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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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ihre Flotille, von Ismail die Donau heraufstenernd, mit dem Brückengeräthe
und einer Trnppenverstärkung durch eine Jägerbrigade und die Zaporoger
Kosaken, die unter der Kaiserin Katharina ans Rußland nach der Dobrutscha
ausgewandert waren, aber die griechische Religion und die russische Sprache
bewahrt und sich am 27. Mai zu Ismail für Rußland erklärt hatten. Ihre
Mitwirkung bei der Überschreitung der Donau war von Wichtigkeit. Mit
ihren leichten Booten setzten sie hinter der Flotille und von dieser dem Auge
der Feinde entzogen, am 8. Juni jene Jägerbrigade auf dem rechten Ufer ans
Land, worauf sie mit dieser sofort die nächste Türkenschanze erstürmten. Hier¬
durch erschreckt, räumte der Feind ohne Widerstand auch die andern Werke
und floh theils nach Basardjik, theils nach Jsaktschi, und nun bewerkstelligte
das gesammte dritte Corps den Uebergang, um bald daraus zuerst die Festungen
Jsaktschi, Hirsowa und Tultscha, welches letztere von Ibrahim Pascha einige
Tage tapfer vertheidigt wurde, und dann Küstendje einzunehmen. Bis zum 5.
Juli waren alle -türkischen Donaufestnngen von Silistria abwärts in den
Händen der Russen und diese Herren des angrenzenden Landes bis zum Tra-
jauswalle, und in Küstendje lief eine Transportflotte von 26 Segeln mit Le¬
bensmitteln und Kriegsbedarf ein.

Die im Allgemeinen schlechte Vertheidigung der zuletzt erwähnten vier
Plätze darf nicht befremden. Es waren kleine Orte ohne starke Werke, und die
Pforte war nicht in der Lage gewesen, einen beträchtlichen Theil ihres Heeres
zu ihrer Besetzung zu verwenden, so daß die Vertheidigung zum größten Theile
den Einwohnern selbst überlassen blieb, die ungenügend bewaffnet und wenig
geübt waren.

Das dritte Corps, bei dem inzwischen Kaiser Nikolaus in Person einge¬
troffen war, rückte nach seiner Vereinigung mit dem Voinoffschen von Karassn
nach Basardjik vor. Hier verblieb der Kaiser bis zum 15. Juli, um alsdann
mit der Hauptmasse seiner Truppen über Kozlndja und Imi Bazar gegen
Schumla vorzurücken, dessen Einnahme als das erste Erforderniß der weiteren
Kriegsoperationen erkannt worden war, während General Suchtelen mit einer
Division zur Belagerung Warnas abmarschirte.

Somit verließ man die Dobrndscha und betrat die Bulgarei. Die bul¬
garische Ebene, die von der Donau sich bis zum Balkan erstreckt, ist weniger
öde als die Dobrndscha. Die Wände der Bodensenkungen sind mit Linden
und wilden Birnbäumen besetzt, breite Wiesen fassen die zahlreichen Bäche ein,
wo der Boden urbar gemacht ist, wogen Getreidefelder, und felbst die weiten
unangebauten Strecken zeigen an vielen Stellen einen üppigen Graswuchs.
Die Dörfer liegen nur selten weit auseinander und enthalten, da sie groß sind,
meist nicht unbedeutende Vorräthe. Doch auch hier fehlte es nicht an Schwierig-


ihre Flotille, von Ismail die Donau heraufstenernd, mit dem Brückengeräthe
und einer Trnppenverstärkung durch eine Jägerbrigade und die Zaporoger
Kosaken, die unter der Kaiserin Katharina ans Rußland nach der Dobrutscha
ausgewandert waren, aber die griechische Religion und die russische Sprache
bewahrt und sich am 27. Mai zu Ismail für Rußland erklärt hatten. Ihre
Mitwirkung bei der Überschreitung der Donau war von Wichtigkeit. Mit
ihren leichten Booten setzten sie hinter der Flotille und von dieser dem Auge
der Feinde entzogen, am 8. Juni jene Jägerbrigade auf dem rechten Ufer ans
Land, worauf sie mit dieser sofort die nächste Türkenschanze erstürmten. Hier¬
durch erschreckt, räumte der Feind ohne Widerstand auch die andern Werke
und floh theils nach Basardjik, theils nach Jsaktschi, und nun bewerkstelligte
das gesammte dritte Corps den Uebergang, um bald daraus zuerst die Festungen
Jsaktschi, Hirsowa und Tultscha, welches letztere von Ibrahim Pascha einige
Tage tapfer vertheidigt wurde, und dann Küstendje einzunehmen. Bis zum 5.
Juli waren alle -türkischen Donaufestnngen von Silistria abwärts in den
Händen der Russen und diese Herren des angrenzenden Landes bis zum Tra-
jauswalle, und in Küstendje lief eine Transportflotte von 26 Segeln mit Le¬
bensmitteln und Kriegsbedarf ein.

Die im Allgemeinen schlechte Vertheidigung der zuletzt erwähnten vier
Plätze darf nicht befremden. Es waren kleine Orte ohne starke Werke, und die
Pforte war nicht in der Lage gewesen, einen beträchtlichen Theil ihres Heeres
zu ihrer Besetzung zu verwenden, so daß die Vertheidigung zum größten Theile
den Einwohnern selbst überlassen blieb, die ungenügend bewaffnet und wenig
geübt waren.

Das dritte Corps, bei dem inzwischen Kaiser Nikolaus in Person einge¬
troffen war, rückte nach seiner Vereinigung mit dem Voinoffschen von Karassn
nach Basardjik vor. Hier verblieb der Kaiser bis zum 15. Juli, um alsdann
mit der Hauptmasse seiner Truppen über Kozlndja und Imi Bazar gegen
Schumla vorzurücken, dessen Einnahme als das erste Erforderniß der weiteren
Kriegsoperationen erkannt worden war, während General Suchtelen mit einer
Division zur Belagerung Warnas abmarschirte.

Somit verließ man die Dobrndscha und betrat die Bulgarei. Die bul¬
garische Ebene, die von der Donau sich bis zum Balkan erstreckt, ist weniger
öde als die Dobrndscha. Die Wände der Bodensenkungen sind mit Linden
und wilden Birnbäumen besetzt, breite Wiesen fassen die zahlreichen Bäche ein,
wo der Boden urbar gemacht ist, wogen Getreidefelder, und felbst die weiten
unangebauten Strecken zeigen an vielen Stellen einen üppigen Graswuchs.
Die Dörfer liegen nur selten weit auseinander und enthalten, da sie groß sind,
meist nicht unbedeutende Vorräthe. Doch auch hier fehlte es nicht an Schwierig-


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[0235] ihre Flotille, von Ismail die Donau heraufstenernd, mit dem Brückengeräthe und einer Trnppenverstärkung durch eine Jägerbrigade und die Zaporoger Kosaken, die unter der Kaiserin Katharina ans Rußland nach der Dobrutscha ausgewandert waren, aber die griechische Religion und die russische Sprache bewahrt und sich am 27. Mai zu Ismail für Rußland erklärt hatten. Ihre Mitwirkung bei der Überschreitung der Donau war von Wichtigkeit. Mit ihren leichten Booten setzten sie hinter der Flotille und von dieser dem Auge der Feinde entzogen, am 8. Juni jene Jägerbrigade auf dem rechten Ufer ans Land, worauf sie mit dieser sofort die nächste Türkenschanze erstürmten. Hier¬ durch erschreckt, räumte der Feind ohne Widerstand auch die andern Werke und floh theils nach Basardjik, theils nach Jsaktschi, und nun bewerkstelligte das gesammte dritte Corps den Uebergang, um bald daraus zuerst die Festungen Jsaktschi, Hirsowa und Tultscha, welches letztere von Ibrahim Pascha einige Tage tapfer vertheidigt wurde, und dann Küstendje einzunehmen. Bis zum 5. Juli waren alle -türkischen Donaufestnngen von Silistria abwärts in den Händen der Russen und diese Herren des angrenzenden Landes bis zum Tra- jauswalle, und in Küstendje lief eine Transportflotte von 26 Segeln mit Le¬ bensmitteln und Kriegsbedarf ein. Die im Allgemeinen schlechte Vertheidigung der zuletzt erwähnten vier Plätze darf nicht befremden. Es waren kleine Orte ohne starke Werke, und die Pforte war nicht in der Lage gewesen, einen beträchtlichen Theil ihres Heeres zu ihrer Besetzung zu verwenden, so daß die Vertheidigung zum größten Theile den Einwohnern selbst überlassen blieb, die ungenügend bewaffnet und wenig geübt waren. Das dritte Corps, bei dem inzwischen Kaiser Nikolaus in Person einge¬ troffen war, rückte nach seiner Vereinigung mit dem Voinoffschen von Karassn nach Basardjik vor. Hier verblieb der Kaiser bis zum 15. Juli, um alsdann mit der Hauptmasse seiner Truppen über Kozlndja und Imi Bazar gegen Schumla vorzurücken, dessen Einnahme als das erste Erforderniß der weiteren Kriegsoperationen erkannt worden war, während General Suchtelen mit einer Division zur Belagerung Warnas abmarschirte. Somit verließ man die Dobrndscha und betrat die Bulgarei. Die bul¬ garische Ebene, die von der Donau sich bis zum Balkan erstreckt, ist weniger öde als die Dobrndscha. Die Wände der Bodensenkungen sind mit Linden und wilden Birnbäumen besetzt, breite Wiesen fassen die zahlreichen Bäche ein, wo der Boden urbar gemacht ist, wogen Getreidefelder, und felbst die weiten unangebauten Strecken zeigen an vielen Stellen einen üppigen Graswuchs. Die Dörfer liegen nur selten weit auseinander und enthalten, da sie groß sind, meist nicht unbedeutende Vorräthe. Doch auch hier fehlte es nicht an Schwierig-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/235>, abgerufen am 23.07.2024.