Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

drücken wußte, daß die Ultramontanen mit wahrer Begeisterung geschlossen für
ihn stimmten. Der Reichstagssitz wurde nicht erlangt, und -- die Chancen
für den Ministerpräsidentenposten haben sich in Folge all des Vorgefallenen
wohl auch nicht günstiger gestaltet.


Hr.


Der vorletzte russisch-türkische Krieg.
2. Im Jahre 1829.

Von beiden Seiten wurde während des Winters von 1828 zu 1829 eifrig
gerüstet. Der Kaiser Nikolaus brachte das gegen die Türken bestimmte Heer
auf 160,000 Mann, vermehrte die Cavallerie und Artillerie beträchtlich, stellte
an die Spitze der Truppen den geschickten General Diebitsch und verzichtete,
um dessen Dispositionen nicht zu stören, auf persönliche Betheiligung am Feld¬
zuge. Von großer Bedeutung war endlich, daß die Operationen der Russen
diesmal gleich Anfangs durch ihre flotte unterstützt werden konnten. Daß Jzzet
Pascha, der als nunmehriger Großwesir an der Spitze der türkischen Krieg¬
führung stand und sein Hauptquartier zu Altos hatte, die hierdurch bewirkte
Veränderung der Lage nicht erkannte, war verhängnißvoll. Ueberzeugt, daß der
Angriff sich wieder aus die Balkanpüsse richten werde, nahm Jzzet seine Stellung
so, daß der Balkan mit Altos zur Rechten und Schumla zur Linken seine
Hauptvertheidigungslinie war und die Donaufestungen Widdin, Rustschnk und
Silistria seine Vorhut bildeten, während er in der Hauptstadt des Reiches seiue
Reserve hatte. Die Küste blieb unvertheidigt, und so geschah es, daß in den
ersten Tagen des Februar schon eine russische Flotte in den südlich vom Bal¬
kan gelegenen Meerbusen von Burgas einlaufen und sich der den Eingang in
diesen schützenden Festungen Sisebolu und Achjolu bemächtigen konnte, womit
den Russen die Möglichkeit gegeben war, im Rücken der türkischen Armee auf¬
zutreten und sie in der Flanke zu fassen. Daraufhin erfolgte die Absetzung
Jzzets, an dessen Stelle Reschid Pascha trat, der sich im Kriege mit den
Griechen ausgezeichnet hatte. Ein Versuch Hussein Paschas, Sisebolu wieder
zu erobern, wurde von den Russen blutig zurückgewiesen.

Um die Mitte des April verließ die russische Armee ihre Winterquartiere,
ging bei Hirsowa über die Donau und sammelte sich im Laufe des Monats
in einem bei Tschernawoda aufgeschlagenen Lager, wo man dann die Belage¬
rung Silistrias vorbereitete. Am 13. Mai brach Diebitsch mit einem Theile


drücken wußte, daß die Ultramontanen mit wahrer Begeisterung geschlossen für
ihn stimmten. Der Reichstagssitz wurde nicht erlangt, und — die Chancen
für den Ministerpräsidentenposten haben sich in Folge all des Vorgefallenen
wohl auch nicht günstiger gestaltet.


Hr.


Der vorletzte russisch-türkische Krieg.
2. Im Jahre 1829.

Von beiden Seiten wurde während des Winters von 1828 zu 1829 eifrig
gerüstet. Der Kaiser Nikolaus brachte das gegen die Türken bestimmte Heer
auf 160,000 Mann, vermehrte die Cavallerie und Artillerie beträchtlich, stellte
an die Spitze der Truppen den geschickten General Diebitsch und verzichtete,
um dessen Dispositionen nicht zu stören, auf persönliche Betheiligung am Feld¬
zuge. Von großer Bedeutung war endlich, daß die Operationen der Russen
diesmal gleich Anfangs durch ihre flotte unterstützt werden konnten. Daß Jzzet
Pascha, der als nunmehriger Großwesir an der Spitze der türkischen Krieg¬
führung stand und sein Hauptquartier zu Altos hatte, die hierdurch bewirkte
Veränderung der Lage nicht erkannte, war verhängnißvoll. Ueberzeugt, daß der
Angriff sich wieder aus die Balkanpüsse richten werde, nahm Jzzet seine Stellung
so, daß der Balkan mit Altos zur Rechten und Schumla zur Linken seine
Hauptvertheidigungslinie war und die Donaufestungen Widdin, Rustschnk und
Silistria seine Vorhut bildeten, während er in der Hauptstadt des Reiches seiue
Reserve hatte. Die Küste blieb unvertheidigt, und so geschah es, daß in den
ersten Tagen des Februar schon eine russische Flotte in den südlich vom Bal¬
kan gelegenen Meerbusen von Burgas einlaufen und sich der den Eingang in
diesen schützenden Festungen Sisebolu und Achjolu bemächtigen konnte, womit
den Russen die Möglichkeit gegeben war, im Rücken der türkischen Armee auf¬
zutreten und sie in der Flanke zu fassen. Daraufhin erfolgte die Absetzung
Jzzets, an dessen Stelle Reschid Pascha trat, der sich im Kriege mit den
Griechen ausgezeichnet hatte. Ein Versuch Hussein Paschas, Sisebolu wieder
zu erobern, wurde von den Russen blutig zurückgewiesen.

Um die Mitte des April verließ die russische Armee ihre Winterquartiere,
ging bei Hirsowa über die Donau und sammelte sich im Laufe des Monats
in einem bei Tschernawoda aufgeschlagenen Lager, wo man dann die Belage¬
rung Silistrias vorbereitete. Am 13. Mai brach Diebitsch mit einem Theile


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137442"/>
          <p xml:id="ID_892" prev="#ID_891"> drücken wußte, daß die Ultramontanen mit wahrer Begeisterung geschlossen für<lb/>
ihn stimmten. Der Reichstagssitz wurde nicht erlangt, und &#x2014; die Chancen<lb/>
für den Ministerpräsidentenposten haben sich in Folge all des Vorgefallenen<lb/>
wohl auch nicht günstiger gestaltet.</p><lb/>
          <note type="byline"> Hr.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der vorletzte russisch-türkische Krieg.<lb/>
2. Im Jahre 1829.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_893"> Von beiden Seiten wurde während des Winters von 1828 zu 1829 eifrig<lb/>
gerüstet. Der Kaiser Nikolaus brachte das gegen die Türken bestimmte Heer<lb/>
auf 160,000 Mann, vermehrte die Cavallerie und Artillerie beträchtlich, stellte<lb/>
an die Spitze der Truppen den geschickten General Diebitsch und verzichtete,<lb/>
um dessen Dispositionen nicht zu stören, auf persönliche Betheiligung am Feld¬<lb/>
zuge. Von großer Bedeutung war endlich, daß die Operationen der Russen<lb/>
diesmal gleich Anfangs durch ihre flotte unterstützt werden konnten. Daß Jzzet<lb/>
Pascha, der als nunmehriger Großwesir an der Spitze der türkischen Krieg¬<lb/>
führung stand und sein Hauptquartier zu Altos hatte, die hierdurch bewirkte<lb/>
Veränderung der Lage nicht erkannte, war verhängnißvoll. Ueberzeugt, daß der<lb/>
Angriff sich wieder aus die Balkanpüsse richten werde, nahm Jzzet seine Stellung<lb/>
so, daß der Balkan mit Altos zur Rechten und Schumla zur Linken seine<lb/>
Hauptvertheidigungslinie war und die Donaufestungen Widdin, Rustschnk und<lb/>
Silistria seine Vorhut bildeten, während er in der Hauptstadt des Reiches seiue<lb/>
Reserve hatte. Die Küste blieb unvertheidigt, und so geschah es, daß in den<lb/>
ersten Tagen des Februar schon eine russische Flotte in den südlich vom Bal¬<lb/>
kan gelegenen Meerbusen von Burgas einlaufen und sich der den Eingang in<lb/>
diesen schützenden Festungen Sisebolu und Achjolu bemächtigen konnte, womit<lb/>
den Russen die Möglichkeit gegeben war, im Rücken der türkischen Armee auf¬<lb/>
zutreten und sie in der Flanke zu fassen. Daraufhin erfolgte die Absetzung<lb/>
Jzzets, an dessen Stelle Reschid Pascha trat, der sich im Kriege mit den<lb/>
Griechen ausgezeichnet hatte. Ein Versuch Hussein Paschas, Sisebolu wieder<lb/>
zu erobern, wurde von den Russen blutig zurückgewiesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_894" next="#ID_895"> Um die Mitte des April verließ die russische Armee ihre Winterquartiere,<lb/>
ging bei Hirsowa über die Donau und sammelte sich im Laufe des Monats<lb/>
in einem bei Tschernawoda aufgeschlagenen Lager, wo man dann die Belage¬<lb/>
rung Silistrias vorbereitete. Am 13. Mai brach Diebitsch mit einem Theile</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0269] drücken wußte, daß die Ultramontanen mit wahrer Begeisterung geschlossen für ihn stimmten. Der Reichstagssitz wurde nicht erlangt, und — die Chancen für den Ministerpräsidentenposten haben sich in Folge all des Vorgefallenen wohl auch nicht günstiger gestaltet. Hr. Der vorletzte russisch-türkische Krieg. 2. Im Jahre 1829. Von beiden Seiten wurde während des Winters von 1828 zu 1829 eifrig gerüstet. Der Kaiser Nikolaus brachte das gegen die Türken bestimmte Heer auf 160,000 Mann, vermehrte die Cavallerie und Artillerie beträchtlich, stellte an die Spitze der Truppen den geschickten General Diebitsch und verzichtete, um dessen Dispositionen nicht zu stören, auf persönliche Betheiligung am Feld¬ zuge. Von großer Bedeutung war endlich, daß die Operationen der Russen diesmal gleich Anfangs durch ihre flotte unterstützt werden konnten. Daß Jzzet Pascha, der als nunmehriger Großwesir an der Spitze der türkischen Krieg¬ führung stand und sein Hauptquartier zu Altos hatte, die hierdurch bewirkte Veränderung der Lage nicht erkannte, war verhängnißvoll. Ueberzeugt, daß der Angriff sich wieder aus die Balkanpüsse richten werde, nahm Jzzet seine Stellung so, daß der Balkan mit Altos zur Rechten und Schumla zur Linken seine Hauptvertheidigungslinie war und die Donaufestungen Widdin, Rustschnk und Silistria seine Vorhut bildeten, während er in der Hauptstadt des Reiches seiue Reserve hatte. Die Küste blieb unvertheidigt, und so geschah es, daß in den ersten Tagen des Februar schon eine russische Flotte in den südlich vom Bal¬ kan gelegenen Meerbusen von Burgas einlaufen und sich der den Eingang in diesen schützenden Festungen Sisebolu und Achjolu bemächtigen konnte, womit den Russen die Möglichkeit gegeben war, im Rücken der türkischen Armee auf¬ zutreten und sie in der Flanke zu fassen. Daraufhin erfolgte die Absetzung Jzzets, an dessen Stelle Reschid Pascha trat, der sich im Kriege mit den Griechen ausgezeichnet hatte. Ein Versuch Hussein Paschas, Sisebolu wieder zu erobern, wurde von den Russen blutig zurückgewiesen. Um die Mitte des April verließ die russische Armee ihre Winterquartiere, ging bei Hirsowa über die Donau und sammelte sich im Laufe des Monats in einem bei Tschernawoda aufgeschlagenen Lager, wo man dann die Belage¬ rung Silistrias vorbereitete. Am 13. Mai brach Diebitsch mit einem Theile

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/269
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/269>, abgerufen am 23.07.2024.