Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.Camoens aber stieß zufällig auf die Zankenden, und ohne die Sache weiter Nachdem er über sechs Wochen thatenlos in Goa gelegen, machte er den Hier erweiterte er den Kreis seiner Bekannten, gewann den Dichter An¬ Camoens aber stieß zufällig auf die Zankenden, und ohne die Sache weiter Nachdem er über sechs Wochen thatenlos in Goa gelegen, machte er den Hier erweiterte er den Kreis seiner Bekannten, gewann den Dichter An¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137354"/> <p xml:id="ID_622" prev="#ID_621"> Camoens aber stieß zufällig auf die Zankenden, und ohne die Sache weiter<lb/> zu untersuchen, zog er vom Leder und hieb den königlichen Diener über den<lb/> Nacken. Er wurde darauf verhaftet und erhielt erst nach zehn Monaten seine<lb/> Freiheit wieder, und zwar unter der Bedingung, als Soldat nach Indien zu<lb/> gehen. Am 7. März 1553 entließ man ihn aus dem Gefängnisse, und am<lb/> 24. schon schiffte er sich nach Goa ein. Nach einer stürmischen Fahrt dort<lb/> angelangt, fand er betrübende Zustände vor. In Gedichten dieser Periode<lb/> nennt er das Land „das Grab jedes armen Ehrlichen" und klagt, daß in<lb/> diesem „blinden Reich des Irrthums Edelsinn, Kraft und Wissen an den<lb/> Thüren der Habsucht und Niedrigkeit betteln gehen." Trotzdem gefiel es ihm<lb/> anfänglich hier ganz wohl. Er traf Bekannte und Verwandte in indischen<lb/> Diensten und sah sich „geachteter als die Stiere von Merceana und ruhiger<lb/> als die Zelle eines Predigermönchs." Nur die Raufbolde der Straßen von<lb/> Lissabon fehlten, und statt der dortigen schönen Damen sah er hier nnr alte<lb/> Weiber, die ein elendes Portugiesisch sprachen und keinen Sinn für Liebesaben¬<lb/> teuer hatten. Indeß tröstete er sich über den letzten Punkt mit der Mulattin<lb/> Lniza Barbora, auf deren schwarzen Teint und deren sonstige Reize er schöne<lb/> Verse dichtete.</p><lb/> <p xml:id="ID_623"> Nachdem er über sechs Wochen thatenlos in Goa gelegen, machte er den<lb/> Feldzug mit, bei welchem die Portugiesen unter Alfons de Noronha an der<lb/> Seite des Königs von Köchin kämpften, dann die Expedition, welche der Vice-<lb/> könig für seinen Sohn Fernando de Menezas ausrüstete — Erlebnisse, die<lb/> der Dichter in der zehnten Canzone schildert. Günstiger gestalteten sich die<lb/> Verhältnisse für Camoens, als im Sommer der neue Vicekönig Francisco<lb/> Bareto sein Amt antrat. Der Dichter verfaßte zur Feier dieses Tages das<lb/> Stück „Filodemus", und bei der Aufführung desselben trug der Poet Johann<lb/> Lopes Lenau jenes berühmte Sonett auf Camoens vor, in welchem dieser mit<lb/> Terenz und Plautus verglichen und schon auf eine virgilische Dichtung von<lb/> ihm hingedeutet wird. Doch sollte Camoens sich dieser besseren Wendung seines<lb/> Geschicks nicht lange erfreuen. Er verfaßte die Satire „Vom Turniere", ein<lb/> treues Bild der Verdorbenheit aller Stände, die in Indien eingerissen war,<lb/> und wurde dadurch in Goa unmöglich. Der Vicekönig schickte ihn im März<lb/> 1556 nach Makao in China, wo er als Oberintendant der Güter verstorbener<lb/> oder abwesender Kaufleute, deren Eigenthum bis dahin gewöhnlich unterschlagen<lb/> worden war, Ordnung stiften sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_624" next="#ID_625"> Hier erweiterte er den Kreis seiner Bekannten, gewann den Dichter An¬<lb/> tonio de Abreu sich zum Freunde und verlebte ruhige Tage, in denen er in<lb/> einer Felsengrotte beim Dorfe Patane einen großen Theil seines unsterblichen<lb/> Epos niederschrieb. Aber allmählich regte sich anch hier der Haß und Neid</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0181]
Camoens aber stieß zufällig auf die Zankenden, und ohne die Sache weiter
zu untersuchen, zog er vom Leder und hieb den königlichen Diener über den
Nacken. Er wurde darauf verhaftet und erhielt erst nach zehn Monaten seine
Freiheit wieder, und zwar unter der Bedingung, als Soldat nach Indien zu
gehen. Am 7. März 1553 entließ man ihn aus dem Gefängnisse, und am
24. schon schiffte er sich nach Goa ein. Nach einer stürmischen Fahrt dort
angelangt, fand er betrübende Zustände vor. In Gedichten dieser Periode
nennt er das Land „das Grab jedes armen Ehrlichen" und klagt, daß in
diesem „blinden Reich des Irrthums Edelsinn, Kraft und Wissen an den
Thüren der Habsucht und Niedrigkeit betteln gehen." Trotzdem gefiel es ihm
anfänglich hier ganz wohl. Er traf Bekannte und Verwandte in indischen
Diensten und sah sich „geachteter als die Stiere von Merceana und ruhiger
als die Zelle eines Predigermönchs." Nur die Raufbolde der Straßen von
Lissabon fehlten, und statt der dortigen schönen Damen sah er hier nnr alte
Weiber, die ein elendes Portugiesisch sprachen und keinen Sinn für Liebesaben¬
teuer hatten. Indeß tröstete er sich über den letzten Punkt mit der Mulattin
Lniza Barbora, auf deren schwarzen Teint und deren sonstige Reize er schöne
Verse dichtete.
Nachdem er über sechs Wochen thatenlos in Goa gelegen, machte er den
Feldzug mit, bei welchem die Portugiesen unter Alfons de Noronha an der
Seite des Königs von Köchin kämpften, dann die Expedition, welche der Vice-
könig für seinen Sohn Fernando de Menezas ausrüstete — Erlebnisse, die
der Dichter in der zehnten Canzone schildert. Günstiger gestalteten sich die
Verhältnisse für Camoens, als im Sommer der neue Vicekönig Francisco
Bareto sein Amt antrat. Der Dichter verfaßte zur Feier dieses Tages das
Stück „Filodemus", und bei der Aufführung desselben trug der Poet Johann
Lopes Lenau jenes berühmte Sonett auf Camoens vor, in welchem dieser mit
Terenz und Plautus verglichen und schon auf eine virgilische Dichtung von
ihm hingedeutet wird. Doch sollte Camoens sich dieser besseren Wendung seines
Geschicks nicht lange erfreuen. Er verfaßte die Satire „Vom Turniere", ein
treues Bild der Verdorbenheit aller Stände, die in Indien eingerissen war,
und wurde dadurch in Goa unmöglich. Der Vicekönig schickte ihn im März
1556 nach Makao in China, wo er als Oberintendant der Güter verstorbener
oder abwesender Kaufleute, deren Eigenthum bis dahin gewöhnlich unterschlagen
worden war, Ordnung stiften sollte.
Hier erweiterte er den Kreis seiner Bekannten, gewann den Dichter An¬
tonio de Abreu sich zum Freunde und verlebte ruhige Tage, in denen er in
einer Felsengrotte beim Dorfe Patane einen großen Theil seines unsterblichen
Epos niederschrieb. Aber allmählich regte sich anch hier der Haß und Neid
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