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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Schelle zu melden, folgende mit Blut aus einer Ader seiner linken Hand ge¬
schriebene Urkunde:

"Ich, Johannes Faustus, Doctor, bekenne mit meiner eignen Hand öffent¬
lich zu einer Bestätigung und in Kraft dieses Briefs: Nachdem ich mir vor¬
genommen, die Element" zu speculiren, aber ans den Gaben, so mir von oben
herab bescheeret und gnädiglich mitgetheilt worden, solche Geschicklichkeit in
meinem Kopfe nicht befinde und Solches von den Menschen nicht erlernen
mag, so habe ich gegenwärtigem gesandten Geiste, der sich Mephvstophiles
nennet, ein Diener des höllischen Prinzen im Orient, mich übergeben, auch den-
selbigen, mich solches zu berichten und zu lehren, mir erwählet, der sich auch
gegen mir versprochen, in Allem unterthänig und gehorsam zu sein. Dagegen aber
ich hinwieder gegen ihm verspreche und periode, daß, so vierundzwanzig Jahre von
Dato dieses Briefs an herum und vorüber gelaufen, er mit mir nach seiner Art und
Weise, seines Gefallens, zu schalten, walte", regieren, führen gut Macht haben
solle, mit Allein, es sei Leib, Seel, Fleisch, Gut und Blut und das in sein
Ewigkeit. Hieraus absage ich alleu denen, so da leben, allem himmlischen Heer
und allen Menschen, und das muß sein. Zu festen: Urkund und mehrer Be¬
kräftigung habe ich diesen Reeeß eigner Hand geschrieben, unterschrieben und
mit meinem hier vorgedruckteu eigenen Blute, meines Sinns, Kopfs, Gedanken
und Willen verknüpft, versiegelt und bezeuget.


Johann Faustus, der Erfahrene der Elemente
und der Geistlichen Doctor."

Vou jetzt an führte Faust in dem Hause, das ihm sein inzwischen ver¬
storbner Vetter hinterlassen, und welches außer ihm nur noch der Knabe
Christoph Wagner, sein Famulus, bewohnte, ein vergnügtes Leben. Sein dienst¬
barer Geist holte ihm aus dem Keller des Kurfürsten guten Wein, so viel er
wollte, desgleichen Speisen in Menge, die aus den Küchen der Fürsten und
Herren entwendet waren, und wünschte sich Faust einen seltenen Vogel oder
Fisch, so brauchte er nur das Fenster aufzumachen und das Begehrte zu nennen,
und augenblicklich flog es herein. Endlich stahl ihm Mephvstophiles bei den
Kaufleuten in Nürnberg, Augsburg und Frankfurt stattliche Kleider, und eben¬
so hatten die Schuhmacher von ihm zu Gunsten Fausts zu leiden. Außerdem
brachte letzterem sein Teufel wöchentlich fünfundzwanzig Kronen. Nur Eins
fehlte noch zu Fausts Glücke: eine Frau. Aber als er seinem Geiste die Ab¬
sicht, sich zu verheirathen, mittheilte, erinnerte dieser ihn zuerst an sein Ver¬
sprechen, allen Menschen feind sein zu wollen, und als Faust bei seinem Willen
beharrte, entstand ein ungeheurer Aufruhr im Hanse. Es stürmte, daß alle
Thüren ans den Angeln sprangen, überall fing es an zu brennen, und als
Faust die Treppe hinab entfliehen wollte, ergriff ihn eine gewaltige Hand und warf


Schelle zu melden, folgende mit Blut aus einer Ader seiner linken Hand ge¬
schriebene Urkunde:

„Ich, Johannes Faustus, Doctor, bekenne mit meiner eignen Hand öffent¬
lich zu einer Bestätigung und in Kraft dieses Briefs: Nachdem ich mir vor¬
genommen, die Element« zu speculiren, aber ans den Gaben, so mir von oben
herab bescheeret und gnädiglich mitgetheilt worden, solche Geschicklichkeit in
meinem Kopfe nicht befinde und Solches von den Menschen nicht erlernen
mag, so habe ich gegenwärtigem gesandten Geiste, der sich Mephvstophiles
nennet, ein Diener des höllischen Prinzen im Orient, mich übergeben, auch den-
selbigen, mich solches zu berichten und zu lehren, mir erwählet, der sich auch
gegen mir versprochen, in Allem unterthänig und gehorsam zu sein. Dagegen aber
ich hinwieder gegen ihm verspreche und periode, daß, so vierundzwanzig Jahre von
Dato dieses Briefs an herum und vorüber gelaufen, er mit mir nach seiner Art und
Weise, seines Gefallens, zu schalten, walte», regieren, führen gut Macht haben
solle, mit Allein, es sei Leib, Seel, Fleisch, Gut und Blut und das in sein
Ewigkeit. Hieraus absage ich alleu denen, so da leben, allem himmlischen Heer
und allen Menschen, und das muß sein. Zu festen: Urkund und mehrer Be¬
kräftigung habe ich diesen Reeeß eigner Hand geschrieben, unterschrieben und
mit meinem hier vorgedruckteu eigenen Blute, meines Sinns, Kopfs, Gedanken
und Willen verknüpft, versiegelt und bezeuget.


Johann Faustus, der Erfahrene der Elemente
und der Geistlichen Doctor."

Vou jetzt an führte Faust in dem Hause, das ihm sein inzwischen ver¬
storbner Vetter hinterlassen, und welches außer ihm nur noch der Knabe
Christoph Wagner, sein Famulus, bewohnte, ein vergnügtes Leben. Sein dienst¬
barer Geist holte ihm aus dem Keller des Kurfürsten guten Wein, so viel er
wollte, desgleichen Speisen in Menge, die aus den Küchen der Fürsten und
Herren entwendet waren, und wünschte sich Faust einen seltenen Vogel oder
Fisch, so brauchte er nur das Fenster aufzumachen und das Begehrte zu nennen,
und augenblicklich flog es herein. Endlich stahl ihm Mephvstophiles bei den
Kaufleuten in Nürnberg, Augsburg und Frankfurt stattliche Kleider, und eben¬
so hatten die Schuhmacher von ihm zu Gunsten Fausts zu leiden. Außerdem
brachte letzterem sein Teufel wöchentlich fünfundzwanzig Kronen. Nur Eins
fehlte noch zu Fausts Glücke: eine Frau. Aber als er seinem Geiste die Ab¬
sicht, sich zu verheirathen, mittheilte, erinnerte dieser ihn zuerst an sein Ver¬
sprechen, allen Menschen feind sein zu wollen, und als Faust bei seinem Willen
beharrte, entstand ein ungeheurer Aufruhr im Hanse. Es stürmte, daß alle
Thüren ans den Angeln sprangen, überall fing es an zu brennen, und als
Faust die Treppe hinab entfliehen wollte, ergriff ihn eine gewaltige Hand und warf


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[0414] Schelle zu melden, folgende mit Blut aus einer Ader seiner linken Hand ge¬ schriebene Urkunde: „Ich, Johannes Faustus, Doctor, bekenne mit meiner eignen Hand öffent¬ lich zu einer Bestätigung und in Kraft dieses Briefs: Nachdem ich mir vor¬ genommen, die Element« zu speculiren, aber ans den Gaben, so mir von oben herab bescheeret und gnädiglich mitgetheilt worden, solche Geschicklichkeit in meinem Kopfe nicht befinde und Solches von den Menschen nicht erlernen mag, so habe ich gegenwärtigem gesandten Geiste, der sich Mephvstophiles nennet, ein Diener des höllischen Prinzen im Orient, mich übergeben, auch den- selbigen, mich solches zu berichten und zu lehren, mir erwählet, der sich auch gegen mir versprochen, in Allem unterthänig und gehorsam zu sein. Dagegen aber ich hinwieder gegen ihm verspreche und periode, daß, so vierundzwanzig Jahre von Dato dieses Briefs an herum und vorüber gelaufen, er mit mir nach seiner Art und Weise, seines Gefallens, zu schalten, walte», regieren, führen gut Macht haben solle, mit Allein, es sei Leib, Seel, Fleisch, Gut und Blut und das in sein Ewigkeit. Hieraus absage ich alleu denen, so da leben, allem himmlischen Heer und allen Menschen, und das muß sein. Zu festen: Urkund und mehrer Be¬ kräftigung habe ich diesen Reeeß eigner Hand geschrieben, unterschrieben und mit meinem hier vorgedruckteu eigenen Blute, meines Sinns, Kopfs, Gedanken und Willen verknüpft, versiegelt und bezeuget. Johann Faustus, der Erfahrene der Elemente und der Geistlichen Doctor." Vou jetzt an führte Faust in dem Hause, das ihm sein inzwischen ver¬ storbner Vetter hinterlassen, und welches außer ihm nur noch der Knabe Christoph Wagner, sein Famulus, bewohnte, ein vergnügtes Leben. Sein dienst¬ barer Geist holte ihm aus dem Keller des Kurfürsten guten Wein, so viel er wollte, desgleichen Speisen in Menge, die aus den Küchen der Fürsten und Herren entwendet waren, und wünschte sich Faust einen seltenen Vogel oder Fisch, so brauchte er nur das Fenster aufzumachen und das Begehrte zu nennen, und augenblicklich flog es herein. Endlich stahl ihm Mephvstophiles bei den Kaufleuten in Nürnberg, Augsburg und Frankfurt stattliche Kleider, und eben¬ so hatten die Schuhmacher von ihm zu Gunsten Fausts zu leiden. Außerdem brachte letzterem sein Teufel wöchentlich fünfundzwanzig Kronen. Nur Eins fehlte noch zu Fausts Glücke: eine Frau. Aber als er seinem Geiste die Ab¬ sicht, sich zu verheirathen, mittheilte, erinnerte dieser ihn zuerst an sein Ver¬ sprechen, allen Menschen feind sein zu wollen, und als Faust bei seinem Willen beharrte, entstand ein ungeheurer Aufruhr im Hanse. Es stürmte, daß alle Thüren ans den Angeln sprangen, überall fing es an zu brennen, und als Faust die Treppe hinab entfliehen wollte, ergriff ihn eine gewaltige Hand und warf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/414>, abgerufen am 23.07.2024.