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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Ländereien an die Gutsherrschaft wurden 60 bis 70 Quadratmeilen das
Eigenthum freier Leute, deren Vortheil nun natürlich forderte, daß sie diesen
erd- und eigenthümlichen Besitz nach Möglichkeit pflegten und verbesserten.

Da die älteren Gesetze wegen der Aufhebung der Gemeinheiten für das
Bedürfniß der erweiterten Landknltur nicht mehr ausreichten, so wurde nach
Anhörung der Provinzialkollegien und einzelner Sachverständigen aus der
Provinz sowie nach sorgfältiger Prüfung im Staatsrathe die in ihren Erfolgen
so segensreich gewordene Gemeinheittheilungs-Ordnung vom 7. Juni 1821 er¬
lassen, nach welcher die von mehreren Einwohnern einer Stadt oder eines
Dorfes, von Gemeinden und Grundbesitzern bisher gemeinschaftlich ausgeübte
Benutzung ländlicher Grundstücke zum Besten der allgemeinen Landeskultur
soviel als möglich aufgehoben oder so lange sie bestände möglichst unschäd¬
lich gemacht werden sollte. Die Aufhebung der Gemeinheiten fand darnach
statt bei Weideberechtigungen, auf Aeckern, Wiesen, Angern, in Forsten und
ans sonstigen Weideplätzen, bei Forstberechtigungen zur Mast, zum Mitgenusse
des Holzes und zum Streuholen und bei Berechtigungen zum Plaggen-, Haide-
und Bültenhieb, es mochten übrigens diese Gerechtsame auf einem gemeinschaft¬
lichen Eigenthum, einem Gesammteigenthum oder einem einseitigen oder wechsel¬
seitigen Dienstbarkeitsrechte beruhen.

Da nun mit der Aufhebung der gemeinschaftlichen Hütung gleichzeitig die
Auflösung des alten Dreifeldersystems, die Zusammenlegung der zerstreuten
Acker- und Wiesenstücke zu wirthschaftlich zweckmäßigen Plänen, die Ausweisung
von Saud, Lehm, Mergelgruben und anderen Plätzen für gemeinnützige An¬
lagen, die Abgrabung des Wassers, die Verbesserung der Wege u. dergl. ver¬
bunden war, so wurden nun erst die Grundbesitzer in den Stand gesetzt, ihre
von allen Einschränkungen befreiten Ländereien so zu bewirthschaften und zu
verbessern, wie sie es nach eignem Ermessen für sich am Zweckmäßigsten und
Einträglichsten erachteten.

Während durch die Steinsche Gesetzgebung der Landbau nach und nach
von allen Fesseln, die ihn bisher bedrückt hatten, befreit wurde, fand sich auch
rechtzeitig der Mann ein, welcher durch Lehre und Beispiel den Landwirthen
zeigen sollte, wie sie durch einen dem Klima, der Bodenbeschaffenheit und dem
Absätze der Produkte entsprechenden Fruchtwechsel nicht nur aus ihren Wirth¬
schaften den möglichsten Nutzen ziehen, sondern zugleich die Ertragsfähigkeit
des Gutes nach und nach erhöhen könnten.

Albrecht Thaer, der Begründer der rationellen Landwirthschaft in
Deutschland, wurde 1752 in Celle geboren, studirte in Göttingen Philosophie
und Medicin und wurde 1774 Doctor und bald darauf in seiner Vaterstadt
Hofmedicus. Indeß gab er diese Stellung wegen Kränklichkeit nach kurzer


Grenzboten I. 1377. 47

Ländereien an die Gutsherrschaft wurden 60 bis 70 Quadratmeilen das
Eigenthum freier Leute, deren Vortheil nun natürlich forderte, daß sie diesen
erd- und eigenthümlichen Besitz nach Möglichkeit pflegten und verbesserten.

Da die älteren Gesetze wegen der Aufhebung der Gemeinheiten für das
Bedürfniß der erweiterten Landknltur nicht mehr ausreichten, so wurde nach
Anhörung der Provinzialkollegien und einzelner Sachverständigen aus der
Provinz sowie nach sorgfältiger Prüfung im Staatsrathe die in ihren Erfolgen
so segensreich gewordene Gemeinheittheilungs-Ordnung vom 7. Juni 1821 er¬
lassen, nach welcher die von mehreren Einwohnern einer Stadt oder eines
Dorfes, von Gemeinden und Grundbesitzern bisher gemeinschaftlich ausgeübte
Benutzung ländlicher Grundstücke zum Besten der allgemeinen Landeskultur
soviel als möglich aufgehoben oder so lange sie bestände möglichst unschäd¬
lich gemacht werden sollte. Die Aufhebung der Gemeinheiten fand darnach
statt bei Weideberechtigungen, auf Aeckern, Wiesen, Angern, in Forsten und
ans sonstigen Weideplätzen, bei Forstberechtigungen zur Mast, zum Mitgenusse
des Holzes und zum Streuholen und bei Berechtigungen zum Plaggen-, Haide-
und Bültenhieb, es mochten übrigens diese Gerechtsame auf einem gemeinschaft¬
lichen Eigenthum, einem Gesammteigenthum oder einem einseitigen oder wechsel¬
seitigen Dienstbarkeitsrechte beruhen.

Da nun mit der Aufhebung der gemeinschaftlichen Hütung gleichzeitig die
Auflösung des alten Dreifeldersystems, die Zusammenlegung der zerstreuten
Acker- und Wiesenstücke zu wirthschaftlich zweckmäßigen Plänen, die Ausweisung
von Saud, Lehm, Mergelgruben und anderen Plätzen für gemeinnützige An¬
lagen, die Abgrabung des Wassers, die Verbesserung der Wege u. dergl. ver¬
bunden war, so wurden nun erst die Grundbesitzer in den Stand gesetzt, ihre
von allen Einschränkungen befreiten Ländereien so zu bewirthschaften und zu
verbessern, wie sie es nach eignem Ermessen für sich am Zweckmäßigsten und
Einträglichsten erachteten.

Während durch die Steinsche Gesetzgebung der Landbau nach und nach
von allen Fesseln, die ihn bisher bedrückt hatten, befreit wurde, fand sich auch
rechtzeitig der Mann ein, welcher durch Lehre und Beispiel den Landwirthen
zeigen sollte, wie sie durch einen dem Klima, der Bodenbeschaffenheit und dem
Absätze der Produkte entsprechenden Fruchtwechsel nicht nur aus ihren Wirth¬
schaften den möglichsten Nutzen ziehen, sondern zugleich die Ertragsfähigkeit
des Gutes nach und nach erhöhen könnten.

Albrecht Thaer, der Begründer der rationellen Landwirthschaft in
Deutschland, wurde 1752 in Celle geboren, studirte in Göttingen Philosophie
und Medicin und wurde 1774 Doctor und bald darauf in seiner Vaterstadt
Hofmedicus. Indeß gab er diese Stellung wegen Kränklichkeit nach kurzer


Grenzboten I. 1377. 47
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[0377] Ländereien an die Gutsherrschaft wurden 60 bis 70 Quadratmeilen das Eigenthum freier Leute, deren Vortheil nun natürlich forderte, daß sie diesen erd- und eigenthümlichen Besitz nach Möglichkeit pflegten und verbesserten. Da die älteren Gesetze wegen der Aufhebung der Gemeinheiten für das Bedürfniß der erweiterten Landknltur nicht mehr ausreichten, so wurde nach Anhörung der Provinzialkollegien und einzelner Sachverständigen aus der Provinz sowie nach sorgfältiger Prüfung im Staatsrathe die in ihren Erfolgen so segensreich gewordene Gemeinheittheilungs-Ordnung vom 7. Juni 1821 er¬ lassen, nach welcher die von mehreren Einwohnern einer Stadt oder eines Dorfes, von Gemeinden und Grundbesitzern bisher gemeinschaftlich ausgeübte Benutzung ländlicher Grundstücke zum Besten der allgemeinen Landeskultur soviel als möglich aufgehoben oder so lange sie bestände möglichst unschäd¬ lich gemacht werden sollte. Die Aufhebung der Gemeinheiten fand darnach statt bei Weideberechtigungen, auf Aeckern, Wiesen, Angern, in Forsten und ans sonstigen Weideplätzen, bei Forstberechtigungen zur Mast, zum Mitgenusse des Holzes und zum Streuholen und bei Berechtigungen zum Plaggen-, Haide- und Bültenhieb, es mochten übrigens diese Gerechtsame auf einem gemeinschaft¬ lichen Eigenthum, einem Gesammteigenthum oder einem einseitigen oder wechsel¬ seitigen Dienstbarkeitsrechte beruhen. Da nun mit der Aufhebung der gemeinschaftlichen Hütung gleichzeitig die Auflösung des alten Dreifeldersystems, die Zusammenlegung der zerstreuten Acker- und Wiesenstücke zu wirthschaftlich zweckmäßigen Plänen, die Ausweisung von Saud, Lehm, Mergelgruben und anderen Plätzen für gemeinnützige An¬ lagen, die Abgrabung des Wassers, die Verbesserung der Wege u. dergl. ver¬ bunden war, so wurden nun erst die Grundbesitzer in den Stand gesetzt, ihre von allen Einschränkungen befreiten Ländereien so zu bewirthschaften und zu verbessern, wie sie es nach eignem Ermessen für sich am Zweckmäßigsten und Einträglichsten erachteten. Während durch die Steinsche Gesetzgebung der Landbau nach und nach von allen Fesseln, die ihn bisher bedrückt hatten, befreit wurde, fand sich auch rechtzeitig der Mann ein, welcher durch Lehre und Beispiel den Landwirthen zeigen sollte, wie sie durch einen dem Klima, der Bodenbeschaffenheit und dem Absätze der Produkte entsprechenden Fruchtwechsel nicht nur aus ihren Wirth¬ schaften den möglichsten Nutzen ziehen, sondern zugleich die Ertragsfähigkeit des Gutes nach und nach erhöhen könnten. Albrecht Thaer, der Begründer der rationellen Landwirthschaft in Deutschland, wurde 1752 in Celle geboren, studirte in Göttingen Philosophie und Medicin und wurde 1774 Doctor und bald darauf in seiner Vaterstadt Hofmedicus. Indeß gab er diese Stellung wegen Kränklichkeit nach kurzer Grenzboten I. 1377. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/377>, abgerufen am 23.07.2024.