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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Sohn von Bauersleuten, wurde aber von einem wohlhabenden Vetter in
Wittenberg erzogen, der ihn Theologie studiren ließ. Er brachte es in dieser
Wissenschaft zum Doktor; denn er war ein feiner Kopf. Zugleich aber besaß
er einen leichtfertigen und hoffärtigen Sinn, auch gerieth er in böse Gesell¬
schaft, und so legte er die heilige Schrift eine Weile unter die Bank und ging
nach Krakau, wo er die schwarze Kunst erlernte, aber sich auch zum Arzt aus¬
bildete. Nachdem er nach Wittenberg zurückgekehrt war, begab er sich eines
Tages in den nicht weit von da gelegenen Spesserwald, machte mit einem
Stäbe einige Kreise um sich herum und begann den Teufel zu citiren.
Darauf erhob sich in dem Walde ein großer Lärm: es fuhr wie mit Wagen
um den Kreis-herum, Strahlen schössen wie Bolzen hin und her, ein starker
Büchsenknall ließ sich hören, dann Musik und Gesang; ein Tanz folgte, dann
ein Turnier mit Spießen und Schwertern. Darauf schwebte über dem Zirkel
ein Greif oder Drache, der jämmerlich schrie, wenn Faust ihn beschwor; bald
nachher fiel eine feurige Kugel hernieder, ans der zuerst ein Feuerstrahl, dann
ein leuchtender Manu und zuletzt ein grauer Mönch wurde, der Faust nach
seinem Begehr fragte. Faust verlangte von ihm, er solle in der nächsten Nacht
um zwölf Uhr auf seine Stube kommen, und der Geist versprach dies nach
einigem Weigern. Er erschien ihm wirklich zu der festgesetzten Zeit; als der
Doktor nun aber von ihm forderte, er solle sein Diener werden, ihm alles
bringen, was er wünsche, und ihm ans alle Fragen die Wahrheit sagen, schlug
der Geist dies ab, indem er bemerkte, er habe dazu von Lucifer keine Er-
laubniß. Faust hieß ihn darauf scheltend und fluchend gehen; als der Geist
aber entweichen wollte, beschwor er ihn, um die Vesper wieder zu kommen,
um seine weiteren Entschlüsse zu vernehmen.

Der Geist stellte sich wirklich ein und erklärte sogleich, er habe Erlaubniß,
ans Fausts Wünsche unter bestimmten Bedingungen einzugehen, und es wurde
ein Bertrag zwischen ihnen verabredet, der folgende Bedingungen enthielt.
Faust sollte "Geschicklichkeit, Gestalt und Weise eines Geistes" bekommen, der
Teufel sollte ihm dienen und allezeit seinem Rufe und Befehle gehorsam sein,
er sollte allen Andern unsichtbar bleiben und ihm stets in der Gestalt erscheinen,
in der er ihn haben wolle. Dafür versprach Faust, dem Teufel nach einer
Frist von vieruttdzwanzig Jahren zu eigen zu sein und ihm dies mit seinem
Blute zu bezeugen, den christlichen Glauben zu verleugnen, allen Christen-
menschen feind zu sein und sich nie bekehren zu lassen.

Bei einer dritten Zusammenkunft gab Faust dem Teufel, nachdem dieser
ihm seinen Namen, Mephostophiles, genannt, auch versprochen, ihm stets in
Gestalt eines Franziskanerinönchs zu erscheinen und sich jedesmal dnrch eine


Sohn von Bauersleuten, wurde aber von einem wohlhabenden Vetter in
Wittenberg erzogen, der ihn Theologie studiren ließ. Er brachte es in dieser
Wissenschaft zum Doktor; denn er war ein feiner Kopf. Zugleich aber besaß
er einen leichtfertigen und hoffärtigen Sinn, auch gerieth er in böse Gesell¬
schaft, und so legte er die heilige Schrift eine Weile unter die Bank und ging
nach Krakau, wo er die schwarze Kunst erlernte, aber sich auch zum Arzt aus¬
bildete. Nachdem er nach Wittenberg zurückgekehrt war, begab er sich eines
Tages in den nicht weit von da gelegenen Spesserwald, machte mit einem
Stäbe einige Kreise um sich herum und begann den Teufel zu citiren.
Darauf erhob sich in dem Walde ein großer Lärm: es fuhr wie mit Wagen
um den Kreis-herum, Strahlen schössen wie Bolzen hin und her, ein starker
Büchsenknall ließ sich hören, dann Musik und Gesang; ein Tanz folgte, dann
ein Turnier mit Spießen und Schwertern. Darauf schwebte über dem Zirkel
ein Greif oder Drache, der jämmerlich schrie, wenn Faust ihn beschwor; bald
nachher fiel eine feurige Kugel hernieder, ans der zuerst ein Feuerstrahl, dann
ein leuchtender Manu und zuletzt ein grauer Mönch wurde, der Faust nach
seinem Begehr fragte. Faust verlangte von ihm, er solle in der nächsten Nacht
um zwölf Uhr auf seine Stube kommen, und der Geist versprach dies nach
einigem Weigern. Er erschien ihm wirklich zu der festgesetzten Zeit; als der
Doktor nun aber von ihm forderte, er solle sein Diener werden, ihm alles
bringen, was er wünsche, und ihm ans alle Fragen die Wahrheit sagen, schlug
der Geist dies ab, indem er bemerkte, er habe dazu von Lucifer keine Er-
laubniß. Faust hieß ihn darauf scheltend und fluchend gehen; als der Geist
aber entweichen wollte, beschwor er ihn, um die Vesper wieder zu kommen,
um seine weiteren Entschlüsse zu vernehmen.

Der Geist stellte sich wirklich ein und erklärte sogleich, er habe Erlaubniß,
ans Fausts Wünsche unter bestimmten Bedingungen einzugehen, und es wurde
ein Bertrag zwischen ihnen verabredet, der folgende Bedingungen enthielt.
Faust sollte „Geschicklichkeit, Gestalt und Weise eines Geistes" bekommen, der
Teufel sollte ihm dienen und allezeit seinem Rufe und Befehle gehorsam sein,
er sollte allen Andern unsichtbar bleiben und ihm stets in der Gestalt erscheinen,
in der er ihn haben wolle. Dafür versprach Faust, dem Teufel nach einer
Frist von vieruttdzwanzig Jahren zu eigen zu sein und ihm dies mit seinem
Blute zu bezeugen, den christlichen Glauben zu verleugnen, allen Christen-
menschen feind zu sein und sich nie bekehren zu lassen.

Bei einer dritten Zusammenkunft gab Faust dem Teufel, nachdem dieser
ihm seinen Namen, Mephostophiles, genannt, auch versprochen, ihm stets in
Gestalt eines Franziskanerinönchs zu erscheinen und sich jedesmal dnrch eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/413>, abgerufen am 23.07.2024.