Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Am nächsten Morgen ereilte HcM dasselbe Schicksal, und so waren die zur
Vernichtung der Russen ausgezogenen beiden Heere beseitigt, und Paskewitsch
konnte nach Erzerum, der Hauptstadt Armeniens und dem wichtigsten Orte
der Türkei, aufbrechen, welches sich ihm am 25. Juni mit 150 Geschützen und
reichen Vorräthen an Kriegsbedarf nach kurzem Widerstande ergab.

Ans dem rechten Flügel der Türken hatte der Pascha von Wan mit 19,000
Mann das schwach besetzte Bajasid mehrere Monate vergebens zu nehmen ge¬
sucht. Nach dem Falle von Erzeruiu zog er sich, am Erfolge verzweifelnd,
hinter den Wan-See zurück. Zu Anfang des Juli stand somit den Russen
in Hocharmenien keine feindliche Armee mehr gegenüber, aber eine Anzahl
Gebirgshänptlinge, die hier von ihren Stammburgen der Bevölkerung geboten,
fuhren fort, in ihren schwer zugänglichen Bergen für den Islam gegen die
christlichen Eindringlinge zu kämpfen, und hier erlitten letztere die einzige
Niederlage dieses Feldzuges. General Burtzvff hatte im Westen von Erzerum
mehrere Burgen erobert und endlich auch das mächtige, auf steilem Felsen
über dem Tschorok gelegene Baiburt erstürmt. Um diese Festung wieder zu
gewinnen, zogen von Norden die Lazen heran, während im Süden die Kurden
den Russen zu schassen machten. Der Angriff wurde zurückgeschlagen, und
Paskewitsch brachte den Kurden eine blutige Schlappe bei, worauf er nach
Erzerum zurückkehrte. Nun aber rückte der Pascha von Trapezunt, Osman
Hasnadar Oglu, mit ansehnlicher Streitmacht gegen Burtzoff, der in Baiburt
mit eiuer kleinen Schaar zurückgeblieben war, heran. Der russische General
zog ihm entgegen und nahm in dem von Natur festen Dorfe Charz Stellung,
um die Türken hier zu erwarten und mit blutigen Köpfen nach Hause zu
schicken. Allein er hatte sich verrechnet: die dreimal stärkeren Türken verdrängten
die Russen aus ihrer Position, wobei der General Bnrtzoff ans dem Platze
blieb, Und zwangen sie zum Rückzüge nach Baiburt, worauf die Sieger sich
in der eroberten Stellung befestigten und behaupteten, bis Paskewitsch sie in
einer zwei Tage währenden blutigen Schlacht daraus vertrieb. Einige Tage
vorher hatte der General Hesse dem mächtigen Gebirgshäuptling Tuschig Oglu,
der mit 15,999 Bergmilizen gegen das russische Guriel vorzudringen ver¬
suchte, eine gründliche Niederlage beigebracht, und Paskewitsch wäre bei der
Niedergeschlagenheit und Verzagtheit, die infolge der russischen Siege sich aller
Stämme der Pontischen Gebirge bemächtigt hatte, keinen erheblichen Schwierig¬
keiten begegnet, wenn er gegen Trapezunt vorgerückt wäre. Aber auch
hier machte nun die Politik der weiteren Ausnutzung der errungenen Erfolge
ein Ende.

Sollte nun jetzt oder, was wahrscheinlicher ist, zu Anfang des Frühlings
der Krieg zwischen Rußland und der Türkei ausbrechen, so wird der Kampf


Am nächsten Morgen ereilte HcM dasselbe Schicksal, und so waren die zur
Vernichtung der Russen ausgezogenen beiden Heere beseitigt, und Paskewitsch
konnte nach Erzerum, der Hauptstadt Armeniens und dem wichtigsten Orte
der Türkei, aufbrechen, welches sich ihm am 25. Juni mit 150 Geschützen und
reichen Vorräthen an Kriegsbedarf nach kurzem Widerstande ergab.

Ans dem rechten Flügel der Türken hatte der Pascha von Wan mit 19,000
Mann das schwach besetzte Bajasid mehrere Monate vergebens zu nehmen ge¬
sucht. Nach dem Falle von Erzeruiu zog er sich, am Erfolge verzweifelnd,
hinter den Wan-See zurück. Zu Anfang des Juli stand somit den Russen
in Hocharmenien keine feindliche Armee mehr gegenüber, aber eine Anzahl
Gebirgshänptlinge, die hier von ihren Stammburgen der Bevölkerung geboten,
fuhren fort, in ihren schwer zugänglichen Bergen für den Islam gegen die
christlichen Eindringlinge zu kämpfen, und hier erlitten letztere die einzige
Niederlage dieses Feldzuges. General Burtzvff hatte im Westen von Erzerum
mehrere Burgen erobert und endlich auch das mächtige, auf steilem Felsen
über dem Tschorok gelegene Baiburt erstürmt. Um diese Festung wieder zu
gewinnen, zogen von Norden die Lazen heran, während im Süden die Kurden
den Russen zu schassen machten. Der Angriff wurde zurückgeschlagen, und
Paskewitsch brachte den Kurden eine blutige Schlappe bei, worauf er nach
Erzerum zurückkehrte. Nun aber rückte der Pascha von Trapezunt, Osman
Hasnadar Oglu, mit ansehnlicher Streitmacht gegen Burtzoff, der in Baiburt
mit eiuer kleinen Schaar zurückgeblieben war, heran. Der russische General
zog ihm entgegen und nahm in dem von Natur festen Dorfe Charz Stellung,
um die Türken hier zu erwarten und mit blutigen Köpfen nach Hause zu
schicken. Allein er hatte sich verrechnet: die dreimal stärkeren Türken verdrängten
die Russen aus ihrer Position, wobei der General Bnrtzoff ans dem Platze
blieb, Und zwangen sie zum Rückzüge nach Baiburt, worauf die Sieger sich
in der eroberten Stellung befestigten und behaupteten, bis Paskewitsch sie in
einer zwei Tage währenden blutigen Schlacht daraus vertrieb. Einige Tage
vorher hatte der General Hesse dem mächtigen Gebirgshäuptling Tuschig Oglu,
der mit 15,999 Bergmilizen gegen das russische Guriel vorzudringen ver¬
suchte, eine gründliche Niederlage beigebracht, und Paskewitsch wäre bei der
Niedergeschlagenheit und Verzagtheit, die infolge der russischen Siege sich aller
Stämme der Pontischen Gebirge bemächtigt hatte, keinen erheblichen Schwierig¬
keiten begegnet, wenn er gegen Trapezunt vorgerückt wäre. Aber auch
hier machte nun die Politik der weiteren Ausnutzung der errungenen Erfolge
ein Ende.

Sollte nun jetzt oder, was wahrscheinlicher ist, zu Anfang des Frühlings
der Krieg zwischen Rußland und der Türkei ausbrechen, so wird der Kampf


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137450"/>
          <p xml:id="ID_915" prev="#ID_914"> Am nächsten Morgen ereilte HcM dasselbe Schicksal, und so waren die zur<lb/>
Vernichtung der Russen ausgezogenen beiden Heere beseitigt, und Paskewitsch<lb/>
konnte nach Erzerum, der Hauptstadt Armeniens und dem wichtigsten Orte<lb/>
der Türkei, aufbrechen, welches sich ihm am 25. Juni mit 150 Geschützen und<lb/>
reichen Vorräthen an Kriegsbedarf nach kurzem Widerstande ergab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_916"> Ans dem rechten Flügel der Türken hatte der Pascha von Wan mit 19,000<lb/>
Mann das schwach besetzte Bajasid mehrere Monate vergebens zu nehmen ge¬<lb/>
sucht. Nach dem Falle von Erzeruiu zog er sich, am Erfolge verzweifelnd,<lb/>
hinter den Wan-See zurück. Zu Anfang des Juli stand somit den Russen<lb/>
in Hocharmenien keine feindliche Armee mehr gegenüber, aber eine Anzahl<lb/>
Gebirgshänptlinge, die hier von ihren Stammburgen der Bevölkerung geboten,<lb/>
fuhren fort, in ihren schwer zugänglichen Bergen für den Islam gegen die<lb/>
christlichen Eindringlinge zu kämpfen, und hier erlitten letztere die einzige<lb/>
Niederlage dieses Feldzuges. General Burtzvff hatte im Westen von Erzerum<lb/>
mehrere Burgen erobert und endlich auch das mächtige, auf steilem Felsen<lb/>
über dem Tschorok gelegene Baiburt erstürmt. Um diese Festung wieder zu<lb/>
gewinnen, zogen von Norden die Lazen heran, während im Süden die Kurden<lb/>
den Russen zu schassen machten. Der Angriff wurde zurückgeschlagen, und<lb/>
Paskewitsch brachte den Kurden eine blutige Schlappe bei, worauf er nach<lb/>
Erzerum zurückkehrte. Nun aber rückte der Pascha von Trapezunt, Osman<lb/>
Hasnadar Oglu, mit ansehnlicher Streitmacht gegen Burtzoff, der in Baiburt<lb/>
mit eiuer kleinen Schaar zurückgeblieben war, heran. Der russische General<lb/>
zog ihm entgegen und nahm in dem von Natur festen Dorfe Charz Stellung,<lb/>
um die Türken hier zu erwarten und mit blutigen Köpfen nach Hause zu<lb/>
schicken. Allein er hatte sich verrechnet: die dreimal stärkeren Türken verdrängten<lb/>
die Russen aus ihrer Position, wobei der General Bnrtzoff ans dem Platze<lb/>
blieb, Und zwangen sie zum Rückzüge nach Baiburt, worauf die Sieger sich<lb/>
in der eroberten Stellung befestigten und behaupteten, bis Paskewitsch sie in<lb/>
einer zwei Tage währenden blutigen Schlacht daraus vertrieb. Einige Tage<lb/>
vorher hatte der General Hesse dem mächtigen Gebirgshäuptling Tuschig Oglu,<lb/>
der mit 15,999 Bergmilizen gegen das russische Guriel vorzudringen ver¬<lb/>
suchte, eine gründliche Niederlage beigebracht, und Paskewitsch wäre bei der<lb/>
Niedergeschlagenheit und Verzagtheit, die infolge der russischen Siege sich aller<lb/>
Stämme der Pontischen Gebirge bemächtigt hatte, keinen erheblichen Schwierig¬<lb/>
keiten begegnet, wenn er gegen Trapezunt vorgerückt wäre. Aber auch<lb/>
hier machte nun die Politik der weiteren Ausnutzung der errungenen Erfolge<lb/>
ein Ende.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_917" next="#ID_918"> Sollte nun jetzt oder, was wahrscheinlicher ist, zu Anfang des Frühlings<lb/>
der Krieg zwischen Rußland und der Türkei ausbrechen, so wird der Kampf</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0277] Am nächsten Morgen ereilte HcM dasselbe Schicksal, und so waren die zur Vernichtung der Russen ausgezogenen beiden Heere beseitigt, und Paskewitsch konnte nach Erzerum, der Hauptstadt Armeniens und dem wichtigsten Orte der Türkei, aufbrechen, welches sich ihm am 25. Juni mit 150 Geschützen und reichen Vorräthen an Kriegsbedarf nach kurzem Widerstande ergab. Ans dem rechten Flügel der Türken hatte der Pascha von Wan mit 19,000 Mann das schwach besetzte Bajasid mehrere Monate vergebens zu nehmen ge¬ sucht. Nach dem Falle von Erzeruiu zog er sich, am Erfolge verzweifelnd, hinter den Wan-See zurück. Zu Anfang des Juli stand somit den Russen in Hocharmenien keine feindliche Armee mehr gegenüber, aber eine Anzahl Gebirgshänptlinge, die hier von ihren Stammburgen der Bevölkerung geboten, fuhren fort, in ihren schwer zugänglichen Bergen für den Islam gegen die christlichen Eindringlinge zu kämpfen, und hier erlitten letztere die einzige Niederlage dieses Feldzuges. General Burtzvff hatte im Westen von Erzerum mehrere Burgen erobert und endlich auch das mächtige, auf steilem Felsen über dem Tschorok gelegene Baiburt erstürmt. Um diese Festung wieder zu gewinnen, zogen von Norden die Lazen heran, während im Süden die Kurden den Russen zu schassen machten. Der Angriff wurde zurückgeschlagen, und Paskewitsch brachte den Kurden eine blutige Schlappe bei, worauf er nach Erzerum zurückkehrte. Nun aber rückte der Pascha von Trapezunt, Osman Hasnadar Oglu, mit ansehnlicher Streitmacht gegen Burtzoff, der in Baiburt mit eiuer kleinen Schaar zurückgeblieben war, heran. Der russische General zog ihm entgegen und nahm in dem von Natur festen Dorfe Charz Stellung, um die Türken hier zu erwarten und mit blutigen Köpfen nach Hause zu schicken. Allein er hatte sich verrechnet: die dreimal stärkeren Türken verdrängten die Russen aus ihrer Position, wobei der General Bnrtzoff ans dem Platze blieb, Und zwangen sie zum Rückzüge nach Baiburt, worauf die Sieger sich in der eroberten Stellung befestigten und behaupteten, bis Paskewitsch sie in einer zwei Tage währenden blutigen Schlacht daraus vertrieb. Einige Tage vorher hatte der General Hesse dem mächtigen Gebirgshäuptling Tuschig Oglu, der mit 15,999 Bergmilizen gegen das russische Guriel vorzudringen ver¬ suchte, eine gründliche Niederlage beigebracht, und Paskewitsch wäre bei der Niedergeschlagenheit und Verzagtheit, die infolge der russischen Siege sich aller Stämme der Pontischen Gebirge bemächtigt hatte, keinen erheblichen Schwierig¬ keiten begegnet, wenn er gegen Trapezunt vorgerückt wäre. Aber auch hier machte nun die Politik der weiteren Ausnutzung der errungenen Erfolge ein Ende. Sollte nun jetzt oder, was wahrscheinlicher ist, zu Anfang des Frühlings der Krieg zwischen Rußland und der Türkei ausbrechen, so wird der Kampf

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/277
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/277>, abgerufen am 23.07.2024.