Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

selbst ins Werk gesetzte Aufenthaltsverlegung als eine von keiner Seite bean¬
standete Absenz des Genannten von seiner Pfarrei, und auf Seiten der Gro߬
herzoglichen Regierung war damit für die Dauer der Abwesenheit Glattfelders
jeder Grund weggefallen, die Ausübung der pfarrlichen Funktionen
Zu Balg durch den an die Stelle des freiwillig abwesenden
Pfarrers angewiesenen Dienstverweser irgendwie zu hindern.
Auf die Rechtsansprüche Glattfelders hinsichtlich des Pfründegenusses bleibt
dessen Abwesenheit vom Pfarrsitz selbstverständlich ohne Einfluß."

Der Eindruck, den diese Darlegung der "Karlsruher Zeitung" machte, war
in mehrfacher Hinsicht ein höchst peinlicher. Das zwar wollen wir dem offi¬
ziösen Blatte zu gute halten, daß die Sache so dargestellt wird, als ob Alles
sich ohne höhere Einwirkung so ganz von selbst gemacht hätte. Wer aber auch
nur das A B C der Sprache sich angesehen hat, deren sich die offiziösen Preß-"
organe bedienen, für den steht's mit Frakturschrift zwischen den Zeilen ge¬
schrieben, daß hier eine Vereinbarung vorliegt. Man wollte den Bälger Handel
aus der Welt schaffen. Und zwar will uns bedünken, als ob nicht etwa die
Kurie, sondern die Regierung dieses Bedürfniß empfunden hätte. Der Kurie
mußte unseres Erachtens der Fall Balg gar nicht so unlieb sein. Denn wie
Prächtig ließ sich derselbe stets gegen die Regierung ausbeuten! wie nachdrücklich
konnte man der Masse des Volkes an diesem Beispiel g.ä oculos demonstriren,
wie die Regierung Kirche und Religion schädige und zerstöre! Wahrhaftig,
die Sache liegt so, daß man zu dem Glauben verleitet sein könnte, die Re¬
gierung habe, um den Bälger Fall in der oben dargelegten Weise zu erledigen,
der Kurie noch einen speziellen Kaufpreis zahlen müssen. Die "Karlsruher
Zeitung" zwar sucht auch in einem zweiten, gegen die "Badische Korrespondenz"
gerichteten Aufsatz die Sache so darzustellen, als ob lediglich die Haltung der
Gemeinde Balg, welche nicht allein Glattfelders kirchliche Wirksamkeit brach
legte, sondern auch dessen Privatleben bis zur Unerträglichst erschwerte, Herrn
Glattfelder zum Gesuch um Wohnsitzverlegung bestimmt habe, und sie läßt
durchblicken, daß es unter solchen Umständen ein Akt der Grausamkeit gewesen
wäre, den Pfarrer Glattfelder in Balg festzuhalten. Die "Allgemeine Zeitung"
aber, welche in einem offenbar aus sehr wohl unterrichteter Feder stammenden Auf¬
satz die Regierung vertheidigt, spricht offener. Sie sagt uns, daß sich in Balg
"ach und nach ganz unerträgliche Zustände herausgebildet hätten, und die
logische Folge davon sei, "daß eine Regierung das Recht, ja die Pflicht habe,
solchen Zuständen ein Ende zu machen." Worin bestanden denn diese ganz
unerträglichen Zustände in der Gemeinde Balg? Auf Seiten der Gemeinde
bestanden sie darin, daß diese einer geordneten pfarrlichen und seelsorgerlicheu
Thätigkeit entbehrte. Ein mißlicher Zustand mag das gewesen sein, ganz un-


selbst ins Werk gesetzte Aufenthaltsverlegung als eine von keiner Seite bean¬
standete Absenz des Genannten von seiner Pfarrei, und auf Seiten der Gro߬
herzoglichen Regierung war damit für die Dauer der Abwesenheit Glattfelders
jeder Grund weggefallen, die Ausübung der pfarrlichen Funktionen
Zu Balg durch den an die Stelle des freiwillig abwesenden
Pfarrers angewiesenen Dienstverweser irgendwie zu hindern.
Auf die Rechtsansprüche Glattfelders hinsichtlich des Pfründegenusses bleibt
dessen Abwesenheit vom Pfarrsitz selbstverständlich ohne Einfluß."

Der Eindruck, den diese Darlegung der „Karlsruher Zeitung" machte, war
in mehrfacher Hinsicht ein höchst peinlicher. Das zwar wollen wir dem offi¬
ziösen Blatte zu gute halten, daß die Sache so dargestellt wird, als ob Alles
sich ohne höhere Einwirkung so ganz von selbst gemacht hätte. Wer aber auch
nur das A B C der Sprache sich angesehen hat, deren sich die offiziösen Preß-"
organe bedienen, für den steht's mit Frakturschrift zwischen den Zeilen ge¬
schrieben, daß hier eine Vereinbarung vorliegt. Man wollte den Bälger Handel
aus der Welt schaffen. Und zwar will uns bedünken, als ob nicht etwa die
Kurie, sondern die Regierung dieses Bedürfniß empfunden hätte. Der Kurie
mußte unseres Erachtens der Fall Balg gar nicht so unlieb sein. Denn wie
Prächtig ließ sich derselbe stets gegen die Regierung ausbeuten! wie nachdrücklich
konnte man der Masse des Volkes an diesem Beispiel g.ä oculos demonstriren,
wie die Regierung Kirche und Religion schädige und zerstöre! Wahrhaftig,
die Sache liegt so, daß man zu dem Glauben verleitet sein könnte, die Re¬
gierung habe, um den Bälger Fall in der oben dargelegten Weise zu erledigen,
der Kurie noch einen speziellen Kaufpreis zahlen müssen. Die „Karlsruher
Zeitung" zwar sucht auch in einem zweiten, gegen die „Badische Korrespondenz"
gerichteten Aufsatz die Sache so darzustellen, als ob lediglich die Haltung der
Gemeinde Balg, welche nicht allein Glattfelders kirchliche Wirksamkeit brach
legte, sondern auch dessen Privatleben bis zur Unerträglichst erschwerte, Herrn
Glattfelder zum Gesuch um Wohnsitzverlegung bestimmt habe, und sie läßt
durchblicken, daß es unter solchen Umständen ein Akt der Grausamkeit gewesen
wäre, den Pfarrer Glattfelder in Balg festzuhalten. Die „Allgemeine Zeitung"
aber, welche in einem offenbar aus sehr wohl unterrichteter Feder stammenden Auf¬
satz die Regierung vertheidigt, spricht offener. Sie sagt uns, daß sich in Balg
"ach und nach ganz unerträgliche Zustände herausgebildet hätten, und die
logische Folge davon sei, „daß eine Regierung das Recht, ja die Pflicht habe,
solchen Zuständen ein Ende zu machen." Worin bestanden denn diese ganz
unerträglichen Zustände in der Gemeinde Balg? Auf Seiten der Gemeinde
bestanden sie darin, daß diese einer geordneten pfarrlichen und seelsorgerlicheu
Thätigkeit entbehrte. Ein mißlicher Zustand mag das gewesen sein, ganz un-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0391" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137564"/>
          <p xml:id="ID_1281" prev="#ID_1280"> selbst ins Werk gesetzte Aufenthaltsverlegung als eine von keiner Seite bean¬<lb/>
standete Absenz des Genannten von seiner Pfarrei, und auf Seiten der Gro߬<lb/>
herzoglichen Regierung war damit für die Dauer der Abwesenheit Glattfelders<lb/>
jeder Grund weggefallen, die Ausübung der pfarrlichen Funktionen<lb/>
Zu Balg durch den an die Stelle des freiwillig abwesenden<lb/>
Pfarrers angewiesenen Dienstverweser irgendwie zu hindern.<lb/>
Auf die Rechtsansprüche Glattfelders hinsichtlich des Pfründegenusses bleibt<lb/>
dessen Abwesenheit vom Pfarrsitz selbstverständlich ohne Einfluß."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1282" next="#ID_1283"> Der Eindruck, den diese Darlegung der &#x201E;Karlsruher Zeitung" machte, war<lb/>
in mehrfacher Hinsicht ein höchst peinlicher. Das zwar wollen wir dem offi¬<lb/>
ziösen Blatte zu gute halten, daß die Sache so dargestellt wird, als ob Alles<lb/>
sich ohne höhere Einwirkung so ganz von selbst gemacht hätte. Wer aber auch<lb/>
nur das A B C der Sprache sich angesehen hat, deren sich die offiziösen Preß-"<lb/>
organe bedienen, für den steht's mit Frakturschrift zwischen den Zeilen ge¬<lb/>
schrieben, daß hier eine Vereinbarung vorliegt. Man wollte den Bälger Handel<lb/>
aus der Welt schaffen. Und zwar will uns bedünken, als ob nicht etwa die<lb/>
Kurie, sondern die Regierung dieses Bedürfniß empfunden hätte. Der Kurie<lb/>
mußte unseres Erachtens der Fall Balg gar nicht so unlieb sein. Denn wie<lb/>
Prächtig ließ sich derselbe stets gegen die Regierung ausbeuten! wie nachdrücklich<lb/>
konnte man der Masse des Volkes an diesem Beispiel g.ä oculos demonstriren,<lb/>
wie die Regierung Kirche und Religion schädige und zerstöre! Wahrhaftig,<lb/>
die Sache liegt so, daß man zu dem Glauben verleitet sein könnte, die Re¬<lb/>
gierung habe, um den Bälger Fall in der oben dargelegten Weise zu erledigen,<lb/>
der Kurie noch einen speziellen Kaufpreis zahlen müssen. Die &#x201E;Karlsruher<lb/>
Zeitung" zwar sucht auch in einem zweiten, gegen die &#x201E;Badische Korrespondenz"<lb/>
gerichteten Aufsatz die Sache so darzustellen, als ob lediglich die Haltung der<lb/>
Gemeinde Balg, welche nicht allein Glattfelders kirchliche Wirksamkeit brach<lb/>
legte, sondern auch dessen Privatleben bis zur Unerträglichst erschwerte, Herrn<lb/>
Glattfelder zum Gesuch um Wohnsitzverlegung bestimmt habe, und sie läßt<lb/>
durchblicken, daß es unter solchen Umständen ein Akt der Grausamkeit gewesen<lb/>
wäre, den Pfarrer Glattfelder in Balg festzuhalten. Die &#x201E;Allgemeine Zeitung"<lb/>
aber, welche in einem offenbar aus sehr wohl unterrichteter Feder stammenden Auf¬<lb/>
satz die Regierung vertheidigt, spricht offener. Sie sagt uns, daß sich in Balg<lb/>
"ach und nach ganz unerträgliche Zustände herausgebildet hätten, und die<lb/>
logische Folge davon sei, &#x201E;daß eine Regierung das Recht, ja die Pflicht habe,<lb/>
solchen Zuständen ein Ende zu machen." Worin bestanden denn diese ganz<lb/>
unerträglichen Zustände in der Gemeinde Balg? Auf Seiten der Gemeinde<lb/>
bestanden sie darin, daß diese einer geordneten pfarrlichen und seelsorgerlicheu<lb/>
Thätigkeit entbehrte. Ein mißlicher Zustand mag das gewesen sein, ganz un-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0391] selbst ins Werk gesetzte Aufenthaltsverlegung als eine von keiner Seite bean¬ standete Absenz des Genannten von seiner Pfarrei, und auf Seiten der Gro߬ herzoglichen Regierung war damit für die Dauer der Abwesenheit Glattfelders jeder Grund weggefallen, die Ausübung der pfarrlichen Funktionen Zu Balg durch den an die Stelle des freiwillig abwesenden Pfarrers angewiesenen Dienstverweser irgendwie zu hindern. Auf die Rechtsansprüche Glattfelders hinsichtlich des Pfründegenusses bleibt dessen Abwesenheit vom Pfarrsitz selbstverständlich ohne Einfluß." Der Eindruck, den diese Darlegung der „Karlsruher Zeitung" machte, war in mehrfacher Hinsicht ein höchst peinlicher. Das zwar wollen wir dem offi¬ ziösen Blatte zu gute halten, daß die Sache so dargestellt wird, als ob Alles sich ohne höhere Einwirkung so ganz von selbst gemacht hätte. Wer aber auch nur das A B C der Sprache sich angesehen hat, deren sich die offiziösen Preß-" organe bedienen, für den steht's mit Frakturschrift zwischen den Zeilen ge¬ schrieben, daß hier eine Vereinbarung vorliegt. Man wollte den Bälger Handel aus der Welt schaffen. Und zwar will uns bedünken, als ob nicht etwa die Kurie, sondern die Regierung dieses Bedürfniß empfunden hätte. Der Kurie mußte unseres Erachtens der Fall Balg gar nicht so unlieb sein. Denn wie Prächtig ließ sich derselbe stets gegen die Regierung ausbeuten! wie nachdrücklich konnte man der Masse des Volkes an diesem Beispiel g.ä oculos demonstriren, wie die Regierung Kirche und Religion schädige und zerstöre! Wahrhaftig, die Sache liegt so, daß man zu dem Glauben verleitet sein könnte, die Re¬ gierung habe, um den Bälger Fall in der oben dargelegten Weise zu erledigen, der Kurie noch einen speziellen Kaufpreis zahlen müssen. Die „Karlsruher Zeitung" zwar sucht auch in einem zweiten, gegen die „Badische Korrespondenz" gerichteten Aufsatz die Sache so darzustellen, als ob lediglich die Haltung der Gemeinde Balg, welche nicht allein Glattfelders kirchliche Wirksamkeit brach legte, sondern auch dessen Privatleben bis zur Unerträglichst erschwerte, Herrn Glattfelder zum Gesuch um Wohnsitzverlegung bestimmt habe, und sie läßt durchblicken, daß es unter solchen Umständen ein Akt der Grausamkeit gewesen wäre, den Pfarrer Glattfelder in Balg festzuhalten. Die „Allgemeine Zeitung" aber, welche in einem offenbar aus sehr wohl unterrichteter Feder stammenden Auf¬ satz die Regierung vertheidigt, spricht offener. Sie sagt uns, daß sich in Balg "ach und nach ganz unerträgliche Zustände herausgebildet hätten, und die logische Folge davon sei, „daß eine Regierung das Recht, ja die Pflicht habe, solchen Zuständen ein Ende zu machen." Worin bestanden denn diese ganz unerträglichen Zustände in der Gemeinde Balg? Auf Seiten der Gemeinde bestanden sie darin, daß diese einer geordneten pfarrlichen und seelsorgerlicheu Thätigkeit entbehrte. Ein mißlicher Zustand mag das gewesen sein, ganz un-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/391
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/391>, abgerufen am 23.07.2024.