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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Offizier, bat den Sultan, ihm die Vertheidigung Warnas zu übertragen. Die
Bitte wurde gewährt, nud er ging an der Spitze von 3000 Mann regulärer
Infanterie, denen dann noch 2000 Artilleristen folgten, dahin und gelangte
Angesichts der Russen glücklich in die Stadt, wo er sofort den Oberbefehl
übernahm. Mittlerweile hatte auch das russische Corps vor Warna von Schumla
her einige Verstärkungen erhalten. Aber der Kaiser, der sie in Person dahin
geführt, überzeugte sich bald, daß dieselben nicht genügten, und so begab er
sich ohne Verweilen nach Odessa, um eine bedeutende Abtheilung der Garde¬
truppen nachrücken zu lassen. Ehe dieselben eintreffen konnten, erschien die von
Araya kommende Flotte Greighs mit Verstärkungen vor Warna, und der Vice-
admiral Fürst Menschikoff, der nunmehr den Oberbefehl über die Belagerungs-
armee übernahm, rückte wieder von Derbend vor, schloß die Festung eng ein
und schnitt ihr alle Verbindungen ab. Bald jedoch wurde er schwer verwundet,
sodaß er das Commando niederlegen mußte. Sein Nachfolger, Graf Woronzoff,
traf eben ein, als die Türken am 31. August einen wüthenden Ausfall machten,
mehrere Redouten erstürmten und einen großen Theil der Belagerungswerke
zerstörten. Erst am andern Tage nach einem furchtbaren Kampfe gelang es
den Russen, sich der ihnen entrissenen Schanzen wieder zu bemächtigen.

Am 8. September erschien der Kaiser wieder im Lager, die Verstärkung
durch die Garde folgte ihm auf dein Fuße. Am 14. war die von den Russen
gelegte Bresche gangbar und das Heer zum Sturme bereit. Der Kaiser ließ
Jzzet Pascha auffordern, sich zu ergeben, bekam aber eine abschlügige Antwort,
und allerdings war die Lage der Türken noch keine aussichtslose, da der Sultan
von Konstantinopel ans den Großwesir Mehemed Selim mit 12,000 und
Hussein Pascha in Schumla den Omer Vriones, einen von den griechischen
Kriegen her bekannten Arnauteuführer, mit 10,000 Mann zur Entsetzung der
Festung ausgeschickt hatten. Dem Omer war es sogar geglückt, ein russisches
Regiment, welches eine Reevguoseiruugstour zu weit weggeführt hatte, voll¬
ständig aufzureiben, und hätte der Großwesir seinen Marsch mehr beschleunigt
und nicht acht volle Tage gebraucht, um von Konstantinopel bis in die Nähe
von Warna zu kommen, so würde er rechtzeitig und ohne besondere Schwierig¬
keit in die auf der Südseite uoch nicht cernirte Stadt eingezogen sein. So
aber stellte sich ihm und den Arnauten Omers zwischen Warna und dein
Dewna-See der General Gollowkin in einem verschanzten Lager entgegen, und
als er dieses angriff, wurde er mit großem Verluste zurückgeschlagen und hielt
sich seitdem, am Erfolge verzweifelnd, in theilnahinloser Erwartung ruhig im
Kamtschikthale.

Das beständige Feuer der russischen Batterien und das Auffliegen von
Minen zerstörte allmählich die Wälle von Warna. Aber die Vertheidiger ver-


Offizier, bat den Sultan, ihm die Vertheidigung Warnas zu übertragen. Die
Bitte wurde gewährt, nud er ging an der Spitze von 3000 Mann regulärer
Infanterie, denen dann noch 2000 Artilleristen folgten, dahin und gelangte
Angesichts der Russen glücklich in die Stadt, wo er sofort den Oberbefehl
übernahm. Mittlerweile hatte auch das russische Corps vor Warna von Schumla
her einige Verstärkungen erhalten. Aber der Kaiser, der sie in Person dahin
geführt, überzeugte sich bald, daß dieselben nicht genügten, und so begab er
sich ohne Verweilen nach Odessa, um eine bedeutende Abtheilung der Garde¬
truppen nachrücken zu lassen. Ehe dieselben eintreffen konnten, erschien die von
Araya kommende Flotte Greighs mit Verstärkungen vor Warna, und der Vice-
admiral Fürst Menschikoff, der nunmehr den Oberbefehl über die Belagerungs-
armee übernahm, rückte wieder von Derbend vor, schloß die Festung eng ein
und schnitt ihr alle Verbindungen ab. Bald jedoch wurde er schwer verwundet,
sodaß er das Commando niederlegen mußte. Sein Nachfolger, Graf Woronzoff,
traf eben ein, als die Türken am 31. August einen wüthenden Ausfall machten,
mehrere Redouten erstürmten und einen großen Theil der Belagerungswerke
zerstörten. Erst am andern Tage nach einem furchtbaren Kampfe gelang es
den Russen, sich der ihnen entrissenen Schanzen wieder zu bemächtigen.

Am 8. September erschien der Kaiser wieder im Lager, die Verstärkung
durch die Garde folgte ihm auf dein Fuße. Am 14. war die von den Russen
gelegte Bresche gangbar und das Heer zum Sturme bereit. Der Kaiser ließ
Jzzet Pascha auffordern, sich zu ergeben, bekam aber eine abschlügige Antwort,
und allerdings war die Lage der Türken noch keine aussichtslose, da der Sultan
von Konstantinopel ans den Großwesir Mehemed Selim mit 12,000 und
Hussein Pascha in Schumla den Omer Vriones, einen von den griechischen
Kriegen her bekannten Arnauteuführer, mit 10,000 Mann zur Entsetzung der
Festung ausgeschickt hatten. Dem Omer war es sogar geglückt, ein russisches
Regiment, welches eine Reevguoseiruugstour zu weit weggeführt hatte, voll¬
ständig aufzureiben, und hätte der Großwesir seinen Marsch mehr beschleunigt
und nicht acht volle Tage gebraucht, um von Konstantinopel bis in die Nähe
von Warna zu kommen, so würde er rechtzeitig und ohne besondere Schwierig¬
keit in die auf der Südseite uoch nicht cernirte Stadt eingezogen sein. So
aber stellte sich ihm und den Arnauten Omers zwischen Warna und dein
Dewna-See der General Gollowkin in einem verschanzten Lager entgegen, und
als er dieses angriff, wurde er mit großem Verluste zurückgeschlagen und hielt
sich seitdem, am Erfolge verzweifelnd, in theilnahinloser Erwartung ruhig im
Kamtschikthale.

Das beständige Feuer der russischen Batterien und das Auffliegen von
Minen zerstörte allmählich die Wälle von Warna. Aber die Vertheidiger ver-


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[0239] Offizier, bat den Sultan, ihm die Vertheidigung Warnas zu übertragen. Die Bitte wurde gewährt, nud er ging an der Spitze von 3000 Mann regulärer Infanterie, denen dann noch 2000 Artilleristen folgten, dahin und gelangte Angesichts der Russen glücklich in die Stadt, wo er sofort den Oberbefehl übernahm. Mittlerweile hatte auch das russische Corps vor Warna von Schumla her einige Verstärkungen erhalten. Aber der Kaiser, der sie in Person dahin geführt, überzeugte sich bald, daß dieselben nicht genügten, und so begab er sich ohne Verweilen nach Odessa, um eine bedeutende Abtheilung der Garde¬ truppen nachrücken zu lassen. Ehe dieselben eintreffen konnten, erschien die von Araya kommende Flotte Greighs mit Verstärkungen vor Warna, und der Vice- admiral Fürst Menschikoff, der nunmehr den Oberbefehl über die Belagerungs- armee übernahm, rückte wieder von Derbend vor, schloß die Festung eng ein und schnitt ihr alle Verbindungen ab. Bald jedoch wurde er schwer verwundet, sodaß er das Commando niederlegen mußte. Sein Nachfolger, Graf Woronzoff, traf eben ein, als die Türken am 31. August einen wüthenden Ausfall machten, mehrere Redouten erstürmten und einen großen Theil der Belagerungswerke zerstörten. Erst am andern Tage nach einem furchtbaren Kampfe gelang es den Russen, sich der ihnen entrissenen Schanzen wieder zu bemächtigen. Am 8. September erschien der Kaiser wieder im Lager, die Verstärkung durch die Garde folgte ihm auf dein Fuße. Am 14. war die von den Russen gelegte Bresche gangbar und das Heer zum Sturme bereit. Der Kaiser ließ Jzzet Pascha auffordern, sich zu ergeben, bekam aber eine abschlügige Antwort, und allerdings war die Lage der Türken noch keine aussichtslose, da der Sultan von Konstantinopel ans den Großwesir Mehemed Selim mit 12,000 und Hussein Pascha in Schumla den Omer Vriones, einen von den griechischen Kriegen her bekannten Arnauteuführer, mit 10,000 Mann zur Entsetzung der Festung ausgeschickt hatten. Dem Omer war es sogar geglückt, ein russisches Regiment, welches eine Reevguoseiruugstour zu weit weggeführt hatte, voll¬ ständig aufzureiben, und hätte der Großwesir seinen Marsch mehr beschleunigt und nicht acht volle Tage gebraucht, um von Konstantinopel bis in die Nähe von Warna zu kommen, so würde er rechtzeitig und ohne besondere Schwierig¬ keit in die auf der Südseite uoch nicht cernirte Stadt eingezogen sein. So aber stellte sich ihm und den Arnauten Omers zwischen Warna und dein Dewna-See der General Gollowkin in einem verschanzten Lager entgegen, und als er dieses angriff, wurde er mit großem Verluste zurückgeschlagen und hielt sich seitdem, am Erfolge verzweifelnd, in theilnahinloser Erwartung ruhig im Kamtschikthale. Das beständige Feuer der russischen Batterien und das Auffliegen von Minen zerstörte allmählich die Wälle von Warna. Aber die Vertheidiger ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/239>, abgerufen am 23.07.2024.