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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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aber die benachbarten Colonien, wie Ceylon und die sogenannten ktraits setUs-
msnt8 der malayischen Halbinsel. Zum vollen Verständniß der indischen Ver¬
hältnisse ist es erforderlich, zunächst einen kurzen geschichtlichen Ueberblick
zu geben.

Die Ureinwohner Indiens sind jetzt noch in einigen Stämmen im
Centrum des Landes sowie in den Gurkas des Himalaya erhalten. Sie
unterlagen einem von Nordwesten einwandernden Volksstamm von besonders
edler und schöner Körperbildung, den Ariern, den Stammvätern der heutigen
Hindus. Allmählig nur schritt dieser Volksstamm in der Halbinsel vorwärts,
über 2000 Jahre dauerte es, bis er nach Maisur vordrang. Unter den
Ariern gelangte nach langen Kämpfen die Priester-Kaste-- die Brahmanen
-- zur Herrschaft. Bedroht wurde der Bestand derselben durch das Auftreten
des Reformators Buddha (615 v. Chr.), dessen Lehre sich von Indien ans
über einen großen Theil Asiens verbreitete, später aber in Indien selbst die er¬
rungene Stellung einbüßte.

Um das Jahr 1000 nach Chr. drang eine neue Eroberer-Schar in In¬
dien ein; das in Ostpersien gegründete Reich der Ghasneviden wurde
unter Mahmud bis an den Ganges ausgedehnt, und auf den Trümmern der
zerstörten indischen Tempel entfaltete der Islam seine Herrschaft. Am Schluß des
vierzehnten Jahrhunderts drang der Mongolen-Herrscher Tamerlan von Afgha¬
nistan her in Indien ein, stürzte die durch innere Kämpfe in Verfall gerathene
Ghasneviden-Herrschaft und ließ sich zum Kaiser vo n Jndien ausrufen (1526
n. Chr.). Beinahe 125 Jahre nach seinem Tode, nach einer Periode gewalt¬
samer Thronwechsel, gelangte einer seiner Nachkommen, genannt Baber, zur
Regierung und wurde der Stifter des Reichs der Großmognle. Nach
300-jähriger Dauer fiel auch diese Herrschaft -- innere Auflösung des Reichs,
Thronstreitigkeiten, Religionsverfolgungen und die Einfülle des kriegerischen
Stammes der Mahratten ans dem Dekan führten den Untergang herbei. In
die Periode dieser Dynastie fällt auch der Anfang und der Abschluß der
Besitzergreifung Indiens von Seiten europäischer Mächte.

Der Seeweg nach Ostindien, das bisher nur Händler mühsam auf
dem Landwege erreicht hatten, wurde 1498 durch den Portugiesen Vasco de
Gama entdeckt. Er segelte in den Hafen von Calicut ein und legte mit
Bewilligung des indischen Fürsten Samorin dort eine Factorei an. Die
Freundschaft des Jndiers bewährte sich nicht, im Kampf mußte eine Nieder¬
lassung gegründet und behauptet werden, deren Hauptort Goa war (1510),
uoch heute portugiesischer Besitz. Die Zahl der Niederlassungen vermehrte sich,
doch bald sank die portugiesische Macht in Folge schlechter Verwaltung und
Verweichlichung der Colonisten.


aber die benachbarten Colonien, wie Ceylon und die sogenannten ktraits setUs-
msnt8 der malayischen Halbinsel. Zum vollen Verständniß der indischen Ver¬
hältnisse ist es erforderlich, zunächst einen kurzen geschichtlichen Ueberblick
zu geben.

Die Ureinwohner Indiens sind jetzt noch in einigen Stämmen im
Centrum des Landes sowie in den Gurkas des Himalaya erhalten. Sie
unterlagen einem von Nordwesten einwandernden Volksstamm von besonders
edler und schöner Körperbildung, den Ariern, den Stammvätern der heutigen
Hindus. Allmählig nur schritt dieser Volksstamm in der Halbinsel vorwärts,
über 2000 Jahre dauerte es, bis er nach Maisur vordrang. Unter den
Ariern gelangte nach langen Kämpfen die Priester-Kaste— die Brahmanen
— zur Herrschaft. Bedroht wurde der Bestand derselben durch das Auftreten
des Reformators Buddha (615 v. Chr.), dessen Lehre sich von Indien ans
über einen großen Theil Asiens verbreitete, später aber in Indien selbst die er¬
rungene Stellung einbüßte.

Um das Jahr 1000 nach Chr. drang eine neue Eroberer-Schar in In¬
dien ein; das in Ostpersien gegründete Reich der Ghasneviden wurde
unter Mahmud bis an den Ganges ausgedehnt, und auf den Trümmern der
zerstörten indischen Tempel entfaltete der Islam seine Herrschaft. Am Schluß des
vierzehnten Jahrhunderts drang der Mongolen-Herrscher Tamerlan von Afgha¬
nistan her in Indien ein, stürzte die durch innere Kämpfe in Verfall gerathene
Ghasneviden-Herrschaft und ließ sich zum Kaiser vo n Jndien ausrufen (1526
n. Chr.). Beinahe 125 Jahre nach seinem Tode, nach einer Periode gewalt¬
samer Thronwechsel, gelangte einer seiner Nachkommen, genannt Baber, zur
Regierung und wurde der Stifter des Reichs der Großmognle. Nach
300-jähriger Dauer fiel auch diese Herrschaft — innere Auflösung des Reichs,
Thronstreitigkeiten, Religionsverfolgungen und die Einfülle des kriegerischen
Stammes der Mahratten ans dem Dekan führten den Untergang herbei. In
die Periode dieser Dynastie fällt auch der Anfang und der Abschluß der
Besitzergreifung Indiens von Seiten europäischer Mächte.

Der Seeweg nach Ostindien, das bisher nur Händler mühsam auf
dem Landwege erreicht hatten, wurde 1498 durch den Portugiesen Vasco de
Gama entdeckt. Er segelte in den Hafen von Calicut ein und legte mit
Bewilligung des indischen Fürsten Samorin dort eine Factorei an. Die
Freundschaft des Jndiers bewährte sich nicht, im Kampf mußte eine Nieder¬
lassung gegründet und behauptet werden, deren Hauptort Goa war (1510),
uoch heute portugiesischer Besitz. Die Zahl der Niederlassungen vermehrte sich,
doch bald sank die portugiesische Macht in Folge schlechter Verwaltung und
Verweichlichung der Colonisten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/210>, abgerufen am 23.07.2024.