Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

erbietungen der katholischen Propaganda von sich, und wenn damals gewisse
Zeitungen von bedeutenden Erfolgen jener Seelenfischer Roms erzählten, so
tischten sie ihrem Publikum arge Uebertreibungen auf.

Wir wollen ebenso wenig Römische als Griechische werden, erklärten die
Bulgaren, und als die Negierung ihre Forderung nach einheimischen Bischöfen
abgeschlagen, beschlossen sie, sich, soweit möglich, selbst zu helfen. Sobald jetzt
der griechische Bischof in der Kirche erschien, entfernte sich die Gemeinde.
Niemand that ihm etwas zu Leide, aber er lebte in der Stadt ohne Einfluß.
Nur ein paar Panduren, die in den Dörfern herumzogen, um dem Volke un¬
gerechte Steuern für seinen Säckel abzunöthigen, hielten zu ihm als ihrem Brod¬
herrn und Gesinnungsverwaudten. Der Versuch, mit den Bischöfen dahin zu
unterhandeln, daß man ihnen gegen Erlaß dieser Steuern ein bestimmtes Ein¬
kommen aus Gemeindemitteln auswerfen wollte, wurde abgelehnt, da ihre Kasse
sich durch die herkömmlichen willkürlichen Erpressungen weit besser füllte.
Wollten wir die nicht selten von blutigen Gewaltthaten begleiteten Räubereien
dieser fanariotischen Bischöfe hier aufzählen, so könnten wir Bogen allein mit
dem füllen, was in den Jahren kurz vor und nach dem Krimkriege ge¬
schehen ist.

Denkt man sich dazu noch die Mißhandlung und Aussaugung des Volkes
durch die türkischen Beamten, die nach jenem Kriege, in welchem sie den
"Muskof" allein besiegt zu haben wähnten, da ihnen die Hülfe der Westmächte
nur als die Leistung von Vasallen ihres Padischah erschien, noch übermüthiger
und rücksichtsloser auftraten als seither, so hat man eine Vorstellung von der
Last von Leiden, unter denen das unglückliche bulgarische Volk seufzen
mußte und noch heute seufzt. Die Hals der Sultaue sind, wie wir schon oft
gesagt haben, reine Gaukelei und Spiegelfechterei, Stücke mit Unwahrheiten
beschriebenen Papiers, schätzbares Material für eine zukünftige Geschichte des
Untergangs der Türkei. In Konstantinopel und ein paar großen Städten der
Provinzen mögen sie für die Christen einige Bedeutung haben, da man vor
den Augen der Gesandten und Consuln nicht wohl Skandale dulden kann.
Für die kleinen Städte und das platte Land haben sie nicht den geringsten
Werth als den, daß sie Zeichen der Schwäche des Pfortenregiments sind,
welches nicht ungestraft mehr wagen darf, die Forderungen der fremden Mächte
trotzig zurückzuweisen, sondern ihnen wenigstens dnrch Versprechungen und
papierne Reformen gerecht werden muß. Wären diese Erlasse aber auch auf¬
richtig gemeint, so haben sie doch außerhalb der gedachten Orte keine Kraft, da
das türkische Volk ihnen als koranwidrig seine Anerkennung versagt und die
Beamten sie nicht vollziehen, ja in vielen Gegenden sie nicht einmal zu publi-
ciren wagen.


erbietungen der katholischen Propaganda von sich, und wenn damals gewisse
Zeitungen von bedeutenden Erfolgen jener Seelenfischer Roms erzählten, so
tischten sie ihrem Publikum arge Uebertreibungen auf.

Wir wollen ebenso wenig Römische als Griechische werden, erklärten die
Bulgaren, und als die Negierung ihre Forderung nach einheimischen Bischöfen
abgeschlagen, beschlossen sie, sich, soweit möglich, selbst zu helfen. Sobald jetzt
der griechische Bischof in der Kirche erschien, entfernte sich die Gemeinde.
Niemand that ihm etwas zu Leide, aber er lebte in der Stadt ohne Einfluß.
Nur ein paar Panduren, die in den Dörfern herumzogen, um dem Volke un¬
gerechte Steuern für seinen Säckel abzunöthigen, hielten zu ihm als ihrem Brod¬
herrn und Gesinnungsverwaudten. Der Versuch, mit den Bischöfen dahin zu
unterhandeln, daß man ihnen gegen Erlaß dieser Steuern ein bestimmtes Ein¬
kommen aus Gemeindemitteln auswerfen wollte, wurde abgelehnt, da ihre Kasse
sich durch die herkömmlichen willkürlichen Erpressungen weit besser füllte.
Wollten wir die nicht selten von blutigen Gewaltthaten begleiteten Räubereien
dieser fanariotischen Bischöfe hier aufzählen, so könnten wir Bogen allein mit
dem füllen, was in den Jahren kurz vor und nach dem Krimkriege ge¬
schehen ist.

Denkt man sich dazu noch die Mißhandlung und Aussaugung des Volkes
durch die türkischen Beamten, die nach jenem Kriege, in welchem sie den
„Muskof" allein besiegt zu haben wähnten, da ihnen die Hülfe der Westmächte
nur als die Leistung von Vasallen ihres Padischah erschien, noch übermüthiger
und rücksichtsloser auftraten als seither, so hat man eine Vorstellung von der
Last von Leiden, unter denen das unglückliche bulgarische Volk seufzen
mußte und noch heute seufzt. Die Hals der Sultaue sind, wie wir schon oft
gesagt haben, reine Gaukelei und Spiegelfechterei, Stücke mit Unwahrheiten
beschriebenen Papiers, schätzbares Material für eine zukünftige Geschichte des
Untergangs der Türkei. In Konstantinopel und ein paar großen Städten der
Provinzen mögen sie für die Christen einige Bedeutung haben, da man vor
den Augen der Gesandten und Consuln nicht wohl Skandale dulden kann.
Für die kleinen Städte und das platte Land haben sie nicht den geringsten
Werth als den, daß sie Zeichen der Schwäche des Pfortenregiments sind,
welches nicht ungestraft mehr wagen darf, die Forderungen der fremden Mächte
trotzig zurückzuweisen, sondern ihnen wenigstens dnrch Versprechungen und
papierne Reformen gerecht werden muß. Wären diese Erlasse aber auch auf¬
richtig gemeint, so haben sie doch außerhalb der gedachten Orte keine Kraft, da
das türkische Volk ihnen als koranwidrig seine Anerkennung versagt und die
Beamten sie nicht vollziehen, ja in vielen Gegenden sie nicht einmal zu publi-
ciren wagen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137376"/>
          <p xml:id="ID_687" prev="#ID_686"> erbietungen der katholischen Propaganda von sich, und wenn damals gewisse<lb/>
Zeitungen von bedeutenden Erfolgen jener Seelenfischer Roms erzählten, so<lb/>
tischten sie ihrem Publikum arge Uebertreibungen auf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_688"> Wir wollen ebenso wenig Römische als Griechische werden, erklärten die<lb/>
Bulgaren, und als die Negierung ihre Forderung nach einheimischen Bischöfen<lb/>
abgeschlagen, beschlossen sie, sich, soweit möglich, selbst zu helfen. Sobald jetzt<lb/>
der griechische Bischof in der Kirche erschien, entfernte sich die Gemeinde.<lb/>
Niemand that ihm etwas zu Leide, aber er lebte in der Stadt ohne Einfluß.<lb/>
Nur ein paar Panduren, die in den Dörfern herumzogen, um dem Volke un¬<lb/>
gerechte Steuern für seinen Säckel abzunöthigen, hielten zu ihm als ihrem Brod¬<lb/>
herrn und Gesinnungsverwaudten. Der Versuch, mit den Bischöfen dahin zu<lb/>
unterhandeln, daß man ihnen gegen Erlaß dieser Steuern ein bestimmtes Ein¬<lb/>
kommen aus Gemeindemitteln auswerfen wollte, wurde abgelehnt, da ihre Kasse<lb/>
sich durch die herkömmlichen willkürlichen Erpressungen weit besser füllte.<lb/>
Wollten wir die nicht selten von blutigen Gewaltthaten begleiteten Räubereien<lb/>
dieser fanariotischen Bischöfe hier aufzählen, so könnten wir Bogen allein mit<lb/>
dem füllen, was in den Jahren kurz vor und nach dem Krimkriege ge¬<lb/>
schehen ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_689"> Denkt man sich dazu noch die Mißhandlung und Aussaugung des Volkes<lb/>
durch die türkischen Beamten, die nach jenem Kriege, in welchem sie den<lb/>
&#x201E;Muskof" allein besiegt zu haben wähnten, da ihnen die Hülfe der Westmächte<lb/>
nur als die Leistung von Vasallen ihres Padischah erschien, noch übermüthiger<lb/>
und rücksichtsloser auftraten als seither, so hat man eine Vorstellung von der<lb/>
Last von Leiden, unter denen das unglückliche bulgarische Volk seufzen<lb/>
mußte und noch heute seufzt. Die Hals der Sultaue sind, wie wir schon oft<lb/>
gesagt haben, reine Gaukelei und Spiegelfechterei, Stücke mit Unwahrheiten<lb/>
beschriebenen Papiers, schätzbares Material für eine zukünftige Geschichte des<lb/>
Untergangs der Türkei. In Konstantinopel und ein paar großen Städten der<lb/>
Provinzen mögen sie für die Christen einige Bedeutung haben, da man vor<lb/>
den Augen der Gesandten und Consuln nicht wohl Skandale dulden kann.<lb/>
Für die kleinen Städte und das platte Land haben sie nicht den geringsten<lb/>
Werth als den, daß sie Zeichen der Schwäche des Pfortenregiments sind,<lb/>
welches nicht ungestraft mehr wagen darf, die Forderungen der fremden Mächte<lb/>
trotzig zurückzuweisen, sondern ihnen wenigstens dnrch Versprechungen und<lb/>
papierne Reformen gerecht werden muß. Wären diese Erlasse aber auch auf¬<lb/>
richtig gemeint, so haben sie doch außerhalb der gedachten Orte keine Kraft, da<lb/>
das türkische Volk ihnen als koranwidrig seine Anerkennung versagt und die<lb/>
Beamten sie nicht vollziehen, ja in vielen Gegenden sie nicht einmal zu publi-<lb/>
ciren wagen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0203] erbietungen der katholischen Propaganda von sich, und wenn damals gewisse Zeitungen von bedeutenden Erfolgen jener Seelenfischer Roms erzählten, so tischten sie ihrem Publikum arge Uebertreibungen auf. Wir wollen ebenso wenig Römische als Griechische werden, erklärten die Bulgaren, und als die Negierung ihre Forderung nach einheimischen Bischöfen abgeschlagen, beschlossen sie, sich, soweit möglich, selbst zu helfen. Sobald jetzt der griechische Bischof in der Kirche erschien, entfernte sich die Gemeinde. Niemand that ihm etwas zu Leide, aber er lebte in der Stadt ohne Einfluß. Nur ein paar Panduren, die in den Dörfern herumzogen, um dem Volke un¬ gerechte Steuern für seinen Säckel abzunöthigen, hielten zu ihm als ihrem Brod¬ herrn und Gesinnungsverwaudten. Der Versuch, mit den Bischöfen dahin zu unterhandeln, daß man ihnen gegen Erlaß dieser Steuern ein bestimmtes Ein¬ kommen aus Gemeindemitteln auswerfen wollte, wurde abgelehnt, da ihre Kasse sich durch die herkömmlichen willkürlichen Erpressungen weit besser füllte. Wollten wir die nicht selten von blutigen Gewaltthaten begleiteten Räubereien dieser fanariotischen Bischöfe hier aufzählen, so könnten wir Bogen allein mit dem füllen, was in den Jahren kurz vor und nach dem Krimkriege ge¬ schehen ist. Denkt man sich dazu noch die Mißhandlung und Aussaugung des Volkes durch die türkischen Beamten, die nach jenem Kriege, in welchem sie den „Muskof" allein besiegt zu haben wähnten, da ihnen die Hülfe der Westmächte nur als die Leistung von Vasallen ihres Padischah erschien, noch übermüthiger und rücksichtsloser auftraten als seither, so hat man eine Vorstellung von der Last von Leiden, unter denen das unglückliche bulgarische Volk seufzen mußte und noch heute seufzt. Die Hals der Sultaue sind, wie wir schon oft gesagt haben, reine Gaukelei und Spiegelfechterei, Stücke mit Unwahrheiten beschriebenen Papiers, schätzbares Material für eine zukünftige Geschichte des Untergangs der Türkei. In Konstantinopel und ein paar großen Städten der Provinzen mögen sie für die Christen einige Bedeutung haben, da man vor den Augen der Gesandten und Consuln nicht wohl Skandale dulden kann. Für die kleinen Städte und das platte Land haben sie nicht den geringsten Werth als den, daß sie Zeichen der Schwäche des Pfortenregiments sind, welches nicht ungestraft mehr wagen darf, die Forderungen der fremden Mächte trotzig zurückzuweisen, sondern ihnen wenigstens dnrch Versprechungen und papierne Reformen gerecht werden muß. Wären diese Erlasse aber auch auf¬ richtig gemeint, so haben sie doch außerhalb der gedachten Orte keine Kraft, da das türkische Volk ihnen als koranwidrig seine Anerkennung versagt und die Beamten sie nicht vollziehen, ja in vielen Gegenden sie nicht einmal zu publi- ciren wagen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/203
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/203>, abgerufen am 23.07.2024.