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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Stärke Englands diesen einheimischen Fürsten und Staaten gegenüber liegt in
der Gemeinsamkeit der Interessen, indem im innigsten Anschluß an England
die größte materielle Wohlfahrt für Fürsten und Land zu finden ist, mehr
aber noch in der Leichtigkeit, diese Staaten im Falle der Noth gegen einander
zu gebrauchen, und in dein Umstände, daß die Einwirkung eines äußeren Fein¬
des wohl einzelne, schwerlich aber alle dieser Staaten zum Aufstande bringen
wird. Der große Geschichtsschreiber Macaulay präeisirt sein Urtheil über die
Machtstellung Englands in Jndien dahin, daß er sagt, als er seinen Fuß auf
indischen Boden gesetzt habe, habe er die Ueberzeugung empfangen, daß die
Herrschaft der Engländer lediglich auf dem Prestige beruhe, ein Volk von
Kriegern zu fein.

Ebensowenig wie England gegen die in sein Territorium eingeschlossenen
Staaten erobernd vorgeht, ebensowenig geschieht dies nach anßen hin.

In der Betrachtung der Beziehungen der indischen Regierung
zu den benachbarten Staaten von Osten anfangend, spricht sich das
letzte Blaubuch günstig über die freundschaftlichen Beziehungen zu Siam und
Burma aus. England gewinnt hier, wie überall, auf friedlichem Wege mehr
und mehr Einfluß und eröffnet sich Handels-Verbindungen.

Im Anfang des Jahres -1875 gelang es dem englischen Minister in
Siam, die entzweiten beiden Könige zu versöhnen, und in den Jahren 1871
-- 1872 war es der politische Agent Englands, der es dnrch Vorstellungen
vermochte, den Herrscher von Barma zur Aufgabe thörichter Finanz-Ma߬
regeln zu bewegen, welche sein Land bereits an den Rand des Verderbens
gebracht hatten. Allerdings hat dieser Herrscher jetzt den Kaiser von China
zu seinem Protektor erklärt. Auch das Verhältniß zu den rKuberis chenBergstäm-
menimNordostenundNorden besserte sich, indem England theils Repressalien
übte, theils andere Stämme dazwischen zum Schutz ansiedelte, theils Besatzungen
in befestigte wichtige Punkte legte. Jetzt geht das Streben dahin, von Assum,
der nordöstlichsten englischen Provinz, eiuen Handels weg nach China zu
eröffnen. Im letzten Herbst haben sich durch den Vertrag von Tschifu^)
die Handelsbeziehungen zu China wesentlich günstiger gestaltet, als bisher.
Der Grenz - Verkehr und der Zoll für den Handel zwischen Britisch-Barma
und der chinesischem Provinz Jünnan sind fest geregelt, und neue Häfen wurden
England erschlossen. Von großer Wirkung ans den Abschluß der Verhandlungen our
wohl die Bereitschaft eines Geschwaders und eines Landungs-Corps von angeblich
20,900 Mann in Indien. Mit den benachbarten Bergvölkern desHima-



s") Vngl. Kölnische Zeitung v. Is. 12. 70., X. Bl.

Stärke Englands diesen einheimischen Fürsten und Staaten gegenüber liegt in
der Gemeinsamkeit der Interessen, indem im innigsten Anschluß an England
die größte materielle Wohlfahrt für Fürsten und Land zu finden ist, mehr
aber noch in der Leichtigkeit, diese Staaten im Falle der Noth gegen einander
zu gebrauchen, und in dein Umstände, daß die Einwirkung eines äußeren Fein¬
des wohl einzelne, schwerlich aber alle dieser Staaten zum Aufstande bringen
wird. Der große Geschichtsschreiber Macaulay präeisirt sein Urtheil über die
Machtstellung Englands in Jndien dahin, daß er sagt, als er seinen Fuß auf
indischen Boden gesetzt habe, habe er die Ueberzeugung empfangen, daß die
Herrschaft der Engländer lediglich auf dem Prestige beruhe, ein Volk von
Kriegern zu fein.

Ebensowenig wie England gegen die in sein Territorium eingeschlossenen
Staaten erobernd vorgeht, ebensowenig geschieht dies nach anßen hin.

In der Betrachtung der Beziehungen der indischen Regierung
zu den benachbarten Staaten von Osten anfangend, spricht sich das
letzte Blaubuch günstig über die freundschaftlichen Beziehungen zu Siam und
Burma aus. England gewinnt hier, wie überall, auf friedlichem Wege mehr
und mehr Einfluß und eröffnet sich Handels-Verbindungen.

Im Anfang des Jahres -1875 gelang es dem englischen Minister in
Siam, die entzweiten beiden Könige zu versöhnen, und in den Jahren 1871
— 1872 war es der politische Agent Englands, der es dnrch Vorstellungen
vermochte, den Herrscher von Barma zur Aufgabe thörichter Finanz-Ma߬
regeln zu bewegen, welche sein Land bereits an den Rand des Verderbens
gebracht hatten. Allerdings hat dieser Herrscher jetzt den Kaiser von China
zu seinem Protektor erklärt. Auch das Verhältniß zu den rKuberis chenBergstäm-
menimNordostenundNorden besserte sich, indem England theils Repressalien
übte, theils andere Stämme dazwischen zum Schutz ansiedelte, theils Besatzungen
in befestigte wichtige Punkte legte. Jetzt geht das Streben dahin, von Assum,
der nordöstlichsten englischen Provinz, eiuen Handels weg nach China zu
eröffnen. Im letzten Herbst haben sich durch den Vertrag von Tschifu^)
die Handelsbeziehungen zu China wesentlich günstiger gestaltet, als bisher.
Der Grenz - Verkehr und der Zoll für den Handel zwischen Britisch-Barma
und der chinesischem Provinz Jünnan sind fest geregelt, und neue Häfen wurden
England erschlossen. Von großer Wirkung ans den Abschluß der Verhandlungen our
wohl die Bereitschaft eines Geschwaders und eines Landungs-Corps von angeblich
20,900 Mann in Indien. Mit den benachbarten Bergvölkern desHima-



s») Vngl. Kölnische Zeitung v. Is. 12. 70., X. Bl.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/254>, abgerufen am 23.07.2024.