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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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selben durch den Emir war die unmittelbare Veranlassung zu dem nunmehr
beginnenden Feldzuge gegen Buchara.

Zum Zwecke der Befreiung der Gefangenen ging der General Tscherniajew
im Januar 1866 gegen Djisak vor. Er ließ sich indeß durch den Emir Mnsa-
far täuschen, und trat auf die bloße Kunde hin, die Gefangenen seien freige¬
geben, den Rückmarsch an. In der That waren die Gefangenen aber nnr
noch in strengere Haft genommen.

Das wenig energische Auftreten Tscherniajews, die Nichterfüllung seines
Zweckes und gar das Zurückgehen mußten zur unmittelbaren Folge haben,
daß der Nimbus der russischen Macht in den Augen der noch ungebeugten
Vucharen auf ein Minimum sank, das Ansehen des Emirs aber sich in dem¬
selben Maße hob und befestigte.

In Petersburg konnte natürlich dieser thatsächliche Endet nur verstimmen:
Tscherniajew sowohl wie Kryschanowski wurden zur Verantwortung gezogen
und ersterer abgerufen. An seine Stelle trat der General Romanowskij.

Dieser traf mit der äußersten Sorgfalt feine Vorbereitungen, erbat und
erhielt Verstärkungen, und begann im Frühjahr 1866 eine energische Offensive.

Von Tschinas aus längs des linken Ufers der Ssyr-darjas vorrückend,
schlug er den Emir Musafar am 8. Mai ans der Ebene Jr-djar. Die Bucharen
gingen in wilder Flucht auf Sfamarkand zurück und ließen den Russen somit
volle Freiheit, entweder ihnen über Djisak auf Sfamarkand zu folgen oder
längs des Ssyr-darja auf Nan und Chodjent zu marschiren. Man wählte
die letztere Richtung, um sich zwischen die Kokanzen und die Bucharen zu
schieben und so ein gemeinsames Operiren derselben zu verhindern und nach
einer 8tägigen Belagerung wurde Chodjent am 24. Mai erstürmt.

Um diese Zeit erschien der Generalgouvemeur von Orenburg Kryscha-
nowskij selbst auf dem Kriegsschauplatze. Er fand, daß die bucharischen
Festungen Djisak und Ura-tjnbe an den Pässen des Kaschgar-Dawan gelegen,
für Rußland von einer zu großen strategischen Wichtigkeit wären, um sie in
dem Besitze Bucharas lassen zu können. Die Operationen wurden in Folge
dessen weiter fortgesetzt. Bereits am 2. October fiel Djisak, am 18. Ura-tjube,
und der Emir Musafar hatte seine letzten Stützpunkte im Thale des Ssyr-darja
verloren.

Der Kaschgar-dawar-Rücken war zu Ende des Jahres 1866 die Süd¬
grenze Rußlands in Mittelasien geworden.

Das Gesandschaftspersonal war mittlerweile in Freiheit gesetzt und der
Endet Tscherniajews vollständig wieder gut gemacht.

Noch aber hatte der Emir von Buchara die Hoffnung auf eine günstige
Wendung der Dinge nicht aufgegeben. Wenn er sich auch vergeblich nach


Gienzbote" l. 1877. 3

selben durch den Emir war die unmittelbare Veranlassung zu dem nunmehr
beginnenden Feldzuge gegen Buchara.

Zum Zwecke der Befreiung der Gefangenen ging der General Tscherniajew
im Januar 1866 gegen Djisak vor. Er ließ sich indeß durch den Emir Mnsa-
far täuschen, und trat auf die bloße Kunde hin, die Gefangenen seien freige¬
geben, den Rückmarsch an. In der That waren die Gefangenen aber nnr
noch in strengere Haft genommen.

Das wenig energische Auftreten Tscherniajews, die Nichterfüllung seines
Zweckes und gar das Zurückgehen mußten zur unmittelbaren Folge haben,
daß der Nimbus der russischen Macht in den Augen der noch ungebeugten
Vucharen auf ein Minimum sank, das Ansehen des Emirs aber sich in dem¬
selben Maße hob und befestigte.

In Petersburg konnte natürlich dieser thatsächliche Endet nur verstimmen:
Tscherniajew sowohl wie Kryschanowski wurden zur Verantwortung gezogen
und ersterer abgerufen. An seine Stelle trat der General Romanowskij.

Dieser traf mit der äußersten Sorgfalt feine Vorbereitungen, erbat und
erhielt Verstärkungen, und begann im Frühjahr 1866 eine energische Offensive.

Von Tschinas aus längs des linken Ufers der Ssyr-darjas vorrückend,
schlug er den Emir Musafar am 8. Mai ans der Ebene Jr-djar. Die Bucharen
gingen in wilder Flucht auf Sfamarkand zurück und ließen den Russen somit
volle Freiheit, entweder ihnen über Djisak auf Sfamarkand zu folgen oder
längs des Ssyr-darja auf Nan und Chodjent zu marschiren. Man wählte
die letztere Richtung, um sich zwischen die Kokanzen und die Bucharen zu
schieben und so ein gemeinsames Operiren derselben zu verhindern und nach
einer 8tägigen Belagerung wurde Chodjent am 24. Mai erstürmt.

Um diese Zeit erschien der Generalgouvemeur von Orenburg Kryscha-
nowskij selbst auf dem Kriegsschauplatze. Er fand, daß die bucharischen
Festungen Djisak und Ura-tjnbe an den Pässen des Kaschgar-Dawan gelegen,
für Rußland von einer zu großen strategischen Wichtigkeit wären, um sie in
dem Besitze Bucharas lassen zu können. Die Operationen wurden in Folge
dessen weiter fortgesetzt. Bereits am 2. October fiel Djisak, am 18. Ura-tjube,
und der Emir Musafar hatte seine letzten Stützpunkte im Thale des Ssyr-darja
verloren.

Der Kaschgar-dawar-Rücken war zu Ende des Jahres 1866 die Süd¬
grenze Rußlands in Mittelasien geworden.

Das Gesandschaftspersonal war mittlerweile in Freiheit gesetzt und der
Endet Tscherniajews vollständig wieder gut gemacht.

Noch aber hatte der Emir von Buchara die Hoffnung auf eine günstige
Wendung der Dinge nicht aufgegeben. Wenn er sich auch vergeblich nach


Gienzbote» l. 1877. 3
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[0025] selben durch den Emir war die unmittelbare Veranlassung zu dem nunmehr beginnenden Feldzuge gegen Buchara. Zum Zwecke der Befreiung der Gefangenen ging der General Tscherniajew im Januar 1866 gegen Djisak vor. Er ließ sich indeß durch den Emir Mnsa- far täuschen, und trat auf die bloße Kunde hin, die Gefangenen seien freige¬ geben, den Rückmarsch an. In der That waren die Gefangenen aber nnr noch in strengere Haft genommen. Das wenig energische Auftreten Tscherniajews, die Nichterfüllung seines Zweckes und gar das Zurückgehen mußten zur unmittelbaren Folge haben, daß der Nimbus der russischen Macht in den Augen der noch ungebeugten Vucharen auf ein Minimum sank, das Ansehen des Emirs aber sich in dem¬ selben Maße hob und befestigte. In Petersburg konnte natürlich dieser thatsächliche Endet nur verstimmen: Tscherniajew sowohl wie Kryschanowski wurden zur Verantwortung gezogen und ersterer abgerufen. An seine Stelle trat der General Romanowskij. Dieser traf mit der äußersten Sorgfalt feine Vorbereitungen, erbat und erhielt Verstärkungen, und begann im Frühjahr 1866 eine energische Offensive. Von Tschinas aus längs des linken Ufers der Ssyr-darjas vorrückend, schlug er den Emir Musafar am 8. Mai ans der Ebene Jr-djar. Die Bucharen gingen in wilder Flucht auf Sfamarkand zurück und ließen den Russen somit volle Freiheit, entweder ihnen über Djisak auf Sfamarkand zu folgen oder längs des Ssyr-darja auf Nan und Chodjent zu marschiren. Man wählte die letztere Richtung, um sich zwischen die Kokanzen und die Bucharen zu schieben und so ein gemeinsames Operiren derselben zu verhindern und nach einer 8tägigen Belagerung wurde Chodjent am 24. Mai erstürmt. Um diese Zeit erschien der Generalgouvemeur von Orenburg Kryscha- nowskij selbst auf dem Kriegsschauplatze. Er fand, daß die bucharischen Festungen Djisak und Ura-tjnbe an den Pässen des Kaschgar-Dawan gelegen, für Rußland von einer zu großen strategischen Wichtigkeit wären, um sie in dem Besitze Bucharas lassen zu können. Die Operationen wurden in Folge dessen weiter fortgesetzt. Bereits am 2. October fiel Djisak, am 18. Ura-tjube, und der Emir Musafar hatte seine letzten Stützpunkte im Thale des Ssyr-darja verloren. Der Kaschgar-dawar-Rücken war zu Ende des Jahres 1866 die Süd¬ grenze Rußlands in Mittelasien geworden. Das Gesandschaftspersonal war mittlerweile in Freiheit gesetzt und der Endet Tscherniajews vollständig wieder gut gemacht. Noch aber hatte der Emir von Buchara die Hoffnung auf eine günstige Wendung der Dinge nicht aufgegeben. Wenn er sich auch vergeblich nach Gienzbote» l. 1877. 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/25>, abgerufen am 23.07.2024.