei. „Es geschieht oft, daß sich der Mond am Himmel verwandelt und die Sonne unterhalb der Erde ist. Wenn der Mond nahe hinzukommt, ist die Sonne so kräftig und stark, daß sie dem Monde seinen Schein nimmt und er ganz roth wird. Wenn nun der Mond wiederum in die Höhe steiget, verwandelt er sich in mancherlei Farben und springt ein Prodigium vom höchsten draus, wird alsdann ein Komet, und sind der Figuren und Bedeutungen, so Gott verhängt, mancherlei. Einmal bringt es Aufruhr, Krieg oder Sterben im Reich, als Pestilenz, jähen Tod und andere Seuchen. Item Wassergüsse, Wolkenbrüche, Brunst, Theuerung und dergleichen." Als Kaiser Karl der Fünfte in Innsbruck Hof hielt, citirte ihm Faust den Geist Alexanders des Großen sowie den von dessen Gemahlin. Jener er¬ schien als ein „wohlgesetztes dickes Münnlein, rothen und dicken Bartes, mit rothen Backen und strengem Angesicht, als ob er Basiliskenaugen hätte. Er trat herein in einem ganzen vollkommnen Harnisch und neigte sich mit einer tiefen Reverenz." Am Abend, als man bei Hofe zu Tisch geblasen, sah Faust einen Ritter und Freiherrn, der zum Fenster herausschaueud von der Hitze des Tages eingeschlafen war, und sofort zauberte er ihm ein Hirschgeweih auf den Kopf, sodaß er nicht wieder zum Fenster hereinkonnte, bis ihn der Kaiser gesehen und Faust den Zauber gelöst hatte. Als der Ritter ihm darauf bei seiner Rückreise mit einigen Leuten anflauerte, um sich für den Schabernack zu rächen, griff Faust ihn mit einem großen Haufen spukhafter geharnischter Reiter an, umringte ihn und zauberte ihm und den Seinigen Ziegenhörner, den Pferden aber Kuhhörner auf die Köpfe, die sie erst nach einem Monate los wurden." Drei Grafen, die zu Wittenberg studirten, wünschten bei der Hochzeit zu sein, die der Baierfürst in München seinem Sohne ausrichtete, und wendeten sich deshalb an Faust, indem sie ihm zugleich Geld schenkten und ein Bankett gaben. Er lud sie darauf ein, in ihren besten Kleidern zu ihm in seinen Garten zu kommen, breitete hier feinen Mantel aus, setzte sich mit ihnen auf denselben und begann eine Beschwörung, worauf ein großer Wind den Mantel emporhob und mit seinen Insassen gen München führte, wo sie unsichtbar der Hochzeit beiwohnten. Grenzboten l. 1877. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/417>, abgerufen am 23.07.2024.