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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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die akademischen Neulinge ausscheiden und einem Proseminar überweisen, Ihre
Zahl würde selteu sieben übersteigen, leicht also vom Docenten zu übersehen sein.
Auf größeren Universitäten konnten, wenn es noth Untre, bis an funfzehn zugelassen
werden. Diese, gewohnt an den Ton des Gymnasiums, würden sich noch
vollkommen als Schüler im prägnanten Sinne behandeln lassen; es brauchte
nur Ernst gemacht und ihnen bewiesen zu werden, daß sie nichts wissen.

Im Proseminar dürfte einerseits Lesen, andrerseits Materialknndc zu
lehren sein. Jenes in der Weise, daß nicht uur Schriftsteller, oder richtiger
aufgewühlte Stücke aus Schriftstellern, sondern anch Urkunden, Cvueilienakten
u. s. w. dem Wortlaute nach genau interpretirt würden, woran sich denn kürzere
sachliche Exkurse schließen könnten, z. B. was unter t'ouäum, was unter mi-
niZt.krmI<zö, eompuuetio ze. zu verstehen, wann Begriff und Wort aufkommen
und dergleichen mehr.

Die Materialknndc ließe sich am uutzbringeudsten lehren und lernen, wenn
der Docent die Bücher, die er besprechen will, mit sich in das Auditorium
brächte, dort Pertz' Monumente" und Jaffas "LidliotKsW" zeigte, auf die
Anlage derselben, auf den verschiedenen Druck, die Faesimiles, Anmerkungen,
Vorreden, Indices, auf den Werth der Sammlungen u'. aufmerksam machte.
In gleicher Weise, wenn auch kürzer, könnten die Quellensammlungen der
Nachbarreiche vorgenommen werden: Muratori, Bouquet, du Chesne, Lange-
beck, Rsruin Lrittanie-irum Leriptorss; auf Italia und Gallia sacra,
Espana Sagrada, das Monasticon Angliearnm, auf Mansi, Baronius-Theiner,
Harzheim, Hefele u. s. w. wäre hinzuweisen, und dürften gleichfalls nicht nur
Stumpfs und Böhmers Regelten nicht fehlen, sondern ebenso wenig die Jaffas
und Potthasts, Bröguigny und Nymer. Alls solche Art konnten die Pro¬
seminaristen leicht mit dem Gesammtarbeitsmaterial in seinen ^ Grundzügen
wirklich vertraut gemacht werden; ist es doch bekanntlich ein großer Unter¬
schied, ob man ein Buch in der Hand gehabt und darin geblättert, oder nur
vom Katheder es hat nennen hören. Einem Erdrücken durch die Menge wäre
von selber vorgebeugt, wenn eben nur die Hauptwerke vorgelegt würden, und
wenn das, was in einem Semester nicht abgethan, im zweiten seine Vollendung
fände, wo sich dann auch noch die vorzüglichsten Rechtsquellen, Cnnones-
sammlungen und das LorpuL M-is canonici besprechen ließen. Buche alsdann
noch Zeit zur Verfügung, so dürfte man andere Hülfsbücher heranziehen,
diplomatischen, geographischen und kulturhistorischen Inhalts; auf Münz- und
Siegelwerke wäre zu verweisen, wie auf Weiß' Kostümkunde und Schnases
Kunstgeschichte; dies natürlich mehr cursorisch.

Die Geschichte ist eben eine universelle Wissenschaft, und das muß dem
jüngeren Studirenden von vorn herein klar gemacht werden, sein Gesichtskreis


die akademischen Neulinge ausscheiden und einem Proseminar überweisen, Ihre
Zahl würde selteu sieben übersteigen, leicht also vom Docenten zu übersehen sein.
Auf größeren Universitäten konnten, wenn es noth Untre, bis an funfzehn zugelassen
werden. Diese, gewohnt an den Ton des Gymnasiums, würden sich noch
vollkommen als Schüler im prägnanten Sinne behandeln lassen; es brauchte
nur Ernst gemacht und ihnen bewiesen zu werden, daß sie nichts wissen.

Im Proseminar dürfte einerseits Lesen, andrerseits Materialknndc zu
lehren sein. Jenes in der Weise, daß nicht uur Schriftsteller, oder richtiger
aufgewühlte Stücke aus Schriftstellern, sondern anch Urkunden, Cvueilienakten
u. s. w. dem Wortlaute nach genau interpretirt würden, woran sich denn kürzere
sachliche Exkurse schließen könnten, z. B. was unter t'ouäum, was unter mi-
niZt.krmI<zö, eompuuetio ze. zu verstehen, wann Begriff und Wort aufkommen
und dergleichen mehr.

Die Materialknndc ließe sich am uutzbringeudsten lehren und lernen, wenn
der Docent die Bücher, die er besprechen will, mit sich in das Auditorium
brächte, dort Pertz' Monumente" und Jaffas „LidliotKsW" zeigte, auf die
Anlage derselben, auf den verschiedenen Druck, die Faesimiles, Anmerkungen,
Vorreden, Indices, auf den Werth der Sammlungen u'. aufmerksam machte.
In gleicher Weise, wenn auch kürzer, könnten die Quellensammlungen der
Nachbarreiche vorgenommen werden: Muratori, Bouquet, du Chesne, Lange-
beck, Rsruin Lrittanie-irum Leriptorss; auf Italia und Gallia sacra,
Espana Sagrada, das Monasticon Angliearnm, auf Mansi, Baronius-Theiner,
Harzheim, Hefele u. s. w. wäre hinzuweisen, und dürften gleichfalls nicht nur
Stumpfs und Böhmers Regelten nicht fehlen, sondern ebenso wenig die Jaffas
und Potthasts, Bröguigny und Nymer. Alls solche Art konnten die Pro¬
seminaristen leicht mit dem Gesammtarbeitsmaterial in seinen ^ Grundzügen
wirklich vertraut gemacht werden; ist es doch bekanntlich ein großer Unter¬
schied, ob man ein Buch in der Hand gehabt und darin geblättert, oder nur
vom Katheder es hat nennen hören. Einem Erdrücken durch die Menge wäre
von selber vorgebeugt, wenn eben nur die Hauptwerke vorgelegt würden, und
wenn das, was in einem Semester nicht abgethan, im zweiten seine Vollendung
fände, wo sich dann auch noch die vorzüglichsten Rechtsquellen, Cnnones-
sammlungen und das LorpuL M-is canonici besprechen ließen. Buche alsdann
noch Zeit zur Verfügung, so dürfte man andere Hülfsbücher heranziehen,
diplomatischen, geographischen und kulturhistorischen Inhalts; auf Münz- und
Siegelwerke wäre zu verweisen, wie auf Weiß' Kostümkunde und Schnases
Kunstgeschichte; dies natürlich mehr cursorisch.

Die Geschichte ist eben eine universelle Wissenschaft, und das muß dem
jüngeren Studirenden von vorn herein klar gemacht werden, sein Gesichtskreis


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[0338] die akademischen Neulinge ausscheiden und einem Proseminar überweisen, Ihre Zahl würde selteu sieben übersteigen, leicht also vom Docenten zu übersehen sein. Auf größeren Universitäten konnten, wenn es noth Untre, bis an funfzehn zugelassen werden. Diese, gewohnt an den Ton des Gymnasiums, würden sich noch vollkommen als Schüler im prägnanten Sinne behandeln lassen; es brauchte nur Ernst gemacht und ihnen bewiesen zu werden, daß sie nichts wissen. Im Proseminar dürfte einerseits Lesen, andrerseits Materialknndc zu lehren sein. Jenes in der Weise, daß nicht uur Schriftsteller, oder richtiger aufgewühlte Stücke aus Schriftstellern, sondern anch Urkunden, Cvueilienakten u. s. w. dem Wortlaute nach genau interpretirt würden, woran sich denn kürzere sachliche Exkurse schließen könnten, z. B. was unter t'ouäum, was unter mi- niZt.krmI<zö, eompuuetio ze. zu verstehen, wann Begriff und Wort aufkommen und dergleichen mehr. Die Materialknndc ließe sich am uutzbringeudsten lehren und lernen, wenn der Docent die Bücher, die er besprechen will, mit sich in das Auditorium brächte, dort Pertz' Monumente" und Jaffas „LidliotKsW" zeigte, auf die Anlage derselben, auf den verschiedenen Druck, die Faesimiles, Anmerkungen, Vorreden, Indices, auf den Werth der Sammlungen u'. aufmerksam machte. In gleicher Weise, wenn auch kürzer, könnten die Quellensammlungen der Nachbarreiche vorgenommen werden: Muratori, Bouquet, du Chesne, Lange- beck, Rsruin Lrittanie-irum Leriptorss; auf Italia und Gallia sacra, Espana Sagrada, das Monasticon Angliearnm, auf Mansi, Baronius-Theiner, Harzheim, Hefele u. s. w. wäre hinzuweisen, und dürften gleichfalls nicht nur Stumpfs und Böhmers Regelten nicht fehlen, sondern ebenso wenig die Jaffas und Potthasts, Bröguigny und Nymer. Alls solche Art konnten die Pro¬ seminaristen leicht mit dem Gesammtarbeitsmaterial in seinen ^ Grundzügen wirklich vertraut gemacht werden; ist es doch bekanntlich ein großer Unter¬ schied, ob man ein Buch in der Hand gehabt und darin geblättert, oder nur vom Katheder es hat nennen hören. Einem Erdrücken durch die Menge wäre von selber vorgebeugt, wenn eben nur die Hauptwerke vorgelegt würden, und wenn das, was in einem Semester nicht abgethan, im zweiten seine Vollendung fände, wo sich dann auch noch die vorzüglichsten Rechtsquellen, Cnnones- sammlungen und das LorpuL M-is canonici besprechen ließen. Buche alsdann noch Zeit zur Verfügung, so dürfte man andere Hülfsbücher heranziehen, diplomatischen, geographischen und kulturhistorischen Inhalts; auf Münz- und Siegelwerke wäre zu verweisen, wie auf Weiß' Kostümkunde und Schnases Kunstgeschichte; dies natürlich mehr cursorisch. Die Geschichte ist eben eine universelle Wissenschaft, und das muß dem jüngeren Studirenden von vorn herein klar gemacht werden, sein Gesichtskreis

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/338>, abgerufen am 23.07.2024.