Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Es war eine traurige Heimkehr. Camoens fand das Volk nicht mehr, das
er verlassen hatte. Im Jahre vorher hatte die Pest Lissabon furchtbar heim¬
gesucht, und wenige Häuser waren ohne Trauer. Dazu kam die Finanzkrisis
im Laude und die schlechte Verwaltung. Der einst so ritterliche und poesievolle
Hof war ein Tummelplatz bigotter Unduldsamkeit geworden. Der junge König
Sebastian verfolgte eine thörichte und unheilvolle Politik. Die Geistlichkeit
hatte die Prophezeiung verbreitet, Lissabon werde durch ein Erdbeben zu
Grunde gehen. Die Stimmung, die sich aus alledem entwickelt hatte, war
einer begeisterte" Aufnahme seines großen Werkes nicht günstig. Er fühlte das
selbst, er verlor, wie er in den Lusiaden sagt, die Lust zu schreiben, und sein
Herz erkaltete. Indeß fand er am Hofe in Manoel von Portugal eiuen Gönner,
der ihm beim Könige die Erlaubniß zum Drucke seiner Dichtung auswirkte,
welche nun, nachdem sie noch die Censur der Inquisition passirt und eine nur
glimpfliche Verstümmelung dnrch die hier waltenden Dominicaner erfahren
hatte, im Juli 1572 bei Antonio Gonzalves erschien. Neid und Pedanterie
traten gegen dieselbe auf und wußten daran Allerlei zu tadeln. Doch fand
das Werk auch Anerkennung selbst in den Hofkreisen, wo der Graf Pedro da
Alcazova Carneirv dem Dichter auf die Frage, was der größte Fehler an seinen
Lusiaden sei, die Antwort gab: "Sie haben einen sehr großen, das Gedicht ist
nicht kurz genug, um auswendig gelernt werden zu können, und nicht lang
genng, daß man nie aufhören muß, darin zu lesen." Der König verlieh ihm
dafür eine jährliche Pension von 15,000 Reis (damals etwa soviel wie 80 Mark)
auf drei Jahre, und nach wenigen Monaten erlebten die Lusiaden eine zweite
Auflage. Der spanische Dichter Herrera übersetzte sie in seine Muttersprache,
und Tasso widmete Camoens ein schönes Sonett, so daß dieser mit Recht
sagen konnte, daß "ihn der Betis höre" und "der Tiber preise." Aber das
karge Jahrgehalt, das ihm der König ausgesetzt, wurde uur sehr unregelmäßig
ausgezahlt, und zum Ueberfluß wurden ihm die Gedichte, die er als "Parnaß"
herauszugeben beabsichtigte, und damit außer einem Theile seines Ruhmes
auch ein Mittel zu pecuniären Erwerb, um diese Zeit gestohlen. Zuletzt verlor
er 1577 durch Tod oder Wegzug auch seine bisherigen Gönner am Hofe, und
so versank der unglückselige Dichter in die bitterste Armuth, in der er oft nicht
das Nöthigste zum Leben hatte. Er würde verhungert fein, wenn sein treuer
Neger Antonio, der ihm aus Indien gefolgt war, nicht des Nachts in den
Straßen von Lissabon für ihn gebettelt hätte. Wie um dem Unglück des Dichters
die Krone aufzusetzen, kam im August 1578 die Kunde von der großen Nieder¬
lage nach Lissabon, welche der König Sebastian im Kampfe mit den Mauren
bei Alkaffar Kebir erlitten hatte. Der König war gefallen, mehrere Freunde
des Dichters in die Gefangenschaft der Mauren gerathen, der Kriegsruhm


Es war eine traurige Heimkehr. Camoens fand das Volk nicht mehr, das
er verlassen hatte. Im Jahre vorher hatte die Pest Lissabon furchtbar heim¬
gesucht, und wenige Häuser waren ohne Trauer. Dazu kam die Finanzkrisis
im Laude und die schlechte Verwaltung. Der einst so ritterliche und poesievolle
Hof war ein Tummelplatz bigotter Unduldsamkeit geworden. Der junge König
Sebastian verfolgte eine thörichte und unheilvolle Politik. Die Geistlichkeit
hatte die Prophezeiung verbreitet, Lissabon werde durch ein Erdbeben zu
Grunde gehen. Die Stimmung, die sich aus alledem entwickelt hatte, war
einer begeisterte« Aufnahme seines großen Werkes nicht günstig. Er fühlte das
selbst, er verlor, wie er in den Lusiaden sagt, die Lust zu schreiben, und sein
Herz erkaltete. Indeß fand er am Hofe in Manoel von Portugal eiuen Gönner,
der ihm beim Könige die Erlaubniß zum Drucke seiner Dichtung auswirkte,
welche nun, nachdem sie noch die Censur der Inquisition passirt und eine nur
glimpfliche Verstümmelung dnrch die hier waltenden Dominicaner erfahren
hatte, im Juli 1572 bei Antonio Gonzalves erschien. Neid und Pedanterie
traten gegen dieselbe auf und wußten daran Allerlei zu tadeln. Doch fand
das Werk auch Anerkennung selbst in den Hofkreisen, wo der Graf Pedro da
Alcazova Carneirv dem Dichter auf die Frage, was der größte Fehler an seinen
Lusiaden sei, die Antwort gab: „Sie haben einen sehr großen, das Gedicht ist
nicht kurz genug, um auswendig gelernt werden zu können, und nicht lang
genng, daß man nie aufhören muß, darin zu lesen." Der König verlieh ihm
dafür eine jährliche Pension von 15,000 Reis (damals etwa soviel wie 80 Mark)
auf drei Jahre, und nach wenigen Monaten erlebten die Lusiaden eine zweite
Auflage. Der spanische Dichter Herrera übersetzte sie in seine Muttersprache,
und Tasso widmete Camoens ein schönes Sonett, so daß dieser mit Recht
sagen konnte, daß „ihn der Betis höre" und „der Tiber preise." Aber das
karge Jahrgehalt, das ihm der König ausgesetzt, wurde uur sehr unregelmäßig
ausgezahlt, und zum Ueberfluß wurden ihm die Gedichte, die er als „Parnaß"
herauszugeben beabsichtigte, und damit außer einem Theile seines Ruhmes
auch ein Mittel zu pecuniären Erwerb, um diese Zeit gestohlen. Zuletzt verlor
er 1577 durch Tod oder Wegzug auch seine bisherigen Gönner am Hofe, und
so versank der unglückselige Dichter in die bitterste Armuth, in der er oft nicht
das Nöthigste zum Leben hatte. Er würde verhungert fein, wenn sein treuer
Neger Antonio, der ihm aus Indien gefolgt war, nicht des Nachts in den
Straßen von Lissabon für ihn gebettelt hätte. Wie um dem Unglück des Dichters
die Krone aufzusetzen, kam im August 1578 die Kunde von der großen Nieder¬
lage nach Lissabon, welche der König Sebastian im Kampfe mit den Mauren
bei Alkaffar Kebir erlitten hatte. Der König war gefallen, mehrere Freunde
des Dichters in die Gefangenschaft der Mauren gerathen, der Kriegsruhm


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137356"/>
          <p xml:id="ID_628" next="#ID_629"> Es war eine traurige Heimkehr. Camoens fand das Volk nicht mehr, das<lb/>
er verlassen hatte. Im Jahre vorher hatte die Pest Lissabon furchtbar heim¬<lb/>
gesucht, und wenige Häuser waren ohne Trauer. Dazu kam die Finanzkrisis<lb/>
im Laude und die schlechte Verwaltung. Der einst so ritterliche und poesievolle<lb/>
Hof war ein Tummelplatz bigotter Unduldsamkeit geworden. Der junge König<lb/>
Sebastian verfolgte eine thörichte und unheilvolle Politik. Die Geistlichkeit<lb/>
hatte die Prophezeiung verbreitet, Lissabon werde durch ein Erdbeben zu<lb/>
Grunde gehen. Die Stimmung, die sich aus alledem entwickelt hatte, war<lb/>
einer begeisterte« Aufnahme seines großen Werkes nicht günstig. Er fühlte das<lb/>
selbst, er verlor, wie er in den Lusiaden sagt, die Lust zu schreiben, und sein<lb/>
Herz erkaltete. Indeß fand er am Hofe in Manoel von Portugal eiuen Gönner,<lb/>
der ihm beim Könige die Erlaubniß zum Drucke seiner Dichtung auswirkte,<lb/>
welche nun, nachdem sie noch die Censur der Inquisition passirt und eine nur<lb/>
glimpfliche Verstümmelung dnrch die hier waltenden Dominicaner erfahren<lb/>
hatte, im Juli 1572 bei Antonio Gonzalves erschien. Neid und Pedanterie<lb/>
traten gegen dieselbe auf und wußten daran Allerlei zu tadeln. Doch fand<lb/>
das Werk auch Anerkennung selbst in den Hofkreisen, wo der Graf Pedro da<lb/>
Alcazova Carneirv dem Dichter auf die Frage, was der größte Fehler an seinen<lb/>
Lusiaden sei, die Antwort gab: &#x201E;Sie haben einen sehr großen, das Gedicht ist<lb/>
nicht kurz genug, um auswendig gelernt werden zu können, und nicht lang<lb/>
genng, daß man nie aufhören muß, darin zu lesen." Der König verlieh ihm<lb/>
dafür eine jährliche Pension von 15,000 Reis (damals etwa soviel wie 80 Mark)<lb/>
auf drei Jahre, und nach wenigen Monaten erlebten die Lusiaden eine zweite<lb/>
Auflage. Der spanische Dichter Herrera übersetzte sie in seine Muttersprache,<lb/>
und Tasso widmete Camoens ein schönes Sonett, so daß dieser mit Recht<lb/>
sagen konnte, daß &#x201E;ihn der Betis höre" und &#x201E;der Tiber preise." Aber das<lb/>
karge Jahrgehalt, das ihm der König ausgesetzt, wurde uur sehr unregelmäßig<lb/>
ausgezahlt, und zum Ueberfluß wurden ihm die Gedichte, die er als &#x201E;Parnaß"<lb/>
herauszugeben beabsichtigte, und damit außer einem Theile seines Ruhmes<lb/>
auch ein Mittel zu pecuniären Erwerb, um diese Zeit gestohlen. Zuletzt verlor<lb/>
er 1577 durch Tod oder Wegzug auch seine bisherigen Gönner am Hofe, und<lb/>
so versank der unglückselige Dichter in die bitterste Armuth, in der er oft nicht<lb/>
das Nöthigste zum Leben hatte. Er würde verhungert fein, wenn sein treuer<lb/>
Neger Antonio, der ihm aus Indien gefolgt war, nicht des Nachts in den<lb/>
Straßen von Lissabon für ihn gebettelt hätte. Wie um dem Unglück des Dichters<lb/>
die Krone aufzusetzen, kam im August 1578 die Kunde von der großen Nieder¬<lb/>
lage nach Lissabon, welche der König Sebastian im Kampfe mit den Mauren<lb/>
bei Alkaffar Kebir erlitten hatte. Der König war gefallen, mehrere Freunde<lb/>
des Dichters in die Gefangenschaft der Mauren gerathen, der Kriegsruhm</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0183] Es war eine traurige Heimkehr. Camoens fand das Volk nicht mehr, das er verlassen hatte. Im Jahre vorher hatte die Pest Lissabon furchtbar heim¬ gesucht, und wenige Häuser waren ohne Trauer. Dazu kam die Finanzkrisis im Laude und die schlechte Verwaltung. Der einst so ritterliche und poesievolle Hof war ein Tummelplatz bigotter Unduldsamkeit geworden. Der junge König Sebastian verfolgte eine thörichte und unheilvolle Politik. Die Geistlichkeit hatte die Prophezeiung verbreitet, Lissabon werde durch ein Erdbeben zu Grunde gehen. Die Stimmung, die sich aus alledem entwickelt hatte, war einer begeisterte« Aufnahme seines großen Werkes nicht günstig. Er fühlte das selbst, er verlor, wie er in den Lusiaden sagt, die Lust zu schreiben, und sein Herz erkaltete. Indeß fand er am Hofe in Manoel von Portugal eiuen Gönner, der ihm beim Könige die Erlaubniß zum Drucke seiner Dichtung auswirkte, welche nun, nachdem sie noch die Censur der Inquisition passirt und eine nur glimpfliche Verstümmelung dnrch die hier waltenden Dominicaner erfahren hatte, im Juli 1572 bei Antonio Gonzalves erschien. Neid und Pedanterie traten gegen dieselbe auf und wußten daran Allerlei zu tadeln. Doch fand das Werk auch Anerkennung selbst in den Hofkreisen, wo der Graf Pedro da Alcazova Carneirv dem Dichter auf die Frage, was der größte Fehler an seinen Lusiaden sei, die Antwort gab: „Sie haben einen sehr großen, das Gedicht ist nicht kurz genug, um auswendig gelernt werden zu können, und nicht lang genng, daß man nie aufhören muß, darin zu lesen." Der König verlieh ihm dafür eine jährliche Pension von 15,000 Reis (damals etwa soviel wie 80 Mark) auf drei Jahre, und nach wenigen Monaten erlebten die Lusiaden eine zweite Auflage. Der spanische Dichter Herrera übersetzte sie in seine Muttersprache, und Tasso widmete Camoens ein schönes Sonett, so daß dieser mit Recht sagen konnte, daß „ihn der Betis höre" und „der Tiber preise." Aber das karge Jahrgehalt, das ihm der König ausgesetzt, wurde uur sehr unregelmäßig ausgezahlt, und zum Ueberfluß wurden ihm die Gedichte, die er als „Parnaß" herauszugeben beabsichtigte, und damit außer einem Theile seines Ruhmes auch ein Mittel zu pecuniären Erwerb, um diese Zeit gestohlen. Zuletzt verlor er 1577 durch Tod oder Wegzug auch seine bisherigen Gönner am Hofe, und so versank der unglückselige Dichter in die bitterste Armuth, in der er oft nicht das Nöthigste zum Leben hatte. Er würde verhungert fein, wenn sein treuer Neger Antonio, der ihm aus Indien gefolgt war, nicht des Nachts in den Straßen von Lissabon für ihn gebettelt hätte. Wie um dem Unglück des Dichters die Krone aufzusetzen, kam im August 1578 die Kunde von der großen Nieder¬ lage nach Lissabon, welche der König Sebastian im Kampfe mit den Mauren bei Alkaffar Kebir erlitten hatte. Der König war gefallen, mehrere Freunde des Dichters in die Gefangenschaft der Mauren gerathen, der Kriegsruhm

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/183
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/183>, abgerufen am 26.08.2024.