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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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wegen unvorhergesehener Hindernisse, von dem Versammlungsorte des Wahl-
eollegiums fern bleiben. Es ist bereits einmal der Fall da gewesen, daß die
Elektoren des Staates Wisconsin in Folge eines heftigen Schneestnrms an
dein für die Versammlung des Wahlevllegiums gesetzlich bestimmten Tage in
der Hauptstadt ihres Staates nicht eintreffen konnten, und die Zahlung des
Elektoralvotums von Wisconsin wurde im Kongresse beanstandet, weil das
Wahlcollegium sich an einem andern, als dem gesetzlich bestimmten Tage ver¬
sammelt hatte. Damals war dieser Umstand ohne Bedeutung, weil die Majo¬
rität sür den erwählten Präsidenten so groß war, daß die Stimmen von Wis¬
consin so oder so daran nichts andern konnten. Aber man denke sich, daß
das ganze Wahlergebniß davon abgehangen hätte, was dann? Nach dem
streng formellen Rechte Hütten die Elektorenstimmen von Wisconsin sehr leicht
ausgeworfen werden können, aber würde sich die thatsächlich siegreiche Partei
damit zufrieden gegeben haben? -- Man sieht, von welchen Zufälligkeiten
unter dem jetzigen Wahlsystem in den Vereinigten Staaten das Ergebniß einer
dortigen Präsidentenwahl abhängen mag, und es ist zu hoffen, daß, sobald
sich die gegenwärtig hochgehenden Wogen der Parteileidenschaften gelegt haben,
der Kongreß sich mit einer gründlichen Reform der nationalen Wahlmaschinerie
beschäftigen werde.

Um nun in unserer kurzen Darstellung der auf die amerikanische Prä¬
sidentenwahl bezüglichen Gesetzesvorschriften fortzufahren, bemerken wir, daß
am zweiten Mittwoch des ans die Elektorenwahl folgenden Februarmonats
nach Vorschrift der Constitution der Präsident des Buudessenats die an ihn
eingegangenen Protokolle über das Elektoralvotnm "in Gegenwart des Senats
und des Repräsentantenhauses" (in tue vrsssnee c"k elle Senat." g,va Kouss ok
revresenwtives) öffnen soll, worauf die Zählung der Stimmen zu beginnen
hat. Ergiebt sich dabei eine absolute Majorität der Elektoralstimmen für einen
Kandidaten der Präsidentschaft, resp, der Vicepräsidentschaft, so ist derselbe da¬
mit zum Präsidenten, resp. Vicepräsidenten, erwählt und übernimmt die Funk¬
tionen dieses Amtes am nächstfolgenden 4. März. Von einem weitern Mit¬
wirken der beiden Kongreßhäuser bei der Präsisentenwahl in dem angegebenen
Falle enthält die Constitution nichts.

In Bezug auf die jüngste Präsidentenwahl ist nun zu diesen eben er¬
wähnten Gesetzesvorschriften Folgendes zu bemerken: Alle über den Ocean zu
uns gekommenen Nachrichten stimmen dahin überein, daß von den am Mittwoch,
6. Dezember 1876, in den verschiedenen Unionsstaaten abgegebenen Elektoral¬
stimmen 185 auf Rue Herford B. Hayes, deu Präsidentschaftskandidaten
der Republikaner, und 184 auf Samuel I. Tilden, den Präsidentschafts¬
kandidaten der Demokraten, gefallen seien, daß mithin Hayes mit einer einzigen


Grenjboten I. 1877. 4

wegen unvorhergesehener Hindernisse, von dem Versammlungsorte des Wahl-
eollegiums fern bleiben. Es ist bereits einmal der Fall da gewesen, daß die
Elektoren des Staates Wisconsin in Folge eines heftigen Schneestnrms an
dein für die Versammlung des Wahlevllegiums gesetzlich bestimmten Tage in
der Hauptstadt ihres Staates nicht eintreffen konnten, und die Zahlung des
Elektoralvotums von Wisconsin wurde im Kongresse beanstandet, weil das
Wahlcollegium sich an einem andern, als dem gesetzlich bestimmten Tage ver¬
sammelt hatte. Damals war dieser Umstand ohne Bedeutung, weil die Majo¬
rität sür den erwählten Präsidenten so groß war, daß die Stimmen von Wis¬
consin so oder so daran nichts andern konnten. Aber man denke sich, daß
das ganze Wahlergebniß davon abgehangen hätte, was dann? Nach dem
streng formellen Rechte Hütten die Elektorenstimmen von Wisconsin sehr leicht
ausgeworfen werden können, aber würde sich die thatsächlich siegreiche Partei
damit zufrieden gegeben haben? — Man sieht, von welchen Zufälligkeiten
unter dem jetzigen Wahlsystem in den Vereinigten Staaten das Ergebniß einer
dortigen Präsidentenwahl abhängen mag, und es ist zu hoffen, daß, sobald
sich die gegenwärtig hochgehenden Wogen der Parteileidenschaften gelegt haben,
der Kongreß sich mit einer gründlichen Reform der nationalen Wahlmaschinerie
beschäftigen werde.

Um nun in unserer kurzen Darstellung der auf die amerikanische Prä¬
sidentenwahl bezüglichen Gesetzesvorschriften fortzufahren, bemerken wir, daß
am zweiten Mittwoch des ans die Elektorenwahl folgenden Februarmonats
nach Vorschrift der Constitution der Präsident des Buudessenats die an ihn
eingegangenen Protokolle über das Elektoralvotnm „in Gegenwart des Senats
und des Repräsentantenhauses" (in tue vrsssnee c»k elle Senat.« g,va Kouss ok
revresenwtives) öffnen soll, worauf die Zählung der Stimmen zu beginnen
hat. Ergiebt sich dabei eine absolute Majorität der Elektoralstimmen für einen
Kandidaten der Präsidentschaft, resp, der Vicepräsidentschaft, so ist derselbe da¬
mit zum Präsidenten, resp. Vicepräsidenten, erwählt und übernimmt die Funk¬
tionen dieses Amtes am nächstfolgenden 4. März. Von einem weitern Mit¬
wirken der beiden Kongreßhäuser bei der Präsisentenwahl in dem angegebenen
Falle enthält die Constitution nichts.

In Bezug auf die jüngste Präsidentenwahl ist nun zu diesen eben er¬
wähnten Gesetzesvorschriften Folgendes zu bemerken: Alle über den Ocean zu
uns gekommenen Nachrichten stimmen dahin überein, daß von den am Mittwoch,
6. Dezember 1876, in den verschiedenen Unionsstaaten abgegebenen Elektoral¬
stimmen 185 auf Rue Herford B. Hayes, deu Präsidentschaftskandidaten
der Republikaner, und 184 auf Samuel I. Tilden, den Präsidentschafts¬
kandidaten der Demokraten, gefallen seien, daß mithin Hayes mit einer einzigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/33>, abgerufen am 23.07.2024.