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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Verfügung hatte. Nachdem er eine bedeutende Zahl von Milizen gesammelt,
ließ er Achmed Pascha auf seinem linken Flügel gegen Achalzich und den
Pascha von Wein zu seiner Rechten gegen Bajasid vorgehen, während er selbst
sich von Erzerum aus gegen Kars in Bewegung setzte. Achmed Pascha er¬
schien schon in den ersten Tagen des März vor Achalzich, aber nachdem es
seinen Leuten auf einen Augenblick gelungen war, in die Stadt einzudringen,
wurden sie von der Garnison wieder hinausgetrieben, und der Versuch, die
Festung durch Einschließung auszuhungern, mißlang, da die türkischen Milizen
die Strapatzen des hier noch herrschenden Winters nicht ertrugen, und als einige
russische Regimenter im Kurthale zum Entsatz heranzogen, verließ die ganze
Belagerungsarmee am 15. März ihre Stellungen und stob auseinander. Nicht
besser erging es einem anderen Haufen von Milizen, welcher von Trapezunt
aus in die Provinzen Guriel und Mingrelien einbrechen sollte, und welchem
der General Hesse noch ans türkischem Gebiet eine schwere Schlappe beibrachte.
Dagegen gelang es dem Kjaja (ersten Adjutanten) Sakieh Paschas, einen Theil
der zerstreuten Banden wieder zu sammeln und sich im Rücken der Russen mit
den Bergvölkern des Kaukasus in Verbindung zu setzen.

Paskewitsch, der Oberbefehlshaber der Russen, verhielt sich in dieser Zeit
in der Defensive, die er auch den unter ihm stehenden Generalen anbefahl, und
sammelte für die Offensive auf der Hochflüche von Tschildir soviel Truppen,
als er zusammenbringen konnte, zu einer beweglichen Colonne.

Ende Mai erhielt dann General Burtzoff den Befehl, gegen den Kjaja
vorzugehen und ihn zurückzuwerfen. Nachdem dies gelungen und Burtzoff sich
mit Paskewitsch vereinigt hatte, rückte dieser mit 14 Jnfanteriebataillonen,
einiger Reiterei und Artillerie und etlichen tausend asiatischen Milizen gegen
das Soghanlik-Gebirge vor, um hier den gegen Kars vordringenden Türken,
die in zwei Colonnen, einer 20,000 Mann starken unter Hakki Pascha und
einer 30,000 Mann zählenden unter dem Seraskier selbst, heranzogen, den
Weg zu verlegen. Am 12. Juni standen Hakki Pascha und Paskewitsch sich
gegenüber, und letzterer wußte jenen durch Scheinmanöver zu täuschen und in
dessen Rücken zu gelangen, wo er sich auf Salichs Colonne werfen wollte.
Wäre Hakki nicht so unfähig und nachlässig gewesen, so hätten die Russen bei
der Ausführung dieses Planes durch Zusammenwirken der beiden türkischen Corps,
die ihnen an Zahl weit überlegen waren, unfehlbar erdrückt werden müssen.
Statt den Russen nachzurücken, entfernte sich Hakki in entgegengesetzter Richtung,
und als uun Paskewitsch das Heer des Seraskiers energisch angriff, erfocht
er bei dem Dorfe Kinli gegen dessen undisciplinirte Kriegerhorden, die sehr bald
in die ärgste Verwirrung geriethen und massenhaft niedergemacht wurden, einen
glänzenden Sieg, der die ganze feindliche Artillerie in seine Hände brachte.


Verfügung hatte. Nachdem er eine bedeutende Zahl von Milizen gesammelt,
ließ er Achmed Pascha auf seinem linken Flügel gegen Achalzich und den
Pascha von Wein zu seiner Rechten gegen Bajasid vorgehen, während er selbst
sich von Erzerum aus gegen Kars in Bewegung setzte. Achmed Pascha er¬
schien schon in den ersten Tagen des März vor Achalzich, aber nachdem es
seinen Leuten auf einen Augenblick gelungen war, in die Stadt einzudringen,
wurden sie von der Garnison wieder hinausgetrieben, und der Versuch, die
Festung durch Einschließung auszuhungern, mißlang, da die türkischen Milizen
die Strapatzen des hier noch herrschenden Winters nicht ertrugen, und als einige
russische Regimenter im Kurthale zum Entsatz heranzogen, verließ die ganze
Belagerungsarmee am 15. März ihre Stellungen und stob auseinander. Nicht
besser erging es einem anderen Haufen von Milizen, welcher von Trapezunt
aus in die Provinzen Guriel und Mingrelien einbrechen sollte, und welchem
der General Hesse noch ans türkischem Gebiet eine schwere Schlappe beibrachte.
Dagegen gelang es dem Kjaja (ersten Adjutanten) Sakieh Paschas, einen Theil
der zerstreuten Banden wieder zu sammeln und sich im Rücken der Russen mit
den Bergvölkern des Kaukasus in Verbindung zu setzen.

Paskewitsch, der Oberbefehlshaber der Russen, verhielt sich in dieser Zeit
in der Defensive, die er auch den unter ihm stehenden Generalen anbefahl, und
sammelte für die Offensive auf der Hochflüche von Tschildir soviel Truppen,
als er zusammenbringen konnte, zu einer beweglichen Colonne.

Ende Mai erhielt dann General Burtzoff den Befehl, gegen den Kjaja
vorzugehen und ihn zurückzuwerfen. Nachdem dies gelungen und Burtzoff sich
mit Paskewitsch vereinigt hatte, rückte dieser mit 14 Jnfanteriebataillonen,
einiger Reiterei und Artillerie und etlichen tausend asiatischen Milizen gegen
das Soghanlik-Gebirge vor, um hier den gegen Kars vordringenden Türken,
die in zwei Colonnen, einer 20,000 Mann starken unter Hakki Pascha und
einer 30,000 Mann zählenden unter dem Seraskier selbst, heranzogen, den
Weg zu verlegen. Am 12. Juni standen Hakki Pascha und Paskewitsch sich
gegenüber, und letzterer wußte jenen durch Scheinmanöver zu täuschen und in
dessen Rücken zu gelangen, wo er sich auf Salichs Colonne werfen wollte.
Wäre Hakki nicht so unfähig und nachlässig gewesen, so hätten die Russen bei
der Ausführung dieses Planes durch Zusammenwirken der beiden türkischen Corps,
die ihnen an Zahl weit überlegen waren, unfehlbar erdrückt werden müssen.
Statt den Russen nachzurücken, entfernte sich Hakki in entgegengesetzter Richtung,
und als uun Paskewitsch das Heer des Seraskiers energisch angriff, erfocht
er bei dem Dorfe Kinli gegen dessen undisciplinirte Kriegerhorden, die sehr bald
in die ärgste Verwirrung geriethen und massenhaft niedergemacht wurden, einen
glänzenden Sieg, der die ganze feindliche Artillerie in seine Hände brachte.


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[0276] Verfügung hatte. Nachdem er eine bedeutende Zahl von Milizen gesammelt, ließ er Achmed Pascha auf seinem linken Flügel gegen Achalzich und den Pascha von Wein zu seiner Rechten gegen Bajasid vorgehen, während er selbst sich von Erzerum aus gegen Kars in Bewegung setzte. Achmed Pascha er¬ schien schon in den ersten Tagen des März vor Achalzich, aber nachdem es seinen Leuten auf einen Augenblick gelungen war, in die Stadt einzudringen, wurden sie von der Garnison wieder hinausgetrieben, und der Versuch, die Festung durch Einschließung auszuhungern, mißlang, da die türkischen Milizen die Strapatzen des hier noch herrschenden Winters nicht ertrugen, und als einige russische Regimenter im Kurthale zum Entsatz heranzogen, verließ die ganze Belagerungsarmee am 15. März ihre Stellungen und stob auseinander. Nicht besser erging es einem anderen Haufen von Milizen, welcher von Trapezunt aus in die Provinzen Guriel und Mingrelien einbrechen sollte, und welchem der General Hesse noch ans türkischem Gebiet eine schwere Schlappe beibrachte. Dagegen gelang es dem Kjaja (ersten Adjutanten) Sakieh Paschas, einen Theil der zerstreuten Banden wieder zu sammeln und sich im Rücken der Russen mit den Bergvölkern des Kaukasus in Verbindung zu setzen. Paskewitsch, der Oberbefehlshaber der Russen, verhielt sich in dieser Zeit in der Defensive, die er auch den unter ihm stehenden Generalen anbefahl, und sammelte für die Offensive auf der Hochflüche von Tschildir soviel Truppen, als er zusammenbringen konnte, zu einer beweglichen Colonne. Ende Mai erhielt dann General Burtzoff den Befehl, gegen den Kjaja vorzugehen und ihn zurückzuwerfen. Nachdem dies gelungen und Burtzoff sich mit Paskewitsch vereinigt hatte, rückte dieser mit 14 Jnfanteriebataillonen, einiger Reiterei und Artillerie und etlichen tausend asiatischen Milizen gegen das Soghanlik-Gebirge vor, um hier den gegen Kars vordringenden Türken, die in zwei Colonnen, einer 20,000 Mann starken unter Hakki Pascha und einer 30,000 Mann zählenden unter dem Seraskier selbst, heranzogen, den Weg zu verlegen. Am 12. Juni standen Hakki Pascha und Paskewitsch sich gegenüber, und letzterer wußte jenen durch Scheinmanöver zu täuschen und in dessen Rücken zu gelangen, wo er sich auf Salichs Colonne werfen wollte. Wäre Hakki nicht so unfähig und nachlässig gewesen, so hätten die Russen bei der Ausführung dieses Planes durch Zusammenwirken der beiden türkischen Corps, die ihnen an Zahl weit überlegen waren, unfehlbar erdrückt werden müssen. Statt den Russen nachzurücken, entfernte sich Hakki in entgegengesetzter Richtung, und als uun Paskewitsch das Heer des Seraskiers energisch angriff, erfocht er bei dem Dorfe Kinli gegen dessen undisciplinirte Kriegerhorden, die sehr bald in die ärgste Verwirrung geriethen und massenhaft niedergemacht wurden, einen glänzenden Sieg, der die ganze feindliche Artillerie in seine Hände brachte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/276>, abgerufen am 23.07.2024.