Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Dorfes Marasch, wo er seine gelichteten Colonnen wieder ordnen konnte.
Indeß die Russen folgten ihm auf dem Fuße, und infolge ihres raschen Nach-
drüngens und des Umstandes, daß inmitten der Türken ein Munitionskarren
Feuer fing und aufflog, artete der Rückzug in regellose Flucht aus, bei der
5)6 Geschütze und ein großer Theil des Gepäcks der türkischen Armee eine
Beute der Sieger wurden. Zu der von Diebitsch beabsichtigte!! völligen Ver¬
nichtung des Gegners jedoch kam es nicht, da die Versperrnng der Pässe durch
stehen gebliebene Fuhrwerke nur eine langsame Verfolgung erlaubte; vielmehr
gelang es der Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart Reschids, sein Heer ohne
großen Verlust an Leuten und in leidlicher Verfassung nach Schumla zurück¬
zubringen. Dagegen war die moralische Kraft der Türken durch den bei Ku-
lektsche empfangenen Schlag wesentlich geschwächt worden, und mit ihren Hoff¬
nungen auf Sieg über den übermächtigen Feind war es zu Ende.

Unmittelbar nach der Niederlage des türkischen Heeres knüpfte Diebitsch
durch Entsendung des Staatsraths Fonton mit dem Großwesir Friedens-
unterhandlungen an, und dieser ging darauf ein. Es war dein russischen Ober¬
feldherrn jedoch mit seinen Vorschlägen nicht Ernst, dieselben sollten die Gegner
lediglich in falsche Sicherheit einlullen und zur Unthütigkeit veranlassen, während
Diebitsch seine Operationon energisch fortsetzte. Er rückte vor Schumla und
nahm vor der Festung eine Stellung ein, in welcher er deren südliche und
östliche Umgebung beobachten und zugleich das Corps unterstütze,: konnte,
welches unter dem General Krassowski zur Belagerung Silistrias zurückgeblieben
war. Nachdem dieses Verstärkungen erhalten hatte, nahmen die Belagerungs¬
arbeiten raschen Fortgang. Schon um die Mitte des Juni war die dritte
Parallele vollendet, und bald hatten die russischen Geschütze die türkischen Ka¬
nonen zum Schweigen gebracht und die Vertheidiger der Feste auf bloßes Ge¬
wehrfeuer beschränkt. Zu Ende des Monats aber warf eine russische Mine
eine so große Strecke des Hauptwalls nieder, daß der Commandant, der auf
keine Unterstützung von Schumla her zu hoffen hatte, sich gegen freien Abzug
zur Capitulation erbot. Krassowski ging darauf nicht ein, sondern traf An¬
stalten zum Sturm, und daraufhin ergaben sich die Türken, noch etwa 7000
Mann stark, zu Kriegsgefangenen und lieferten den Siegern auch ihre bei Si-
listria aukernde Donanflotille aus.

Bis auf einige unbedeutende Plätze höher stromaufwärts und das starke
Schumla befand sich jetzt ganz Ostbulgarien in den Händen der Russen, und
Diebitsch hatte jetzt zu wählen, ob er an eine Belagerung der letztgenannten
Festung gehen oder dieselbe von einem Theil seiner Truppen beobachtet rechts
liegen lassen und mit der inzwischen durch Krassowskis Corps verstärkten Haupt¬
armee durch die Pässe des Balkan in die Ebene Rumeliens vordringen sollte.


Dorfes Marasch, wo er seine gelichteten Colonnen wieder ordnen konnte.
Indeß die Russen folgten ihm auf dem Fuße, und infolge ihres raschen Nach-
drüngens und des Umstandes, daß inmitten der Türken ein Munitionskarren
Feuer fing und aufflog, artete der Rückzug in regellose Flucht aus, bei der
5)6 Geschütze und ein großer Theil des Gepäcks der türkischen Armee eine
Beute der Sieger wurden. Zu der von Diebitsch beabsichtigte!! völligen Ver¬
nichtung des Gegners jedoch kam es nicht, da die Versperrnng der Pässe durch
stehen gebliebene Fuhrwerke nur eine langsame Verfolgung erlaubte; vielmehr
gelang es der Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart Reschids, sein Heer ohne
großen Verlust an Leuten und in leidlicher Verfassung nach Schumla zurück¬
zubringen. Dagegen war die moralische Kraft der Türken durch den bei Ku-
lektsche empfangenen Schlag wesentlich geschwächt worden, und mit ihren Hoff¬
nungen auf Sieg über den übermächtigen Feind war es zu Ende.

Unmittelbar nach der Niederlage des türkischen Heeres knüpfte Diebitsch
durch Entsendung des Staatsraths Fonton mit dem Großwesir Friedens-
unterhandlungen an, und dieser ging darauf ein. Es war dein russischen Ober¬
feldherrn jedoch mit seinen Vorschlägen nicht Ernst, dieselben sollten die Gegner
lediglich in falsche Sicherheit einlullen und zur Unthütigkeit veranlassen, während
Diebitsch seine Operationon energisch fortsetzte. Er rückte vor Schumla und
nahm vor der Festung eine Stellung ein, in welcher er deren südliche und
östliche Umgebung beobachten und zugleich das Corps unterstütze,: konnte,
welches unter dem General Krassowski zur Belagerung Silistrias zurückgeblieben
war. Nachdem dieses Verstärkungen erhalten hatte, nahmen die Belagerungs¬
arbeiten raschen Fortgang. Schon um die Mitte des Juni war die dritte
Parallele vollendet, und bald hatten die russischen Geschütze die türkischen Ka¬
nonen zum Schweigen gebracht und die Vertheidiger der Feste auf bloßes Ge¬
wehrfeuer beschränkt. Zu Ende des Monats aber warf eine russische Mine
eine so große Strecke des Hauptwalls nieder, daß der Commandant, der auf
keine Unterstützung von Schumla her zu hoffen hatte, sich gegen freien Abzug
zur Capitulation erbot. Krassowski ging darauf nicht ein, sondern traf An¬
stalten zum Sturm, und daraufhin ergaben sich die Türken, noch etwa 7000
Mann stark, zu Kriegsgefangenen und lieferten den Siegern auch ihre bei Si-
listria aukernde Donanflotille aus.

Bis auf einige unbedeutende Plätze höher stromaufwärts und das starke
Schumla befand sich jetzt ganz Ostbulgarien in den Händen der Russen, und
Diebitsch hatte jetzt zu wählen, ob er an eine Belagerung der letztgenannten
Festung gehen oder dieselbe von einem Theil seiner Truppen beobachtet rechts
liegen lassen und mit der inzwischen durch Krassowskis Corps verstärkten Haupt¬
armee durch die Pässe des Balkan in die Ebene Rumeliens vordringen sollte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137444"/>
          <p xml:id="ID_897" prev="#ID_896"> Dorfes Marasch, wo er seine gelichteten Colonnen wieder ordnen konnte.<lb/>
Indeß die Russen folgten ihm auf dem Fuße, und infolge ihres raschen Nach-<lb/>
drüngens und des Umstandes, daß inmitten der Türken ein Munitionskarren<lb/>
Feuer fing und aufflog, artete der Rückzug in regellose Flucht aus, bei der<lb/>
5)6 Geschütze und ein großer Theil des Gepäcks der türkischen Armee eine<lb/>
Beute der Sieger wurden. Zu der von Diebitsch beabsichtigte!! völligen Ver¬<lb/>
nichtung des Gegners jedoch kam es nicht, da die Versperrnng der Pässe durch<lb/>
stehen gebliebene Fuhrwerke nur eine langsame Verfolgung erlaubte; vielmehr<lb/>
gelang es der Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart Reschids, sein Heer ohne<lb/>
großen Verlust an Leuten und in leidlicher Verfassung nach Schumla zurück¬<lb/>
zubringen. Dagegen war die moralische Kraft der Türken durch den bei Ku-<lb/>
lektsche empfangenen Schlag wesentlich geschwächt worden, und mit ihren Hoff¬<lb/>
nungen auf Sieg über den übermächtigen Feind war es zu Ende.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_898"> Unmittelbar nach der Niederlage des türkischen Heeres knüpfte Diebitsch<lb/>
durch Entsendung des Staatsraths Fonton mit dem Großwesir Friedens-<lb/>
unterhandlungen an, und dieser ging darauf ein. Es war dein russischen Ober¬<lb/>
feldherrn jedoch mit seinen Vorschlägen nicht Ernst, dieselben sollten die Gegner<lb/>
lediglich in falsche Sicherheit einlullen und zur Unthütigkeit veranlassen, während<lb/>
Diebitsch seine Operationon energisch fortsetzte. Er rückte vor Schumla und<lb/>
nahm vor der Festung eine Stellung ein, in welcher er deren südliche und<lb/>
östliche Umgebung beobachten und zugleich das Corps unterstütze,: konnte,<lb/>
welches unter dem General Krassowski zur Belagerung Silistrias zurückgeblieben<lb/>
war. Nachdem dieses Verstärkungen erhalten hatte, nahmen die Belagerungs¬<lb/>
arbeiten raschen Fortgang. Schon um die Mitte des Juni war die dritte<lb/>
Parallele vollendet, und bald hatten die russischen Geschütze die türkischen Ka¬<lb/>
nonen zum Schweigen gebracht und die Vertheidiger der Feste auf bloßes Ge¬<lb/>
wehrfeuer beschränkt. Zu Ende des Monats aber warf eine russische Mine<lb/>
eine so große Strecke des Hauptwalls nieder, daß der Commandant, der auf<lb/>
keine Unterstützung von Schumla her zu hoffen hatte, sich gegen freien Abzug<lb/>
zur Capitulation erbot. Krassowski ging darauf nicht ein, sondern traf An¬<lb/>
stalten zum Sturm, und daraufhin ergaben sich die Türken, noch etwa 7000<lb/>
Mann stark, zu Kriegsgefangenen und lieferten den Siegern auch ihre bei Si-<lb/>
listria aukernde Donanflotille aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_899" next="#ID_900"> Bis auf einige unbedeutende Plätze höher stromaufwärts und das starke<lb/>
Schumla befand sich jetzt ganz Ostbulgarien in den Händen der Russen, und<lb/>
Diebitsch hatte jetzt zu wählen, ob er an eine Belagerung der letztgenannten<lb/>
Festung gehen oder dieselbe von einem Theil seiner Truppen beobachtet rechts<lb/>
liegen lassen und mit der inzwischen durch Krassowskis Corps verstärkten Haupt¬<lb/>
armee durch die Pässe des Balkan in die Ebene Rumeliens vordringen sollte.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0271] Dorfes Marasch, wo er seine gelichteten Colonnen wieder ordnen konnte. Indeß die Russen folgten ihm auf dem Fuße, und infolge ihres raschen Nach- drüngens und des Umstandes, daß inmitten der Türken ein Munitionskarren Feuer fing und aufflog, artete der Rückzug in regellose Flucht aus, bei der 5)6 Geschütze und ein großer Theil des Gepäcks der türkischen Armee eine Beute der Sieger wurden. Zu der von Diebitsch beabsichtigte!! völligen Ver¬ nichtung des Gegners jedoch kam es nicht, da die Versperrnng der Pässe durch stehen gebliebene Fuhrwerke nur eine langsame Verfolgung erlaubte; vielmehr gelang es der Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart Reschids, sein Heer ohne großen Verlust an Leuten und in leidlicher Verfassung nach Schumla zurück¬ zubringen. Dagegen war die moralische Kraft der Türken durch den bei Ku- lektsche empfangenen Schlag wesentlich geschwächt worden, und mit ihren Hoff¬ nungen auf Sieg über den übermächtigen Feind war es zu Ende. Unmittelbar nach der Niederlage des türkischen Heeres knüpfte Diebitsch durch Entsendung des Staatsraths Fonton mit dem Großwesir Friedens- unterhandlungen an, und dieser ging darauf ein. Es war dein russischen Ober¬ feldherrn jedoch mit seinen Vorschlägen nicht Ernst, dieselben sollten die Gegner lediglich in falsche Sicherheit einlullen und zur Unthütigkeit veranlassen, während Diebitsch seine Operationon energisch fortsetzte. Er rückte vor Schumla und nahm vor der Festung eine Stellung ein, in welcher er deren südliche und östliche Umgebung beobachten und zugleich das Corps unterstütze,: konnte, welches unter dem General Krassowski zur Belagerung Silistrias zurückgeblieben war. Nachdem dieses Verstärkungen erhalten hatte, nahmen die Belagerungs¬ arbeiten raschen Fortgang. Schon um die Mitte des Juni war die dritte Parallele vollendet, und bald hatten die russischen Geschütze die türkischen Ka¬ nonen zum Schweigen gebracht und die Vertheidiger der Feste auf bloßes Ge¬ wehrfeuer beschränkt. Zu Ende des Monats aber warf eine russische Mine eine so große Strecke des Hauptwalls nieder, daß der Commandant, der auf keine Unterstützung von Schumla her zu hoffen hatte, sich gegen freien Abzug zur Capitulation erbot. Krassowski ging darauf nicht ein, sondern traf An¬ stalten zum Sturm, und daraufhin ergaben sich die Türken, noch etwa 7000 Mann stark, zu Kriegsgefangenen und lieferten den Siegern auch ihre bei Si- listria aukernde Donanflotille aus. Bis auf einige unbedeutende Plätze höher stromaufwärts und das starke Schumla befand sich jetzt ganz Ostbulgarien in den Händen der Russen, und Diebitsch hatte jetzt zu wählen, ob er an eine Belagerung der letztgenannten Festung gehen oder dieselbe von einem Theil seiner Truppen beobachtet rechts liegen lassen und mit der inzwischen durch Krassowskis Corps verstärkten Haupt¬ armee durch die Pässe des Balkan in die Ebene Rumeliens vordringen sollte.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/271
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/271>, abgerufen am 23.07.2024.