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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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drei bis sieben Seminaristen in systematisch znsammeichängender Weise zu be¬
schäftigen, zumal da es bei Uebungsarbeiten gar nicht darauf ankommt, große
Entdeckungen zu machen, sondern zu lernen.

Vielleicht dürfte es sich empfehlen, die Arbeiten weder zeitlich unbeschränkt,
noch auch regelmäßig in jedem Semester anfertigen zu lassen, vielmehr den
offiziellen Liefernngstermin im zweiten Halbjahr anzusetzen, ohne damit die
Arbeiten innerhalb des laufenden auszuschließen. Ans diese Art wäre einer¬
seits dem Fleiße der nöthige Raum gelassen, andererseits der Trägheit und
Schwerfälligkeit eine Grenze gezogen, und anch -- obige Methode voraus¬
gesetzt -- eine durchgehende Theilnahme an den Erörterungen gesichert, die sich
an eingelieferte Arbeiten knüpfen, weil die meisten, wenn nicht gar alle Se-
minnrmitglieder ausreichend mit dem Gegenstände vertraut sind.

Fleiß und Schaffensdrang erhalten einen künstlichen Sporn durch aus¬
gesetzte Prämien, doch läßt sich gegen dieselben geltend machen, daß sie leicht
einen Ehrgeiz wecken, der nicht rein wissenschaftlicher Natur ist, daß Einzelne,
die leer ausgegangen sind, erbittert werden und Grund zu haben glauben,
die Unparteilichkeit der Lehrer in Frage ziehen zu müssen.

Wohl Niemand will anzweifeln, daß großartige Resultate in der deutschen
Geschichtsforschung erreicht sind, und muß, sobald auf sie der Blick sich richtet,
auch mit Stolz der historischen Seminare gedacht werden; -- doch täuschen wir
uns nicht: weniger die Seminare an sich sind die Basis der Erfolge gewesen, als
vielmehr die Persönlichkeiten, welche darin lehrten, und die, welche darin zu
lernen verstanden. Nur wellige Gebiete der Wissenschaft zählen so viele Jünger,
die sich ihr ans reiner, kraftbewußter Liebe und Lust zugewendet haben. --
Nach unserem Systeme würde dein Docenten dem Neulinge gegenüber breiter
Einfluß gewährt, dafür dieser aber auch rascher, als es bisher der Fall ge¬
wesen, vom Exoteriker zum Esoteriker umgebildet, schneller zu größerer Freiheit,
Beweglichkeit, und Sicherheit in der Arbeit geführt, und ob dies durch mehr
schülerhafte Behandlung eines Erstlingsjahres zu theuer erkauft worden, dürfte
Jul. Harttung. zu erwägen sein.




Me Sage vom ewigen Juden.

Wem, man in Jerusalem mit seinem Führer aus dem lateinischen Kloster
durch die Via Dolorvsa geht, so macht einen der gläubige Mönch auf eine


drei bis sieben Seminaristen in systematisch znsammeichängender Weise zu be¬
schäftigen, zumal da es bei Uebungsarbeiten gar nicht darauf ankommt, große
Entdeckungen zu machen, sondern zu lernen.

Vielleicht dürfte es sich empfehlen, die Arbeiten weder zeitlich unbeschränkt,
noch auch regelmäßig in jedem Semester anfertigen zu lassen, vielmehr den
offiziellen Liefernngstermin im zweiten Halbjahr anzusetzen, ohne damit die
Arbeiten innerhalb des laufenden auszuschließen. Ans diese Art wäre einer¬
seits dem Fleiße der nöthige Raum gelassen, andererseits der Trägheit und
Schwerfälligkeit eine Grenze gezogen, und anch — obige Methode voraus¬
gesetzt — eine durchgehende Theilnahme an den Erörterungen gesichert, die sich
an eingelieferte Arbeiten knüpfen, weil die meisten, wenn nicht gar alle Se-
minnrmitglieder ausreichend mit dem Gegenstände vertraut sind.

Fleiß und Schaffensdrang erhalten einen künstlichen Sporn durch aus¬
gesetzte Prämien, doch läßt sich gegen dieselben geltend machen, daß sie leicht
einen Ehrgeiz wecken, der nicht rein wissenschaftlicher Natur ist, daß Einzelne,
die leer ausgegangen sind, erbittert werden und Grund zu haben glauben,
die Unparteilichkeit der Lehrer in Frage ziehen zu müssen.

Wohl Niemand will anzweifeln, daß großartige Resultate in der deutschen
Geschichtsforschung erreicht sind, und muß, sobald auf sie der Blick sich richtet,
auch mit Stolz der historischen Seminare gedacht werden; — doch täuschen wir
uns nicht: weniger die Seminare an sich sind die Basis der Erfolge gewesen, als
vielmehr die Persönlichkeiten, welche darin lehrten, und die, welche darin zu
lernen verstanden. Nur wellige Gebiete der Wissenschaft zählen so viele Jünger,
die sich ihr ans reiner, kraftbewußter Liebe und Lust zugewendet haben. —
Nach unserem Systeme würde dein Docenten dem Neulinge gegenüber breiter
Einfluß gewährt, dafür dieser aber auch rascher, als es bisher der Fall ge¬
wesen, vom Exoteriker zum Esoteriker umgebildet, schneller zu größerer Freiheit,
Beweglichkeit, und Sicherheit in der Arbeit geführt, und ob dies durch mehr
schülerhafte Behandlung eines Erstlingsjahres zu theuer erkauft worden, dürfte
Jul. Harttung. zu erwägen sein.




Me Sage vom ewigen Juden.

Wem, man in Jerusalem mit seinem Führer aus dem lateinischen Kloster
durch die Via Dolorvsa geht, so macht einen der gläubige Mönch auf eine


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[0341] drei bis sieben Seminaristen in systematisch znsammeichängender Weise zu be¬ schäftigen, zumal da es bei Uebungsarbeiten gar nicht darauf ankommt, große Entdeckungen zu machen, sondern zu lernen. Vielleicht dürfte es sich empfehlen, die Arbeiten weder zeitlich unbeschränkt, noch auch regelmäßig in jedem Semester anfertigen zu lassen, vielmehr den offiziellen Liefernngstermin im zweiten Halbjahr anzusetzen, ohne damit die Arbeiten innerhalb des laufenden auszuschließen. Ans diese Art wäre einer¬ seits dem Fleiße der nöthige Raum gelassen, andererseits der Trägheit und Schwerfälligkeit eine Grenze gezogen, und anch — obige Methode voraus¬ gesetzt — eine durchgehende Theilnahme an den Erörterungen gesichert, die sich an eingelieferte Arbeiten knüpfen, weil die meisten, wenn nicht gar alle Se- minnrmitglieder ausreichend mit dem Gegenstände vertraut sind. Fleiß und Schaffensdrang erhalten einen künstlichen Sporn durch aus¬ gesetzte Prämien, doch läßt sich gegen dieselben geltend machen, daß sie leicht einen Ehrgeiz wecken, der nicht rein wissenschaftlicher Natur ist, daß Einzelne, die leer ausgegangen sind, erbittert werden und Grund zu haben glauben, die Unparteilichkeit der Lehrer in Frage ziehen zu müssen. Wohl Niemand will anzweifeln, daß großartige Resultate in der deutschen Geschichtsforschung erreicht sind, und muß, sobald auf sie der Blick sich richtet, auch mit Stolz der historischen Seminare gedacht werden; — doch täuschen wir uns nicht: weniger die Seminare an sich sind die Basis der Erfolge gewesen, als vielmehr die Persönlichkeiten, welche darin lehrten, und die, welche darin zu lernen verstanden. Nur wellige Gebiete der Wissenschaft zählen so viele Jünger, die sich ihr ans reiner, kraftbewußter Liebe und Lust zugewendet haben. — Nach unserem Systeme würde dein Docenten dem Neulinge gegenüber breiter Einfluß gewährt, dafür dieser aber auch rascher, als es bisher der Fall ge¬ wesen, vom Exoteriker zum Esoteriker umgebildet, schneller zu größerer Freiheit, Beweglichkeit, und Sicherheit in der Arbeit geführt, und ob dies durch mehr schülerhafte Behandlung eines Erstlingsjahres zu theuer erkauft worden, dürfte Jul. Harttung. zu erwägen sein. Me Sage vom ewigen Juden. Wem, man in Jerusalem mit seinem Führer aus dem lateinischen Kloster durch die Via Dolorvsa geht, so macht einen der gläubige Mönch auf eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/341>, abgerufen am 23.07.2024.