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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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hier sagen, sollen wir denn in der Sünde beharren? In dieser Predigt,
lehrete er weitläuffig, was für Schaden die Ketzerey anrichte, wie selbe die
christliche Kirche zerstöhre, die Leute Christo entführe, und gleichsam dem Teufel
in den Rachen stecke. Es stünde der weltlichen Obrigkeit zu, solche zu unter¬
drücken, und deren Anhänger aus dem Wege zu räumen. Denn solche Ketzer
wären viel ärger als ein Tyranne, er sey gleich wer er wolle: derohalben, fuhr
er fort, ist es billig, und gehöret, unüberwindlicher Kaiser, Ew. kaiserl. Majestät
zu, diesen halsstarrigen Ketzer, weil er in unseren Händen ist, hinzurichten.
Jhro kaiserl. Majestät werden dadurch, bey Jungen und Alten, weil die Welt
stehet, einen unsterblichen Namen erlangen, wenn dieselben so eine herrliche
und Gott wohlgefällige That vollbringen.

Als dieser ausgeredet, stieg einer auf mit Namen Heinrich, welcher der
Sprecher des Concilii, vermahnte die ganze Versammlung, sie sollen ja nicht
ruhen und nachlassen, bis sie den verstockten Ketzer, der so halsstarrig in denen
verdammten Irrthümern beharrete, verbrämte hätten. Nach diesen stund ein
Bischof auf, gieng zu dem Pulte, auf welchen sie ehemals ihre Decreta verlesen
liessen, und erzehlete, was Huß mit dem Erzbischof von Prag und den Herren
des Kapitels*) vorgehabt, er verlaß auch alles, was sie mit Hussen bey dem
Coneilio abgehandelt, und endlich anch dasjenige, was ihm die Zeugen schuld
gaben. Als man anfieng zu lesen, nehmlich: Huß lehret, es sey eine heilige
catholische Kirche, welches ist eine Hauffe aller Rechtgläubigen, zu dem ewigen
Leben von GOtt verordnet, welches ketzerisch ist, antwortete Huß mit lauter
Stimme: Ich zweifele ganz nicht, es sey eine heilige christliche Kirche, welche
ist eine Versammlung aller Auserwehlten beydes in dieser als auch in jener
Welt. Der Cardinal von Cammenach aber fiel ihm ins Wort und sprach:
Halte das Maul, bis es gelesen ist, alsdann so antworte. Aber Huß sprach:
Wollt ihr mir das Maul auch ietzo verbieten, wo ist es möglich, daß ich her¬
nach auf alles antworten kau, welches so viel ist, daß ich unmöglich alles zu
merken im Stande bin. Da man wiederum was anders vorlaß, und Huß
darauf antworten wollte, sprach der Cardinal von Florenz, einer von den
Richtern: Schweig du Ketzer, und befahl den Schergen, daß sie ihn darzu
zwingen sollen. Darauf hub Huß, feine Hände gen Himmel, und fagte mit
Heller Stimme: Ich bitte euch um GOtteswillen, höret mich nur wegen derer,
so herumstehen, auf daß ich mich entschuldigen, und deren Argwohn aus ihren
Herzen nehmen möge, hernach verfahret mit mir, wie ihr wollet. Da er noch
nicht konnte Verhör erlangen, fiel er auf die Knie, hub die Augen und Hände
gen Himmel und befahl die Sachen GOtt. Dieses that er öfters, als so lange
man laß. Nun kam man auf dasjenige, was die Zeugen sollen ausgesagt



") Vor diesen hatte eine Vernehmung Hussens stattgefunden.

hier sagen, sollen wir denn in der Sünde beharren? In dieser Predigt,
lehrete er weitläuffig, was für Schaden die Ketzerey anrichte, wie selbe die
christliche Kirche zerstöhre, die Leute Christo entführe, und gleichsam dem Teufel
in den Rachen stecke. Es stünde der weltlichen Obrigkeit zu, solche zu unter¬
drücken, und deren Anhänger aus dem Wege zu räumen. Denn solche Ketzer
wären viel ärger als ein Tyranne, er sey gleich wer er wolle: derohalben, fuhr
er fort, ist es billig, und gehöret, unüberwindlicher Kaiser, Ew. kaiserl. Majestät
zu, diesen halsstarrigen Ketzer, weil er in unseren Händen ist, hinzurichten.
Jhro kaiserl. Majestät werden dadurch, bey Jungen und Alten, weil die Welt
stehet, einen unsterblichen Namen erlangen, wenn dieselben so eine herrliche
und Gott wohlgefällige That vollbringen.

Als dieser ausgeredet, stieg einer auf mit Namen Heinrich, welcher der
Sprecher des Concilii, vermahnte die ganze Versammlung, sie sollen ja nicht
ruhen und nachlassen, bis sie den verstockten Ketzer, der so halsstarrig in denen
verdammten Irrthümern beharrete, verbrämte hätten. Nach diesen stund ein
Bischof auf, gieng zu dem Pulte, auf welchen sie ehemals ihre Decreta verlesen
liessen, und erzehlete, was Huß mit dem Erzbischof von Prag und den Herren
des Kapitels*) vorgehabt, er verlaß auch alles, was sie mit Hussen bey dem
Coneilio abgehandelt, und endlich anch dasjenige, was ihm die Zeugen schuld
gaben. Als man anfieng zu lesen, nehmlich: Huß lehret, es sey eine heilige
catholische Kirche, welches ist eine Hauffe aller Rechtgläubigen, zu dem ewigen
Leben von GOtt verordnet, welches ketzerisch ist, antwortete Huß mit lauter
Stimme: Ich zweifele ganz nicht, es sey eine heilige christliche Kirche, welche
ist eine Versammlung aller Auserwehlten beydes in dieser als auch in jener
Welt. Der Cardinal von Cammenach aber fiel ihm ins Wort und sprach:
Halte das Maul, bis es gelesen ist, alsdann so antworte. Aber Huß sprach:
Wollt ihr mir das Maul auch ietzo verbieten, wo ist es möglich, daß ich her¬
nach auf alles antworten kau, welches so viel ist, daß ich unmöglich alles zu
merken im Stande bin. Da man wiederum was anders vorlaß, und Huß
darauf antworten wollte, sprach der Cardinal von Florenz, einer von den
Richtern: Schweig du Ketzer, und befahl den Schergen, daß sie ihn darzu
zwingen sollen. Darauf hub Huß, feine Hände gen Himmel, und fagte mit
Heller Stimme: Ich bitte euch um GOtteswillen, höret mich nur wegen derer,
so herumstehen, auf daß ich mich entschuldigen, und deren Argwohn aus ihren
Herzen nehmen möge, hernach verfahret mit mir, wie ihr wollet. Da er noch
nicht konnte Verhör erlangen, fiel er auf die Knie, hub die Augen und Hände
gen Himmel und befahl die Sachen GOtt. Dieses that er öfters, als so lange
man laß. Nun kam man auf dasjenige, was die Zeugen sollen ausgesagt



") Vor diesen hatte eine Vernehmung Hussens stattgefunden.
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[0191] hier sagen, sollen wir denn in der Sünde beharren? In dieser Predigt, lehrete er weitläuffig, was für Schaden die Ketzerey anrichte, wie selbe die christliche Kirche zerstöhre, die Leute Christo entführe, und gleichsam dem Teufel in den Rachen stecke. Es stünde der weltlichen Obrigkeit zu, solche zu unter¬ drücken, und deren Anhänger aus dem Wege zu räumen. Denn solche Ketzer wären viel ärger als ein Tyranne, er sey gleich wer er wolle: derohalben, fuhr er fort, ist es billig, und gehöret, unüberwindlicher Kaiser, Ew. kaiserl. Majestät zu, diesen halsstarrigen Ketzer, weil er in unseren Händen ist, hinzurichten. Jhro kaiserl. Majestät werden dadurch, bey Jungen und Alten, weil die Welt stehet, einen unsterblichen Namen erlangen, wenn dieselben so eine herrliche und Gott wohlgefällige That vollbringen. Als dieser ausgeredet, stieg einer auf mit Namen Heinrich, welcher der Sprecher des Concilii, vermahnte die ganze Versammlung, sie sollen ja nicht ruhen und nachlassen, bis sie den verstockten Ketzer, der so halsstarrig in denen verdammten Irrthümern beharrete, verbrämte hätten. Nach diesen stund ein Bischof auf, gieng zu dem Pulte, auf welchen sie ehemals ihre Decreta verlesen liessen, und erzehlete, was Huß mit dem Erzbischof von Prag und den Herren des Kapitels*) vorgehabt, er verlaß auch alles, was sie mit Hussen bey dem Coneilio abgehandelt, und endlich anch dasjenige, was ihm die Zeugen schuld gaben. Als man anfieng zu lesen, nehmlich: Huß lehret, es sey eine heilige catholische Kirche, welches ist eine Hauffe aller Rechtgläubigen, zu dem ewigen Leben von GOtt verordnet, welches ketzerisch ist, antwortete Huß mit lauter Stimme: Ich zweifele ganz nicht, es sey eine heilige christliche Kirche, welche ist eine Versammlung aller Auserwehlten beydes in dieser als auch in jener Welt. Der Cardinal von Cammenach aber fiel ihm ins Wort und sprach: Halte das Maul, bis es gelesen ist, alsdann so antworte. Aber Huß sprach: Wollt ihr mir das Maul auch ietzo verbieten, wo ist es möglich, daß ich her¬ nach auf alles antworten kau, welches so viel ist, daß ich unmöglich alles zu merken im Stande bin. Da man wiederum was anders vorlaß, und Huß darauf antworten wollte, sprach der Cardinal von Florenz, einer von den Richtern: Schweig du Ketzer, und befahl den Schergen, daß sie ihn darzu zwingen sollen. Darauf hub Huß, feine Hände gen Himmel, und fagte mit Heller Stimme: Ich bitte euch um GOtteswillen, höret mich nur wegen derer, so herumstehen, auf daß ich mich entschuldigen, und deren Argwohn aus ihren Herzen nehmen möge, hernach verfahret mit mir, wie ihr wollet. Da er noch nicht konnte Verhör erlangen, fiel er auf die Knie, hub die Augen und Hände gen Himmel und befahl die Sachen GOtt. Dieses that er öfters, als so lange man laß. Nun kam man auf dasjenige, was die Zeugen sollen ausgesagt ") Vor diesen hatte eine Vernehmung Hussens stattgefunden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/191>, abgerufen am 23.07.2024.