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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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ist da, wo die preußischen Fahnen wehen!" Die großen Geister Z. 1a Richter,
Parisins und Genossen sind über dergleichen Schwächen freilich erhaben; Arm
in Arm mit den Ultramontanen stimmten sie gegen den Gesetzentwurf, freilich
ohne demselben zu schaden.

^ Wie sehr übrigens die Majorität des Abgeordnetenhauses geneigt ist, selbst
Kulturkampsbeschwerden, wenn sie sachlich vorgetragen werden, auch sachlich zu
behandeln, bewies die Debatte über einen Antrag Reichenspergers, welcher die
Regierung aufforderte, die von dein Oberpräsidenten der Rheinprovinz ans
Grund des Gesetzes über die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln an
die römisch-katholischen Bisthümer u. s. w. angeordnete Beschlagnahme der links¬
rheinischen Pfarrdotalgüter einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen. Die
Frage ist, ob diese Güter Eigenthum des Staates oder der Kirche siud. Von
Seiten der letzteren ist der Rechtsweg beschritten worden; die Regierung ihrer¬
seits aber hat dagegen den Competenzevnflikt erhoben. Dies wurde jedoch auch
von deu uatioualliberalen Rednern mißbilligt, und auf Vorschlag Lasters wurde
der Reichenspergersche Antrag an die Justizcommission verwiesen, damit diese
Prüfe, ob die Anrufung des Competenzgerichtshofes in dieser Angelegenheit nicht
etwa einer Versperruug des Rechtsweges gleichkomme.

Am letzten Tage der Woche kam der Etat der Eisenbahnverwaltimg zur
Discussion. Ein Antrag, die Negierung aufzufordern, die aus Anlaß des Bundes
rathsbefchlusses vom 11. Juni 1874 eingeführten Gütertariferhvhungen im ganzen
Umfange aufzuheben und die desfallsige den Privatbahnen ertheilte Ermächtigung
zurückzuziehen, wurde nach lebhafter Debatte und unter dem Widerstreben des
Händelsministers der Budgetevmmission überwiesen. Man hofft, dadurch auf
die soeben hier zusammentretende Tarifconferenz einen Druck auszuüben. Ob
mit Erfolg, wird sich ja bald genug zeigen. schätzenswert!) ist die Erklä¬
rung des Haudelsministers, daß das Reichseiseubahnprvjekt keineswegs aufge¬
geben sei, sondern nur mit den Schwierigkeiten langwieriger Erhebungen zu
kämpfen habe. --

Auch das Herrenhaus ist am Beginn der Woche endlich in seine Thätig¬
keit eingetreten. An zwei Tagen hatten sensationelle Gegenstünde eine außer¬
gewöhnlich zahlreiche Zuschauerschaft auf die Tribünen gelockt. Das eine
Mal handelte es sich um eine Jnterpellation des Grafen Schulenburg-Beetzen-
dorf wegen des Welfenfonds, das andere Mal um eine Petition der Herren
von Diest und Genossen, den bekannten Eisenbahnuntersuchungsbericht zur
Verhandlung zu bringen. In beiden Fällen war es von den Urhebern auf
eine große Attaque gegen das bestehende Regierungssystem abgesehen, in beiden
Fällen endete der Ansturm überaus kläglich.


ist da, wo die preußischen Fahnen wehen!" Die großen Geister Z. 1a Richter,
Parisins und Genossen sind über dergleichen Schwächen freilich erhaben; Arm
in Arm mit den Ultramontanen stimmten sie gegen den Gesetzentwurf, freilich
ohne demselben zu schaden.

^ Wie sehr übrigens die Majorität des Abgeordnetenhauses geneigt ist, selbst
Kulturkampsbeschwerden, wenn sie sachlich vorgetragen werden, auch sachlich zu
behandeln, bewies die Debatte über einen Antrag Reichenspergers, welcher die
Regierung aufforderte, die von dein Oberpräsidenten der Rheinprovinz ans
Grund des Gesetzes über die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln an
die römisch-katholischen Bisthümer u. s. w. angeordnete Beschlagnahme der links¬
rheinischen Pfarrdotalgüter einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen. Die
Frage ist, ob diese Güter Eigenthum des Staates oder der Kirche siud. Von
Seiten der letzteren ist der Rechtsweg beschritten worden; die Regierung ihrer¬
seits aber hat dagegen den Competenzevnflikt erhoben. Dies wurde jedoch auch
von deu uatioualliberalen Rednern mißbilligt, und auf Vorschlag Lasters wurde
der Reichenspergersche Antrag an die Justizcommission verwiesen, damit diese
Prüfe, ob die Anrufung des Competenzgerichtshofes in dieser Angelegenheit nicht
etwa einer Versperruug des Rechtsweges gleichkomme.

Am letzten Tage der Woche kam der Etat der Eisenbahnverwaltimg zur
Discussion. Ein Antrag, die Negierung aufzufordern, die aus Anlaß des Bundes
rathsbefchlusses vom 11. Juni 1874 eingeführten Gütertariferhvhungen im ganzen
Umfange aufzuheben und die desfallsige den Privatbahnen ertheilte Ermächtigung
zurückzuziehen, wurde nach lebhafter Debatte und unter dem Widerstreben des
Händelsministers der Budgetevmmission überwiesen. Man hofft, dadurch auf
die soeben hier zusammentretende Tarifconferenz einen Druck auszuüben. Ob
mit Erfolg, wird sich ja bald genug zeigen. schätzenswert!) ist die Erklä¬
rung des Haudelsministers, daß das Reichseiseubahnprvjekt keineswegs aufge¬
geben sei, sondern nur mit den Schwierigkeiten langwieriger Erhebungen zu
kämpfen habe. —

Auch das Herrenhaus ist am Beginn der Woche endlich in seine Thätig¬
keit eingetreten. An zwei Tagen hatten sensationelle Gegenstünde eine außer¬
gewöhnlich zahlreiche Zuschauerschaft auf die Tribünen gelockt. Das eine
Mal handelte es sich um eine Jnterpellation des Grafen Schulenburg-Beetzen-
dorf wegen des Welfenfonds, das andere Mal um eine Petition der Herren
von Diest und Genossen, den bekannten Eisenbahnuntersuchungsbericht zur
Verhandlung zu bringen. In beiden Fällen war es von den Urhebern auf
eine große Attaque gegen das bestehende Regierungssystem abgesehen, in beiden
Fällen endete der Ansturm überaus kläglich.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/325>, abgerufen am 23.07.2024.