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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Trachtens war mit der im Jahr 1861 erfolgten Creirung des Oberstiftungs¬
raths kein glücklicher Griff gethan. Der Oberstiftnngsrath ist eine staatlich¬
kirchliche Behörde, eingesetzt zur Verwaltung des Jntercalarfvnds und der
übrigen allgemeinen kirchlichen Fonds, sowie zur Führung der Aufsicht über
die Verwaltung der kirchlichen Orts- und Distrietsstiftnngen, der besetzten und
erledigten Pfründen. Er hat aus Katholiken zu bestehen, die zur Hälfte von
der Grvßherzoglichen Regierung, zur Hülste von dem Erzbischof gewählt und
ernannt werden und sämmtlich beiden Theilen genehm sein müssen. Zum
Vorsteher des Kollegiums ist einerseits die Regierung, anderseits das erzbischöf¬
liche Ordinariat solche Männer vorzuschlagen befugt, welche von dem einen
oder andern Theil zur Führung dieses Amtes für geeignet erachtet worden.
Derjenige führt das Amt, der sowohl von dem Erzbischof als von der
Staatsregierung in gegenseitigem EinVerständniß gewählt und ernannt ist.
"Wenn ein mit Staatsdienereigenschaft angestelltes Mitglied oder ein Beamter
des Oberstiftungsraths dem erzbischöflichen Ordinariat oder wenn ein geistliches
Mitglied dieser Stelle der Großherzoglichen Regierung gegründeten Anlaß zur
Unzufriedenheit geben sollte, so wird der betreffende Staatsdiener durch die
Groß herzogliche Regierung, der betreffende Geistliche durch das erzbischöfliche
Ordinariat aus dem Oberstiftungsrath entfernt werden." Daß solche Bestim¬
mungen in den meisten Fällen die weitläufigsten Verhandlungen nöthig machen
und bei dem gegenwärtig zwischen Staat und Kirche bestehenden Verhältniß
oft für Besetzung der Stellen die größten Schwierigkeiten bereiten, ist klar.
Man will in den kürzlich stattgehabten Ernennungen die Spuren eines "Aus¬
gleiches" finden. Wir glauben nicht, daß hier auf Seiten des Staats ein
"Ausgleich" vorliegt in dem Sinn, daß der staatlichen Autorität irgend etwas
vergeben worden wäre. Insbesondere dürfte der neu ernannte Präsident volle
Gewähr bieten, daß er in seinem Amte die Rechte des Staates achtet und
wahrt. Ob die betreffs der gedachten Besetzung mit der Freiburger Curie ge¬
führten Verhandlungen sich auch auf andere Punkte erstreckt haben bezw. er¬
strecken, wie mehrfach behauptet wird, ist nicht klar gestellt. Man spricht von
Verhandlungen, die im Gange seien über die Besetzung des erzbischöflichen
Stuhles, und man will Nüssen, daß insbesondere die deutsche Kaiserin sich leb¬
haft bemühe, bezüglich dieser Frage einen "Ausgleich" herbeizuführen. Man
redet ferner davon, daß eine Vereinbarung bevorstehe über das staatliche
Examen der jungen Theologen, jenes Examen -- über die allgemeine wissen¬
schaftliche Vorbildung --, das der Staat bekanntlich fordert, während die Curie
die Ablegung desselben verbietet, sodaß in Folge dieser Auflehnung gegen das Ge¬
setz die jungen Theologen die Priesterweihe nicht erlangen können und die
seelsorgerlichem Kräfte der Kirche von Tag zu Tag schwinden. Abgesehen da-


Trachtens war mit der im Jahr 1861 erfolgten Creirung des Oberstiftungs¬
raths kein glücklicher Griff gethan. Der Oberstiftnngsrath ist eine staatlich¬
kirchliche Behörde, eingesetzt zur Verwaltung des Jntercalarfvnds und der
übrigen allgemeinen kirchlichen Fonds, sowie zur Führung der Aufsicht über
die Verwaltung der kirchlichen Orts- und Distrietsstiftnngen, der besetzten und
erledigten Pfründen. Er hat aus Katholiken zu bestehen, die zur Hälfte von
der Grvßherzoglichen Regierung, zur Hülste von dem Erzbischof gewählt und
ernannt werden und sämmtlich beiden Theilen genehm sein müssen. Zum
Vorsteher des Kollegiums ist einerseits die Regierung, anderseits das erzbischöf¬
liche Ordinariat solche Männer vorzuschlagen befugt, welche von dem einen
oder andern Theil zur Führung dieses Amtes für geeignet erachtet worden.
Derjenige führt das Amt, der sowohl von dem Erzbischof als von der
Staatsregierung in gegenseitigem EinVerständniß gewählt und ernannt ist.
„Wenn ein mit Staatsdienereigenschaft angestelltes Mitglied oder ein Beamter
des Oberstiftungsraths dem erzbischöflichen Ordinariat oder wenn ein geistliches
Mitglied dieser Stelle der Großherzoglichen Regierung gegründeten Anlaß zur
Unzufriedenheit geben sollte, so wird der betreffende Staatsdiener durch die
Groß herzogliche Regierung, der betreffende Geistliche durch das erzbischöfliche
Ordinariat aus dem Oberstiftungsrath entfernt werden." Daß solche Bestim¬
mungen in den meisten Fällen die weitläufigsten Verhandlungen nöthig machen
und bei dem gegenwärtig zwischen Staat und Kirche bestehenden Verhältniß
oft für Besetzung der Stellen die größten Schwierigkeiten bereiten, ist klar.
Man will in den kürzlich stattgehabten Ernennungen die Spuren eines „Aus¬
gleiches" finden. Wir glauben nicht, daß hier auf Seiten des Staats ein
„Ausgleich" vorliegt in dem Sinn, daß der staatlichen Autorität irgend etwas
vergeben worden wäre. Insbesondere dürfte der neu ernannte Präsident volle
Gewähr bieten, daß er in seinem Amte die Rechte des Staates achtet und
wahrt. Ob die betreffs der gedachten Besetzung mit der Freiburger Curie ge¬
führten Verhandlungen sich auch auf andere Punkte erstreckt haben bezw. er¬
strecken, wie mehrfach behauptet wird, ist nicht klar gestellt. Man spricht von
Verhandlungen, die im Gange seien über die Besetzung des erzbischöflichen
Stuhles, und man will Nüssen, daß insbesondere die deutsche Kaiserin sich leb¬
haft bemühe, bezüglich dieser Frage einen „Ausgleich" herbeizuführen. Man
redet ferner davon, daß eine Vereinbarung bevorstehe über das staatliche
Examen der jungen Theologen, jenes Examen — über die allgemeine wissen¬
schaftliche Vorbildung —, das der Staat bekanntlich fordert, während die Curie
die Ablegung desselben verbietet, sodaß in Folge dieser Auflehnung gegen das Ge¬
setz die jungen Theologen die Priesterweihe nicht erlangen können und die
seelsorgerlichem Kräfte der Kirche von Tag zu Tag schwinden. Abgesehen da-


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[0264] Trachtens war mit der im Jahr 1861 erfolgten Creirung des Oberstiftungs¬ raths kein glücklicher Griff gethan. Der Oberstiftnngsrath ist eine staatlich¬ kirchliche Behörde, eingesetzt zur Verwaltung des Jntercalarfvnds und der übrigen allgemeinen kirchlichen Fonds, sowie zur Führung der Aufsicht über die Verwaltung der kirchlichen Orts- und Distrietsstiftnngen, der besetzten und erledigten Pfründen. Er hat aus Katholiken zu bestehen, die zur Hälfte von der Grvßherzoglichen Regierung, zur Hülste von dem Erzbischof gewählt und ernannt werden und sämmtlich beiden Theilen genehm sein müssen. Zum Vorsteher des Kollegiums ist einerseits die Regierung, anderseits das erzbischöf¬ liche Ordinariat solche Männer vorzuschlagen befugt, welche von dem einen oder andern Theil zur Führung dieses Amtes für geeignet erachtet worden. Derjenige führt das Amt, der sowohl von dem Erzbischof als von der Staatsregierung in gegenseitigem EinVerständniß gewählt und ernannt ist. „Wenn ein mit Staatsdienereigenschaft angestelltes Mitglied oder ein Beamter des Oberstiftungsraths dem erzbischöflichen Ordinariat oder wenn ein geistliches Mitglied dieser Stelle der Großherzoglichen Regierung gegründeten Anlaß zur Unzufriedenheit geben sollte, so wird der betreffende Staatsdiener durch die Groß herzogliche Regierung, der betreffende Geistliche durch das erzbischöfliche Ordinariat aus dem Oberstiftungsrath entfernt werden." Daß solche Bestim¬ mungen in den meisten Fällen die weitläufigsten Verhandlungen nöthig machen und bei dem gegenwärtig zwischen Staat und Kirche bestehenden Verhältniß oft für Besetzung der Stellen die größten Schwierigkeiten bereiten, ist klar. Man will in den kürzlich stattgehabten Ernennungen die Spuren eines „Aus¬ gleiches" finden. Wir glauben nicht, daß hier auf Seiten des Staats ein „Ausgleich" vorliegt in dem Sinn, daß der staatlichen Autorität irgend etwas vergeben worden wäre. Insbesondere dürfte der neu ernannte Präsident volle Gewähr bieten, daß er in seinem Amte die Rechte des Staates achtet und wahrt. Ob die betreffs der gedachten Besetzung mit der Freiburger Curie ge¬ führten Verhandlungen sich auch auf andere Punkte erstreckt haben bezw. er¬ strecken, wie mehrfach behauptet wird, ist nicht klar gestellt. Man spricht von Verhandlungen, die im Gange seien über die Besetzung des erzbischöflichen Stuhles, und man will Nüssen, daß insbesondere die deutsche Kaiserin sich leb¬ haft bemühe, bezüglich dieser Frage einen „Ausgleich" herbeizuführen. Man redet ferner davon, daß eine Vereinbarung bevorstehe über das staatliche Examen der jungen Theologen, jenes Examen — über die allgemeine wissen¬ schaftliche Vorbildung —, das der Staat bekanntlich fordert, während die Curie die Ablegung desselben verbietet, sodaß in Folge dieser Auflehnung gegen das Ge¬ setz die jungen Theologen die Priesterweihe nicht erlangen können und die seelsorgerlichem Kräfte der Kirche von Tag zu Tag schwinden. Abgesehen da-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/264>, abgerufen am 23.07.2024.