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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Küstenplatzes Mesembria im Süden des Gebirges, und kurz nachher rückte der
General Roth in die Stadt Burgas an dem nach ihr benannten Golf ein, wo
die Russen, wie oben erwähnt, im Februar schon Sisebolu besetzt hatten, und
wo ihre Schiffe jetzt einen völlig ungeführdeteu Sammelplatz besaßen.

Der russische Oberfeldherr war schon auf dem Kamme des Balkan ange¬
langt, als man in Schumla zu bemerken begann, daß der größere Theil seines
Heeres das Lager vor der Festung verlassen und deu Weitermarsch nach dem
Gebirge angetreten hatte. Sofort schickte Reschid eine starke Abtheilung seiner
besten Truppen zur Verstärkung der Positionen am Kamtschik ab. Auf dem
Wege dahin aber erfuhren die Führer dieses Hülfscorps, die Paschas Ibrahim
und Mehemed, daß sie zu spät kamen, und daß die siegreichen Gegner bereits
in den Pässen des Balkans waren. Sie entschlossen sich daher, über den mehr
östlich liegenden Paß von Nadir Derbend zu gehen, die Stadt Altos zu be¬
setzen und von da aus den Rücken und die eine Flanke der Russen zu beun¬
ruhigen. Allein Diebitsch vereitelte diesen Plan sofort mit energischer Macht¬
entfaltung, indem er alle drei Corps seiner Armee eine Schwenkung nach Altos
hin machen und in Gewaltmärschen auf diesen Ort losrücken ließ. Die Türken
glaubten, als die ersten russischen Regimenter erschienen, es nur mit einem
mäßigen Theile des feindlichen Heeres zu thun zu haben. Sie nahmen in
Folge dessen den Kampf an und trieben Anfangs die Angreifer muthig zurück.
Bald aber erhielten diese Verstärkungen, und zuletzt entwickelte sich vor den
erstaunten türkischen Generalen eine so ungeheuere Uebermacht, daß ihre Leute
mit großem Verlust an Menschen und Heergeräthen in die Stadt zurückge¬
worfen wurden, von wo sie sich in ungeordnet flüchtenden Haufen eilig
über den Kleinen Balkan zu retten suchten.

Diebitsch verfolgte von seinem nunmehrigen Hauptquartier Altos aus
den hier errungenen Erfolg mit Umsicht und Raschheit. Eine Abtheilung seiner
Armee unter dem General Schermetjeff eilte den fliehenden Türken über den
Kleinen Balkan nach der Stadt Karnabad nach, nahm dieselbe ein und unterbrach
dadurch die Verbindung zwischen Schumla und Adrianopel. Andere Truppen
besetzten im Süden die Orte Karabunar und Falls. Endlich wurde, um dem
Großwesir jede Störung der Operationen in Rumelien unmöglich zu machen,
eine zweifache Verteidigungslinie gegen ihn hergestellt: nördlich vom Balkan
rückte Krassowski gegen Eski Stambul vor, um sich quer über die von Schumla
nach Thracien hinabführende Straße aufzustellen, im Süden besetzte Schermet¬
jeff den Landstrich von Karnabad bis Jambolu. Jener hatte bei dieser Ope¬
ration 12,000 Türken unter Chain Pascha gegen sich, den Reschid mit der
Sammlung der bei Altos zersprengten türkischen Corps beauftragt, und der
bei Jamboln Stellung genommen hatte. Krassowski wurde vom Großwesir


Grenzboten I. 1877. 34

Küstenplatzes Mesembria im Süden des Gebirges, und kurz nachher rückte der
General Roth in die Stadt Burgas an dem nach ihr benannten Golf ein, wo
die Russen, wie oben erwähnt, im Februar schon Sisebolu besetzt hatten, und
wo ihre Schiffe jetzt einen völlig ungeführdeteu Sammelplatz besaßen.

Der russische Oberfeldherr war schon auf dem Kamme des Balkan ange¬
langt, als man in Schumla zu bemerken begann, daß der größere Theil seines
Heeres das Lager vor der Festung verlassen und deu Weitermarsch nach dem
Gebirge angetreten hatte. Sofort schickte Reschid eine starke Abtheilung seiner
besten Truppen zur Verstärkung der Positionen am Kamtschik ab. Auf dem
Wege dahin aber erfuhren die Führer dieses Hülfscorps, die Paschas Ibrahim
und Mehemed, daß sie zu spät kamen, und daß die siegreichen Gegner bereits
in den Pässen des Balkans waren. Sie entschlossen sich daher, über den mehr
östlich liegenden Paß von Nadir Derbend zu gehen, die Stadt Altos zu be¬
setzen und von da aus den Rücken und die eine Flanke der Russen zu beun¬
ruhigen. Allein Diebitsch vereitelte diesen Plan sofort mit energischer Macht¬
entfaltung, indem er alle drei Corps seiner Armee eine Schwenkung nach Altos
hin machen und in Gewaltmärschen auf diesen Ort losrücken ließ. Die Türken
glaubten, als die ersten russischen Regimenter erschienen, es nur mit einem
mäßigen Theile des feindlichen Heeres zu thun zu haben. Sie nahmen in
Folge dessen den Kampf an und trieben Anfangs die Angreifer muthig zurück.
Bald aber erhielten diese Verstärkungen, und zuletzt entwickelte sich vor den
erstaunten türkischen Generalen eine so ungeheuere Uebermacht, daß ihre Leute
mit großem Verlust an Menschen und Heergeräthen in die Stadt zurückge¬
worfen wurden, von wo sie sich in ungeordnet flüchtenden Haufen eilig
über den Kleinen Balkan zu retten suchten.

Diebitsch verfolgte von seinem nunmehrigen Hauptquartier Altos aus
den hier errungenen Erfolg mit Umsicht und Raschheit. Eine Abtheilung seiner
Armee unter dem General Schermetjeff eilte den fliehenden Türken über den
Kleinen Balkan nach der Stadt Karnabad nach, nahm dieselbe ein und unterbrach
dadurch die Verbindung zwischen Schumla und Adrianopel. Andere Truppen
besetzten im Süden die Orte Karabunar und Falls. Endlich wurde, um dem
Großwesir jede Störung der Operationen in Rumelien unmöglich zu machen,
eine zweifache Verteidigungslinie gegen ihn hergestellt: nördlich vom Balkan
rückte Krassowski gegen Eski Stambul vor, um sich quer über die von Schumla
nach Thracien hinabführende Straße aufzustellen, im Süden besetzte Schermet¬
jeff den Landstrich von Karnabad bis Jambolu. Jener hatte bei dieser Ope¬
ration 12,000 Türken unter Chain Pascha gegen sich, den Reschid mit der
Sammlung der bei Altos zersprengten türkischen Corps beauftragt, und der
bei Jamboln Stellung genommen hatte. Krassowski wurde vom Großwesir


Grenzboten I. 1877. 34
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[0273] Küstenplatzes Mesembria im Süden des Gebirges, und kurz nachher rückte der General Roth in die Stadt Burgas an dem nach ihr benannten Golf ein, wo die Russen, wie oben erwähnt, im Februar schon Sisebolu besetzt hatten, und wo ihre Schiffe jetzt einen völlig ungeführdeteu Sammelplatz besaßen. Der russische Oberfeldherr war schon auf dem Kamme des Balkan ange¬ langt, als man in Schumla zu bemerken begann, daß der größere Theil seines Heeres das Lager vor der Festung verlassen und deu Weitermarsch nach dem Gebirge angetreten hatte. Sofort schickte Reschid eine starke Abtheilung seiner besten Truppen zur Verstärkung der Positionen am Kamtschik ab. Auf dem Wege dahin aber erfuhren die Führer dieses Hülfscorps, die Paschas Ibrahim und Mehemed, daß sie zu spät kamen, und daß die siegreichen Gegner bereits in den Pässen des Balkans waren. Sie entschlossen sich daher, über den mehr östlich liegenden Paß von Nadir Derbend zu gehen, die Stadt Altos zu be¬ setzen und von da aus den Rücken und die eine Flanke der Russen zu beun¬ ruhigen. Allein Diebitsch vereitelte diesen Plan sofort mit energischer Macht¬ entfaltung, indem er alle drei Corps seiner Armee eine Schwenkung nach Altos hin machen und in Gewaltmärschen auf diesen Ort losrücken ließ. Die Türken glaubten, als die ersten russischen Regimenter erschienen, es nur mit einem mäßigen Theile des feindlichen Heeres zu thun zu haben. Sie nahmen in Folge dessen den Kampf an und trieben Anfangs die Angreifer muthig zurück. Bald aber erhielten diese Verstärkungen, und zuletzt entwickelte sich vor den erstaunten türkischen Generalen eine so ungeheuere Uebermacht, daß ihre Leute mit großem Verlust an Menschen und Heergeräthen in die Stadt zurückge¬ worfen wurden, von wo sie sich in ungeordnet flüchtenden Haufen eilig über den Kleinen Balkan zu retten suchten. Diebitsch verfolgte von seinem nunmehrigen Hauptquartier Altos aus den hier errungenen Erfolg mit Umsicht und Raschheit. Eine Abtheilung seiner Armee unter dem General Schermetjeff eilte den fliehenden Türken über den Kleinen Balkan nach der Stadt Karnabad nach, nahm dieselbe ein und unterbrach dadurch die Verbindung zwischen Schumla und Adrianopel. Andere Truppen besetzten im Süden die Orte Karabunar und Falls. Endlich wurde, um dem Großwesir jede Störung der Operationen in Rumelien unmöglich zu machen, eine zweifache Verteidigungslinie gegen ihn hergestellt: nördlich vom Balkan rückte Krassowski gegen Eski Stambul vor, um sich quer über die von Schumla nach Thracien hinabführende Straße aufzustellen, im Süden besetzte Schermet¬ jeff den Landstrich von Karnabad bis Jambolu. Jener hatte bei dieser Ope¬ ration 12,000 Türken unter Chain Pascha gegen sich, den Reschid mit der Sammlung der bei Altos zersprengten türkischen Corps beauftragt, und der bei Jamboln Stellung genommen hatte. Krassowski wurde vom Großwesir Grenzboten I. 1877. 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/273>, abgerufen am 23.07.2024.