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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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Führung des Großfürsten Michael Wunder der Tapferkeit. Aber sie stießen
auf ebenso tapfern Widerstand. Dreimal wurden sie geworfen, und bei ihrem
endlichen Rückzüge erfolgte ein allgemeiner Ausfall der Türken. Die Russen
zählten bei diesem Sturme nach ihren eignen amtlichen Berichten 700 Todte und
1500 Verwundete, zwei Generale blieben auf der Bresche. Aber auch die Tür¬
ken hatten große Verluste erlitten, und sie hatten auf keine Verstärkung zu
hoffen, während siebzehn russische Schiffe sich auf der Donau den Be¬
lagerern zugesellten. So verlangte der Befehlshaber der Festung am 17. Juni
einen Waffenstillstand von zehn Tagen und versprach, wenn nach Ablauf des¬
selben keine Verstärkung angelangt sei, den Platz zu übergeben. Man bewil¬
ligte ihm nur eine Waffenruhe von vierundzwanzig Stunden, und nach Ver-
fluß dieser Frist wurde Jbrail übergeben. Die Russen fanden in der Festung gute
Vorräthe an allerlei Kriegsmunition. Aber sie hatten mit ihrer Belagerung
eine kostbare Zeit und 4000 Mann verloren. Der Platz, welcher keine Außen¬
werke besaß, hatte sich 27 Tage nach Eröffnung der Laufgräben und noch
zwei Tage gehalten, nachdem eine gangbare Bresche in deu Hauptwall gelegt
war. Ihren Gesammtverlnst gaben die Russen selbst auf 4 Generale, 18
Stabsoffiziere und 2251 Gemeine an; allein hierbei können die Kranken und
Verwundeten nicht inbegriffen sein, da allein der Sturm am 15. Juni 2200
Mann kampfunfähig gemacht hatte.

Die kleine, Jbrail gegenüber auf dem rechten Donauufer gelegene Festung
Matschin ergab sich nach schwachem Widerstande, und man konnte jetzt ohne
Gefahr die Donau überschreiten. Dies geschah, nachdem mau in Jbrail eine
Garnison zurückgelassen, und in starken Märschen rückte Voinoff nun durch die
Bulgarei weiter, um sich mit dem dritten Corps zu vereinigen, das im Osten
bereits das ganze Gebiet von den Donaumünduugen bis zum Trajanswalle
unterworfen, in Küstendje den ersten Seehafen gewonnen und bei Karassu
Stellung genommen hatte.

Dieses Corps hatte die Donau bei Satunowo überschritten, ungeachtet
hier das Herankommen auf dem linken und das Debouchiren auf dem rechten
Ufer große Schwierigkeiten hat. Satunowo liegt zwischen dem Kagel- und dein
Kartalsee auf einer Landzunge, die dem linken Ufer der Donau sich nähert,
nicht fern von der Festung Jsaktschi. Obwohl das Gerücht verbreitet war,
der Uebergang der Russen werde bei Ismail erfolgen, hatten die Türken sich
bei Satunowo verschanzt, und ihre Kanonen bestrichen deu Spiegel des Stromes
und das jenseitige Ufer. Sie hatten in ihren Schanzen 12 Kanonen, 2 Haubitzen
und 1 Mörser, lauter Geschütze von schwerem Kaliber, und waren 10 bis
12,000 Manu stark. Die Russen bauten zunächst durch die Sümpfe aus der
linken Seite der Donan einen 7000 Schritt langen Damm, dann näherte sich


Führung des Großfürsten Michael Wunder der Tapferkeit. Aber sie stießen
auf ebenso tapfern Widerstand. Dreimal wurden sie geworfen, und bei ihrem
endlichen Rückzüge erfolgte ein allgemeiner Ausfall der Türken. Die Russen
zählten bei diesem Sturme nach ihren eignen amtlichen Berichten 700 Todte und
1500 Verwundete, zwei Generale blieben auf der Bresche. Aber auch die Tür¬
ken hatten große Verluste erlitten, und sie hatten auf keine Verstärkung zu
hoffen, während siebzehn russische Schiffe sich auf der Donau den Be¬
lagerern zugesellten. So verlangte der Befehlshaber der Festung am 17. Juni
einen Waffenstillstand von zehn Tagen und versprach, wenn nach Ablauf des¬
selben keine Verstärkung angelangt sei, den Platz zu übergeben. Man bewil¬
ligte ihm nur eine Waffenruhe von vierundzwanzig Stunden, und nach Ver-
fluß dieser Frist wurde Jbrail übergeben. Die Russen fanden in der Festung gute
Vorräthe an allerlei Kriegsmunition. Aber sie hatten mit ihrer Belagerung
eine kostbare Zeit und 4000 Mann verloren. Der Platz, welcher keine Außen¬
werke besaß, hatte sich 27 Tage nach Eröffnung der Laufgräben und noch
zwei Tage gehalten, nachdem eine gangbare Bresche in deu Hauptwall gelegt
war. Ihren Gesammtverlnst gaben die Russen selbst auf 4 Generale, 18
Stabsoffiziere und 2251 Gemeine an; allein hierbei können die Kranken und
Verwundeten nicht inbegriffen sein, da allein der Sturm am 15. Juni 2200
Mann kampfunfähig gemacht hatte.

Die kleine, Jbrail gegenüber auf dem rechten Donauufer gelegene Festung
Matschin ergab sich nach schwachem Widerstande, und man konnte jetzt ohne
Gefahr die Donau überschreiten. Dies geschah, nachdem mau in Jbrail eine
Garnison zurückgelassen, und in starken Märschen rückte Voinoff nun durch die
Bulgarei weiter, um sich mit dem dritten Corps zu vereinigen, das im Osten
bereits das ganze Gebiet von den Donaumünduugen bis zum Trajanswalle
unterworfen, in Küstendje den ersten Seehafen gewonnen und bei Karassu
Stellung genommen hatte.

Dieses Corps hatte die Donau bei Satunowo überschritten, ungeachtet
hier das Herankommen auf dem linken und das Debouchiren auf dem rechten
Ufer große Schwierigkeiten hat. Satunowo liegt zwischen dem Kagel- und dein
Kartalsee auf einer Landzunge, die dem linken Ufer der Donau sich nähert,
nicht fern von der Festung Jsaktschi. Obwohl das Gerücht verbreitet war,
der Uebergang der Russen werde bei Ismail erfolgen, hatten die Türken sich
bei Satunowo verschanzt, und ihre Kanonen bestrichen deu Spiegel des Stromes
und das jenseitige Ufer. Sie hatten in ihren Schanzen 12 Kanonen, 2 Haubitzen
und 1 Mörser, lauter Geschütze von schwerem Kaliber, und waren 10 bis
12,000 Manu stark. Die Russen bauten zunächst durch die Sümpfe aus der
linken Seite der Donan einen 7000 Schritt langen Damm, dann näherte sich


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[0234] Führung des Großfürsten Michael Wunder der Tapferkeit. Aber sie stießen auf ebenso tapfern Widerstand. Dreimal wurden sie geworfen, und bei ihrem endlichen Rückzüge erfolgte ein allgemeiner Ausfall der Türken. Die Russen zählten bei diesem Sturme nach ihren eignen amtlichen Berichten 700 Todte und 1500 Verwundete, zwei Generale blieben auf der Bresche. Aber auch die Tür¬ ken hatten große Verluste erlitten, und sie hatten auf keine Verstärkung zu hoffen, während siebzehn russische Schiffe sich auf der Donau den Be¬ lagerern zugesellten. So verlangte der Befehlshaber der Festung am 17. Juni einen Waffenstillstand von zehn Tagen und versprach, wenn nach Ablauf des¬ selben keine Verstärkung angelangt sei, den Platz zu übergeben. Man bewil¬ ligte ihm nur eine Waffenruhe von vierundzwanzig Stunden, und nach Ver- fluß dieser Frist wurde Jbrail übergeben. Die Russen fanden in der Festung gute Vorräthe an allerlei Kriegsmunition. Aber sie hatten mit ihrer Belagerung eine kostbare Zeit und 4000 Mann verloren. Der Platz, welcher keine Außen¬ werke besaß, hatte sich 27 Tage nach Eröffnung der Laufgräben und noch zwei Tage gehalten, nachdem eine gangbare Bresche in deu Hauptwall gelegt war. Ihren Gesammtverlnst gaben die Russen selbst auf 4 Generale, 18 Stabsoffiziere und 2251 Gemeine an; allein hierbei können die Kranken und Verwundeten nicht inbegriffen sein, da allein der Sturm am 15. Juni 2200 Mann kampfunfähig gemacht hatte. Die kleine, Jbrail gegenüber auf dem rechten Donauufer gelegene Festung Matschin ergab sich nach schwachem Widerstande, und man konnte jetzt ohne Gefahr die Donau überschreiten. Dies geschah, nachdem mau in Jbrail eine Garnison zurückgelassen, und in starken Märschen rückte Voinoff nun durch die Bulgarei weiter, um sich mit dem dritten Corps zu vereinigen, das im Osten bereits das ganze Gebiet von den Donaumünduugen bis zum Trajanswalle unterworfen, in Küstendje den ersten Seehafen gewonnen und bei Karassu Stellung genommen hatte. Dieses Corps hatte die Donau bei Satunowo überschritten, ungeachtet hier das Herankommen auf dem linken und das Debouchiren auf dem rechten Ufer große Schwierigkeiten hat. Satunowo liegt zwischen dem Kagel- und dein Kartalsee auf einer Landzunge, die dem linken Ufer der Donau sich nähert, nicht fern von der Festung Jsaktschi. Obwohl das Gerücht verbreitet war, der Uebergang der Russen werde bei Ismail erfolgen, hatten die Türken sich bei Satunowo verschanzt, und ihre Kanonen bestrichen deu Spiegel des Stromes und das jenseitige Ufer. Sie hatten in ihren Schanzen 12 Kanonen, 2 Haubitzen und 1 Mörser, lauter Geschütze von schwerem Kaliber, und waren 10 bis 12,000 Manu stark. Die Russen bauten zunächst durch die Sümpfe aus der linken Seite der Donan einen 7000 Schritt langen Damm, dann näherte sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/234>, abgerufen am 23.07.2024.