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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Liphart einen sehr sichern, durch gründliche Studien und vieles Sehen wohl¬
geübten Blick hat und die Fähigkeit besitzt, überall das Beste herauszufinden,
auch über hinreichende Mittel verfügt, das was ihm gefällt zu erwerben, so
brachte er schließlich, innerhalb vierzig Jahren, eine Sammlung zu Stande,
welche an älteren Kupferstichen aller Richtungen in den besten Exemplaren sehr
reich war und viele Seltenheiten enthielt.

Da Herr v. Liphart sehr alt ist, entschloß er sich zur Veräußerung seiner
Sammlung noch bei Lebzeiten und beauftragte damit Herrn C. G. Boerner in
Leipzig, Vorsteher eines seit vielen Jahrzehnten rühmlichst bekannten Kunst-
Auktions-Instituts. Herr Boerner arbeitete mit größter Sorgfalt einen Katalog
ans, in welchem jedes einzelne Blatt genau beschrieben ist, und ließ denselben
in einer in Deutschland bei Werken der Art bis dahin noch nicht üblichen
Eleganz und Opulenz ausstatten. Dieser Auktionskatalog ist elf Bogen stark,
auf bestem Velin-Papier vorzüglich gedruckt, mit dem Portrait des Herrn v.
Liphart in Photographie nach einem Gemälde von Lenbach und zehn Tafeln
versehen, welche sechzehn der seltensten zum Verkauf gestellten Kunstblätter in vor¬
trefflichen Holzschnitten, Lichtbrücken und farbigen Steindrucken reproduciren.
Der Katalog wies also schon durch seine äußere Ausstattung auf den hohen
Werth der zu versteigernden Sammlung hin. Er wurde um zwölf Mark verkauft.

Die Versteigerung wurde Anfang December v. I. abgehalten, und der
Erfolg derselben ging, was die erzielten Preise betrifft, weit über die kühnsten
Erwartungen der nicht sammelnden Kunstfreunde hinaus. Es sind, trotz der
schlechten Zeit, und zwar wie es heißt weniger von Museen, als von Privat¬
sammlern, die höchsten Preise bezahlt worden, welche in Deutschland für ähn¬
liche Blätter bisher im Allgemeinen erzielt worden sind. Blätter, welche 300
Mark und mehr kosteten, gehören zu den billigen. Preise von über 1000
Mark pro Blatt kommen oft genug vor. Es hat sich aber auch hier wieder
gezeigt, daß nicht das Künstlerisch-Werthvolle, sondern das Seltene am Höch¬
sten geschätzt wurde und unter den seltenen Blättern wieder solche, welche ge¬
rade in der Mode sind, zur Zeit besonders die Ornamentstiche und die Jn-
cunabeln des Kunstdrucks. Zu den theuersten Blättern gehörte eine um das
Jahr 1470 entstandene Allegorie auf Papst und Kaiser. Es ist ohne künst¬
lerischen Werth; der Meister (Italiener) desselben ist nicht bekannt; auch ist es
nicht so gar selten, wie im Katalog angegeben. Und doch bezahlte man dafür 2250
Mark! Für einen unvollendeten Kupferstich, die Madonna in der Grotte
(IZ. 9) von Andrea Montegna bezahlte man sogar 3950 Mark. Ornamentstiche
d. h. alte Vorlegeblätter für Kunsthandwerker, welche wegen ihrer Kompo¬
sition für die moderneKnnst-Industrie von Werth sind, welche als Kupfer¬
stiche jedoch meist nur ein untergeordnetes Interesse in Anspruch nehmen


Liphart einen sehr sichern, durch gründliche Studien und vieles Sehen wohl¬
geübten Blick hat und die Fähigkeit besitzt, überall das Beste herauszufinden,
auch über hinreichende Mittel verfügt, das was ihm gefällt zu erwerben, so
brachte er schließlich, innerhalb vierzig Jahren, eine Sammlung zu Stande,
welche an älteren Kupferstichen aller Richtungen in den besten Exemplaren sehr
reich war und viele Seltenheiten enthielt.

Da Herr v. Liphart sehr alt ist, entschloß er sich zur Veräußerung seiner
Sammlung noch bei Lebzeiten und beauftragte damit Herrn C. G. Boerner in
Leipzig, Vorsteher eines seit vielen Jahrzehnten rühmlichst bekannten Kunst-
Auktions-Instituts. Herr Boerner arbeitete mit größter Sorgfalt einen Katalog
ans, in welchem jedes einzelne Blatt genau beschrieben ist, und ließ denselben
in einer in Deutschland bei Werken der Art bis dahin noch nicht üblichen
Eleganz und Opulenz ausstatten. Dieser Auktionskatalog ist elf Bogen stark,
auf bestem Velin-Papier vorzüglich gedruckt, mit dem Portrait des Herrn v.
Liphart in Photographie nach einem Gemälde von Lenbach und zehn Tafeln
versehen, welche sechzehn der seltensten zum Verkauf gestellten Kunstblätter in vor¬
trefflichen Holzschnitten, Lichtbrücken und farbigen Steindrucken reproduciren.
Der Katalog wies also schon durch seine äußere Ausstattung auf den hohen
Werth der zu versteigernden Sammlung hin. Er wurde um zwölf Mark verkauft.

Die Versteigerung wurde Anfang December v. I. abgehalten, und der
Erfolg derselben ging, was die erzielten Preise betrifft, weit über die kühnsten
Erwartungen der nicht sammelnden Kunstfreunde hinaus. Es sind, trotz der
schlechten Zeit, und zwar wie es heißt weniger von Museen, als von Privat¬
sammlern, die höchsten Preise bezahlt worden, welche in Deutschland für ähn¬
liche Blätter bisher im Allgemeinen erzielt worden sind. Blätter, welche 300
Mark und mehr kosteten, gehören zu den billigen. Preise von über 1000
Mark pro Blatt kommen oft genug vor. Es hat sich aber auch hier wieder
gezeigt, daß nicht das Künstlerisch-Werthvolle, sondern das Seltene am Höch¬
sten geschätzt wurde und unter den seltenen Blättern wieder solche, welche ge¬
rade in der Mode sind, zur Zeit besonders die Ornamentstiche und die Jn-
cunabeln des Kunstdrucks. Zu den theuersten Blättern gehörte eine um das
Jahr 1470 entstandene Allegorie auf Papst und Kaiser. Es ist ohne künst¬
lerischen Werth; der Meister (Italiener) desselben ist nicht bekannt; auch ist es
nicht so gar selten, wie im Katalog angegeben. Und doch bezahlte man dafür 2250
Mark! Für einen unvollendeten Kupferstich, die Madonna in der Grotte
(IZ. 9) von Andrea Montegna bezahlte man sogar 3950 Mark. Ornamentstiche
d. h. alte Vorlegeblätter für Kunsthandwerker, welche wegen ihrer Kompo¬
sition für die moderneKnnst-Industrie von Werth sind, welche als Kupfer¬
stiche jedoch meist nur ein untergeordnetes Interesse in Anspruch nehmen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/403>, abgerufen am 23.07.2024.