Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

durch England fast als englisches Eigenthum betrachtet werden. Der Khedive
ist finanziell fo in englischen Händen, daß wohl darauf gerechnet werden kann,
daß seine Truppen diese Etappe für England festhalten werden. Aden ist
englischer Besitz, steht unter dein General-Gouvernement von Indien und hat
eine Besatzung von 1300 Mann aller Waffen, darunter etwa 500 Eingeborne^).
Der Ausschiffung sHafen Bombay, von dem ein zusammenhängendes
Schienennetz sich über ganz Jndien verbreitet, ist befestigt, und zu seinem be¬
sonderen Schutz sind zwei Monitors dauernd stationirt. Wieviel die eng¬
lische Flotte speziell für Indien disponibel machen kann, wird noch mehr
als die Stärke der Landmacht von der Constellation der politischen Verhältnisse
abhängen. Uebrigens wird eine Flotte nach der Lage des Kriegsschauplatzes
schwerlich direct eingreifen können, wohl aber zur Sicherstellung der Transporte
aus dem Mutterlande und zum Schutze der indischen Küsten unentbehrlich sein.
Gewöhnlich befinden sich elf Schiffe in Indien und an der ostafrikanischen
Küste auf Station.

Kommt es andrerseits nicht zu einem Kriege ans dem indischen Kriegs¬
schauplatze, so fragt es sich, was für Streitkräfte Judien für ein
europäisches Kriegstheater zu stellen vermag. Von den auf ein Mi¬
nimum bemessenen europäischen Truppen wird schwerlich mehr als ein ganz
geringer Theil fortgezogen werden, die eingeborenen Truppen wird man dagegen
großer Zahl auswärts verwenden können. Ihre Leistungsfähigkeit wird
noch fraglicher sein, als im eingebornen Lände, und immerhin wäre es zu be¬
rücksichtigen, daß Regimenter mit überwiegend mohamedanischen Ersatz ans
ewein Orient-Kriege leicht Ideen von einer Zusammengehörigkeit der Moha-
Nedaner, gepaart mit größerem Selbstvertrauen heimbringen könnten, welche
weiterer Verbreitung für die englische Herrschaft vielleicht nicht ohne Gefahr
wären. So ist die augenblickliche Machtstellung Englands in Indien. Blicken
wir zurück, wie England diese Stellung erwarb, so ergiebt sich ein merkwürdiger
Gegensatz gegenüber dem Vorschreiten Rußlands in Asien. Es
gesagt worden, daß gleichsam ein Verhängniß Rußland von Eroberung
Eroberung vorwärts getrieben habe, daß ihm kein Stillstand im Vor¬
wärtsschreiten vergönnt gewesen sei, wenn es seine Grenzen sichern wollte.
Kein zwingendes Motiv, kein Bedürfniß, die eigenen Grenzen zu schützen war
es, wenn England im fernen Indien Besitzungen erwarb und sie erweiterte.
Lediglich der Handel war es vielmehr, der England seine Bahnen vorzcichnete;
so war es auch zuerst nicht die Krone, sondern eine kaufmännische Ge¬
sellschaft, welche von Indien Besitz ergriff. Auch als Indien später Kron-



tro'oA zur ÄombVy-Armee gehörig. -- Auch die Insel Perlen ist britisch.

durch England fast als englisches Eigenthum betrachtet werden. Der Khedive
ist finanziell fo in englischen Händen, daß wohl darauf gerechnet werden kann,
daß seine Truppen diese Etappe für England festhalten werden. Aden ist
englischer Besitz, steht unter dein General-Gouvernement von Indien und hat
eine Besatzung von 1300 Mann aller Waffen, darunter etwa 500 Eingeborne^).
Der Ausschiffung sHafen Bombay, von dem ein zusammenhängendes
Schienennetz sich über ganz Jndien verbreitet, ist befestigt, und zu seinem be¬
sonderen Schutz sind zwei Monitors dauernd stationirt. Wieviel die eng¬
lische Flotte speziell für Indien disponibel machen kann, wird noch mehr
als die Stärke der Landmacht von der Constellation der politischen Verhältnisse
abhängen. Uebrigens wird eine Flotte nach der Lage des Kriegsschauplatzes
schwerlich direct eingreifen können, wohl aber zur Sicherstellung der Transporte
aus dem Mutterlande und zum Schutze der indischen Küsten unentbehrlich sein.
Gewöhnlich befinden sich elf Schiffe in Indien und an der ostafrikanischen
Küste auf Station.

Kommt es andrerseits nicht zu einem Kriege ans dem indischen Kriegs¬
schauplatze, so fragt es sich, was für Streitkräfte Judien für ein
europäisches Kriegstheater zu stellen vermag. Von den auf ein Mi¬
nimum bemessenen europäischen Truppen wird schwerlich mehr als ein ganz
geringer Theil fortgezogen werden, die eingeborenen Truppen wird man dagegen
großer Zahl auswärts verwenden können. Ihre Leistungsfähigkeit wird
noch fraglicher sein, als im eingebornen Lände, und immerhin wäre es zu be¬
rücksichtigen, daß Regimenter mit überwiegend mohamedanischen Ersatz ans
ewein Orient-Kriege leicht Ideen von einer Zusammengehörigkeit der Moha-
Nedaner, gepaart mit größerem Selbstvertrauen heimbringen könnten, welche
weiterer Verbreitung für die englische Herrschaft vielleicht nicht ohne Gefahr
wären. So ist die augenblickliche Machtstellung Englands in Indien. Blicken
wir zurück, wie England diese Stellung erwarb, so ergiebt sich ein merkwürdiger
Gegensatz gegenüber dem Vorschreiten Rußlands in Asien. Es
gesagt worden, daß gleichsam ein Verhängniß Rußland von Eroberung
Eroberung vorwärts getrieben habe, daß ihm kein Stillstand im Vor¬
wärtsschreiten vergönnt gewesen sei, wenn es seine Grenzen sichern wollte.
Kein zwingendes Motiv, kein Bedürfniß, die eigenen Grenzen zu schützen war
es, wenn England im fernen Indien Besitzungen erwarb und sie erweiterte.
Lediglich der Handel war es vielmehr, der England seine Bahnen vorzcichnete;
so war es auch zuerst nicht die Krone, sondern eine kaufmännische Ge¬
sellschaft, welche von Indien Besitz ergriff. Auch als Indien später Kron-



tro'oA zur ÄombVy-Armee gehörig. — Auch die Insel Perlen ist britisch.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0259" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137432"/>
          <p xml:id="ID_872" prev="#ID_871"> durch England fast als englisches Eigenthum betrachtet werden. Der Khedive<lb/>
ist finanziell fo in englischen Händen, daß wohl darauf gerechnet werden kann,<lb/>
daß seine Truppen diese Etappe für England festhalten werden. Aden ist<lb/>
englischer Besitz, steht unter dein General-Gouvernement von Indien und hat<lb/>
eine Besatzung von 1300 Mann aller Waffen, darunter etwa 500 Eingeborne^).<lb/>
Der Ausschiffung sHafen Bombay, von dem ein zusammenhängendes<lb/>
Schienennetz sich über ganz Jndien verbreitet, ist befestigt, und zu seinem be¬<lb/>
sonderen Schutz sind zwei Monitors dauernd stationirt. Wieviel die eng¬<lb/>
lische Flotte speziell für Indien disponibel machen kann, wird noch mehr<lb/>
als die Stärke der Landmacht von der Constellation der politischen Verhältnisse<lb/>
abhängen. Uebrigens wird eine Flotte nach der Lage des Kriegsschauplatzes<lb/>
schwerlich direct eingreifen können, wohl aber zur Sicherstellung der Transporte<lb/>
aus dem Mutterlande und zum Schutze der indischen Küsten unentbehrlich sein.<lb/>
Gewöhnlich befinden sich elf Schiffe in Indien und an der ostafrikanischen<lb/>
Küste auf Station.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_873" next="#ID_874"> Kommt es andrerseits nicht zu einem Kriege ans dem indischen Kriegs¬<lb/>
schauplatze, so fragt es sich, was für Streitkräfte Judien für ein<lb/>
europäisches Kriegstheater zu stellen vermag. Von den auf ein Mi¬<lb/>
nimum bemessenen europäischen Truppen wird schwerlich mehr als ein ganz<lb/>
geringer Theil fortgezogen werden, die eingeborenen Truppen wird man dagegen<lb/>
großer Zahl auswärts verwenden können. Ihre Leistungsfähigkeit wird<lb/>
noch fraglicher sein, als im eingebornen Lände, und immerhin wäre es zu be¬<lb/>
rücksichtigen, daß Regimenter mit überwiegend mohamedanischen Ersatz ans<lb/>
ewein Orient-Kriege leicht Ideen von einer Zusammengehörigkeit der Moha-<lb/>
Nedaner, gepaart mit größerem Selbstvertrauen heimbringen könnten, welche<lb/>
weiterer Verbreitung für die englische Herrschaft vielleicht nicht ohne Gefahr<lb/>
wären. So ist die augenblickliche Machtstellung Englands in Indien. Blicken<lb/>
wir zurück, wie England diese Stellung erwarb, so ergiebt sich ein merkwürdiger<lb/>
Gegensatz gegenüber dem Vorschreiten Rußlands in Asien. Es<lb/>
gesagt worden, daß gleichsam ein Verhängniß Rußland von Eroberung<lb/>
Eroberung vorwärts getrieben habe, daß ihm kein Stillstand im Vor¬<lb/>
wärtsschreiten vergönnt gewesen sei, wenn es seine Grenzen sichern wollte.<lb/>
Kein zwingendes Motiv, kein Bedürfniß, die eigenen Grenzen zu schützen war<lb/>
es, wenn England im fernen Indien Besitzungen erwarb und sie erweiterte.<lb/>
Lediglich der Handel war es vielmehr, der England seine Bahnen vorzcichnete;<lb/>
so war es auch zuerst nicht die Krone, sondern eine kaufmännische Ge¬<lb/>
sellschaft, welche von Indien Besitz ergriff. Auch als Indien später Kron-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_58" place="foot"> tro'oA zur ÄombVy-Armee gehörig. &#x2014; Auch die Insel Perlen ist britisch.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0259] durch England fast als englisches Eigenthum betrachtet werden. Der Khedive ist finanziell fo in englischen Händen, daß wohl darauf gerechnet werden kann, daß seine Truppen diese Etappe für England festhalten werden. Aden ist englischer Besitz, steht unter dein General-Gouvernement von Indien und hat eine Besatzung von 1300 Mann aller Waffen, darunter etwa 500 Eingeborne^). Der Ausschiffung sHafen Bombay, von dem ein zusammenhängendes Schienennetz sich über ganz Jndien verbreitet, ist befestigt, und zu seinem be¬ sonderen Schutz sind zwei Monitors dauernd stationirt. Wieviel die eng¬ lische Flotte speziell für Indien disponibel machen kann, wird noch mehr als die Stärke der Landmacht von der Constellation der politischen Verhältnisse abhängen. Uebrigens wird eine Flotte nach der Lage des Kriegsschauplatzes schwerlich direct eingreifen können, wohl aber zur Sicherstellung der Transporte aus dem Mutterlande und zum Schutze der indischen Küsten unentbehrlich sein. Gewöhnlich befinden sich elf Schiffe in Indien und an der ostafrikanischen Küste auf Station. Kommt es andrerseits nicht zu einem Kriege ans dem indischen Kriegs¬ schauplatze, so fragt es sich, was für Streitkräfte Judien für ein europäisches Kriegstheater zu stellen vermag. Von den auf ein Mi¬ nimum bemessenen europäischen Truppen wird schwerlich mehr als ein ganz geringer Theil fortgezogen werden, die eingeborenen Truppen wird man dagegen großer Zahl auswärts verwenden können. Ihre Leistungsfähigkeit wird noch fraglicher sein, als im eingebornen Lände, und immerhin wäre es zu be¬ rücksichtigen, daß Regimenter mit überwiegend mohamedanischen Ersatz ans ewein Orient-Kriege leicht Ideen von einer Zusammengehörigkeit der Moha- Nedaner, gepaart mit größerem Selbstvertrauen heimbringen könnten, welche weiterer Verbreitung für die englische Herrschaft vielleicht nicht ohne Gefahr wären. So ist die augenblickliche Machtstellung Englands in Indien. Blicken wir zurück, wie England diese Stellung erwarb, so ergiebt sich ein merkwürdiger Gegensatz gegenüber dem Vorschreiten Rußlands in Asien. Es gesagt worden, daß gleichsam ein Verhängniß Rußland von Eroberung Eroberung vorwärts getrieben habe, daß ihm kein Stillstand im Vor¬ wärtsschreiten vergönnt gewesen sei, wenn es seine Grenzen sichern wollte. Kein zwingendes Motiv, kein Bedürfniß, die eigenen Grenzen zu schützen war es, wenn England im fernen Indien Besitzungen erwarb und sie erweiterte. Lediglich der Handel war es vielmehr, der England seine Bahnen vorzcichnete; so war es auch zuerst nicht die Krone, sondern eine kaufmännische Ge¬ sellschaft, welche von Indien Besitz ergriff. Auch als Indien später Kron- tro'oA zur ÄombVy-Armee gehörig. — Auch die Insel Perlen ist britisch.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/259
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/259>, abgerufen am 23.07.2024.