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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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britannien geordnet werden sollen".*) Weiter handelte es sich um gegenseitige
Unterstützung im Falle eines Krieges Englands mit Afghanistan resp, eines
Angriffs Rußlands auf Persien. Englische Offiziere bildeten nun die persischen
Truppen weiter aus, aber, als Rußland im Jahre 1826 Persien angriff, wurde
letzteres von England im Stich gelassen; damit machte aber anch der englische
Einfluß demjenigen der Russen Platz.

Dafür bahnten sich jetzt intimere Beziehungen mit den Afghanen
an. Der Afghanen-Herrscher Dose Mohamed bewillkommnete 1836 den
neuen General-Gouverneur von Indien, Lord An ki and, in einem Schreiben,
in dem er gleichzeitig indirekt um Hülfe gegen die Sikhs bittet. Auf den be¬
züglichen Passus erwiderte der General-Gouverneur: "Mein Freund, es ist
Euch bekannt, daß es nicht Gewohnheit der britischen Regierung ist, sich in
die Angelegenheiten anderer unabhängiger Staaten einzumischen."

Schon drei Jahre nach dieser Erklärung sehen wir eine englische Armee
gegen des Amirs Hauptstadt vorrücken. Erfolge nämlich, welche die Perser in
Verbindung mit Rußland Afghanistan gegenüber errungen hatten, machten das
Vertrauen des General-Gouverneurs auf das letztere Land als Bollwerk gegen
einen Einfall von Westen wankend und führten ihn zu dem Entschluß, einen
vertriebenen früheren Herrscher Afghanistans, Schah Sujah, ans den Thron
zu setzen und sich so einen unmittelbaren Einfluß auf das Land zu sichern.
Englands Absicht gelang, doch auss Neue begann der Krieg, um bis 1843
fortzudauern und mit Wiederherstellung der alten Verhältnisse und Wieder¬
einsetzung Dose Mohameds zu enden. Als das englische Heer noch auf dem
Rückmarsch begriffen war, brach ein neuer Krieg mit dem Fürsten des Sind
aus, der zur Einverleibung dieses Landes führte. Im nächsten Jahre (1844)
mußte ein Aufstand der Bengal-Sepoy-Regimenter unterdrückt werden,
und Ende 1845 kam es zu einem bisher sorgfältig vermiedenen Kriege mit
den kriegerischen Stämmen der Sikhs. Er endete glücklich, brachte
aber nur geringe Vergrößerungen. Erst ein zweiter Krieg führte zur gänzlichen
Unterjochung der Sikhs und Einverleibung des ganzen Pandschab.
Die nächste Vergrößerung war die kriegerische Erwerbung eines Theils von
Barma 1854 und die Besitznahme des Mahratten-Königreichs Berar und
des Königreichs Audh 1853 und 1856. Das Jahr 1855 brachte noch einen
blutigen Aufstand der Tantals, eines der Urstämme Jndiens, der jedoch
in nicht zu langer Zeit gedämpft wurde.

Im Jahre 1857 brach der merkwürdige Aufstand einiger Sepoy-
R e gimenter aus, der, ohne das Existiren einer weit verzweigten Verschwörung,



") v. Orlich, Indien und seine Regierung. I. S. "4". -- Dieses Werk hat als Haupt¬
anhalt für die historische Skizze gedient.

britannien geordnet werden sollen".*) Weiter handelte es sich um gegenseitige
Unterstützung im Falle eines Krieges Englands mit Afghanistan resp, eines
Angriffs Rußlands auf Persien. Englische Offiziere bildeten nun die persischen
Truppen weiter aus, aber, als Rußland im Jahre 1826 Persien angriff, wurde
letzteres von England im Stich gelassen; damit machte aber anch der englische
Einfluß demjenigen der Russen Platz.

Dafür bahnten sich jetzt intimere Beziehungen mit den Afghanen
an. Der Afghanen-Herrscher Dose Mohamed bewillkommnete 1836 den
neuen General-Gouverneur von Indien, Lord An ki and, in einem Schreiben,
in dem er gleichzeitig indirekt um Hülfe gegen die Sikhs bittet. Auf den be¬
züglichen Passus erwiderte der General-Gouverneur: „Mein Freund, es ist
Euch bekannt, daß es nicht Gewohnheit der britischen Regierung ist, sich in
die Angelegenheiten anderer unabhängiger Staaten einzumischen."

Schon drei Jahre nach dieser Erklärung sehen wir eine englische Armee
gegen des Amirs Hauptstadt vorrücken. Erfolge nämlich, welche die Perser in
Verbindung mit Rußland Afghanistan gegenüber errungen hatten, machten das
Vertrauen des General-Gouverneurs auf das letztere Land als Bollwerk gegen
einen Einfall von Westen wankend und führten ihn zu dem Entschluß, einen
vertriebenen früheren Herrscher Afghanistans, Schah Sujah, ans den Thron
zu setzen und sich so einen unmittelbaren Einfluß auf das Land zu sichern.
Englands Absicht gelang, doch auss Neue begann der Krieg, um bis 1843
fortzudauern und mit Wiederherstellung der alten Verhältnisse und Wieder¬
einsetzung Dose Mohameds zu enden. Als das englische Heer noch auf dem
Rückmarsch begriffen war, brach ein neuer Krieg mit dem Fürsten des Sind
aus, der zur Einverleibung dieses Landes führte. Im nächsten Jahre (1844)
mußte ein Aufstand der Bengal-Sepoy-Regimenter unterdrückt werden,
und Ende 1845 kam es zu einem bisher sorgfältig vermiedenen Kriege mit
den kriegerischen Stämmen der Sikhs. Er endete glücklich, brachte
aber nur geringe Vergrößerungen. Erst ein zweiter Krieg führte zur gänzlichen
Unterjochung der Sikhs und Einverleibung des ganzen Pandschab.
Die nächste Vergrößerung war die kriegerische Erwerbung eines Theils von
Barma 1854 und die Besitznahme des Mahratten-Königreichs Berar und
des Königreichs Audh 1853 und 1856. Das Jahr 1855 brachte noch einen
blutigen Aufstand der Tantals, eines der Urstämme Jndiens, der jedoch
in nicht zu langer Zeit gedämpft wurde.

Im Jahre 1857 brach der merkwürdige Aufstand einiger Sepoy-
R e gimenter aus, der, ohne das Existiren einer weit verzweigten Verschwörung,



») v. Orlich, Indien und seine Regierung. I. S. »4». — Dieses Werk hat als Haupt¬
anhalt für die historische Skizze gedient.
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[0214] britannien geordnet werden sollen".*) Weiter handelte es sich um gegenseitige Unterstützung im Falle eines Krieges Englands mit Afghanistan resp, eines Angriffs Rußlands auf Persien. Englische Offiziere bildeten nun die persischen Truppen weiter aus, aber, als Rußland im Jahre 1826 Persien angriff, wurde letzteres von England im Stich gelassen; damit machte aber anch der englische Einfluß demjenigen der Russen Platz. Dafür bahnten sich jetzt intimere Beziehungen mit den Afghanen an. Der Afghanen-Herrscher Dose Mohamed bewillkommnete 1836 den neuen General-Gouverneur von Indien, Lord An ki and, in einem Schreiben, in dem er gleichzeitig indirekt um Hülfe gegen die Sikhs bittet. Auf den be¬ züglichen Passus erwiderte der General-Gouverneur: „Mein Freund, es ist Euch bekannt, daß es nicht Gewohnheit der britischen Regierung ist, sich in die Angelegenheiten anderer unabhängiger Staaten einzumischen." Schon drei Jahre nach dieser Erklärung sehen wir eine englische Armee gegen des Amirs Hauptstadt vorrücken. Erfolge nämlich, welche die Perser in Verbindung mit Rußland Afghanistan gegenüber errungen hatten, machten das Vertrauen des General-Gouverneurs auf das letztere Land als Bollwerk gegen einen Einfall von Westen wankend und führten ihn zu dem Entschluß, einen vertriebenen früheren Herrscher Afghanistans, Schah Sujah, ans den Thron zu setzen und sich so einen unmittelbaren Einfluß auf das Land zu sichern. Englands Absicht gelang, doch auss Neue begann der Krieg, um bis 1843 fortzudauern und mit Wiederherstellung der alten Verhältnisse und Wieder¬ einsetzung Dose Mohameds zu enden. Als das englische Heer noch auf dem Rückmarsch begriffen war, brach ein neuer Krieg mit dem Fürsten des Sind aus, der zur Einverleibung dieses Landes führte. Im nächsten Jahre (1844) mußte ein Aufstand der Bengal-Sepoy-Regimenter unterdrückt werden, und Ende 1845 kam es zu einem bisher sorgfältig vermiedenen Kriege mit den kriegerischen Stämmen der Sikhs. Er endete glücklich, brachte aber nur geringe Vergrößerungen. Erst ein zweiter Krieg führte zur gänzlichen Unterjochung der Sikhs und Einverleibung des ganzen Pandschab. Die nächste Vergrößerung war die kriegerische Erwerbung eines Theils von Barma 1854 und die Besitznahme des Mahratten-Königreichs Berar und des Königreichs Audh 1853 und 1856. Das Jahr 1855 brachte noch einen blutigen Aufstand der Tantals, eines der Urstämme Jndiens, der jedoch in nicht zu langer Zeit gedämpft wurde. Im Jahre 1857 brach der merkwürdige Aufstand einiger Sepoy- R e gimenter aus, der, ohne das Existiren einer weit verzweigten Verschwörung, ») v. Orlich, Indien und seine Regierung. I. S. »4». — Dieses Werk hat als Haupt¬ anhalt für die historische Skizze gedient.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/214>, abgerufen am 23.07.2024.