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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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man schrieb lateinisch, selbst die Damen wetteiferten in der Kenntniß der alten
Sprache Roms. Desgleichen las man fleißig Ritterromane, da die Infantin
Donna Maria eine große Freundin derselben war. Der Hof dichtete, so gut
es gehen wollte, die Damen gaben das Motto, welches ihre Umgebung glossirte,
und Camoens fand dabei Gelegenheit, seine Begabung zu zeigen. Zu Besserem
veranlaßte ihn der tiefe Eindruck, den ein Fräulein aus dem Gefolge der Kö¬
nigin Catharina, Donna Catharina de Athaide, die Tochter des Antonio de
Lima, ans ihn machte. Sie begeisterte ihn zu der siebenten Canzone, die eine
von seinen schönsten lyrischen Ergüssen ist, zog ihm aber im Vater seiner Ge¬
liebten einen heftigen Gegner und Verfolger zu. Daneben regten sich Neider-
nnter denen sich der Dichter Caminha befand, welcher ihm in giftigen Epi¬
grammen Poesie und Wissen absprach. Ferner trug das Spiel "El Rei Se-
leueo" (der König Seleneos), welches Camoens im Jahre 1545 schrieb, wesent¬
lich bei, ihn bei Hofe mißliebig zu machen. Endlich kam dazu noch, daß sein
Onkel Bento Streitigkeiten mit letzterem hatte. So erfolgte 1546 seine Ver¬
weisung ins Exil. Den Plan, nach Coimbra zurückzukehren, vereitelte der
Tod seines dortigen Oheims. Er begab sich daher nach Ceuta, um als Sol¬
dat an den Kämpfen seiner Landsleute mit den Mauren theilzunehmen. Er
blieb dort zwei Jahre, focht tapfer mit und verlor in einem Gefechte mit den
Ungläubigen ein Auge. 1549 durfte er nach Lissabon zurückkehren, traf hier
aber nur den alten Haß und Neid, der ihn selbst wegen des für die vater¬
ländische Sache Verlornen Auges zu verhöhnen die Gemeinheit hatte. Es war
klar, daß er vom Hofe nichts zu erwarten hatte, und so war er schon 1550
im Begriffe, mit Alfons de Noronha, dem zum Vicekönig von Indien ernann¬
ten Oheim eines seiner Freunde, nach dem fernen Osten abzugehen. Doch
blieb er noch bis 1553 zurück, indem er ans die Gunst des Kronprinzen
Johann hoffte, der sich ans die Poesie gelegt hatte und einen Kreis von Dich¬
tern zweiten und dritten Ranges um sich versammelte. Allein auch diese Hoff-
nung schlug fehl, da es seinen Verleumdern gelang, ihm durch ihre übeln Nach¬
reden den Zutritt zu diesem Fürsten zu versperren. Schon damals hatte er
die Absicht, ein nationales Epos zu schaffen. Das Erscheinen der "Deeadas"
des Geschichtsschreibers de Barros bestärkte ihn darin, und nach unsrer Schrift
hätte er den ersten Gesang der Lusiaden wahrscheinlich bereits vor 1553, also
noch in Portugal geschrieben. Zu gleicher Zeit aber stürzte sich der Dichter,
um seinen Verdruß über sein Unglück zu betäuben, in allerlei unrühmliche
Abenteuer und verkehrte namentlich mit einer Gesellschaft von Raufbolden und
Ruhestörern, um nächtlichen Unfug zu verüben.

Am Fronleichnamstage 1552 kam es bei der Procession zwischen zwei
Freunden des Dichters und einem Stalldiener des Königs Johann zum Streite,


man schrieb lateinisch, selbst die Damen wetteiferten in der Kenntniß der alten
Sprache Roms. Desgleichen las man fleißig Ritterromane, da die Infantin
Donna Maria eine große Freundin derselben war. Der Hof dichtete, so gut
es gehen wollte, die Damen gaben das Motto, welches ihre Umgebung glossirte,
und Camoens fand dabei Gelegenheit, seine Begabung zu zeigen. Zu Besserem
veranlaßte ihn der tiefe Eindruck, den ein Fräulein aus dem Gefolge der Kö¬
nigin Catharina, Donna Catharina de Athaide, die Tochter des Antonio de
Lima, ans ihn machte. Sie begeisterte ihn zu der siebenten Canzone, die eine
von seinen schönsten lyrischen Ergüssen ist, zog ihm aber im Vater seiner Ge¬
liebten einen heftigen Gegner und Verfolger zu. Daneben regten sich Neider-
nnter denen sich der Dichter Caminha befand, welcher ihm in giftigen Epi¬
grammen Poesie und Wissen absprach. Ferner trug das Spiel „El Rei Se-
leueo" (der König Seleneos), welches Camoens im Jahre 1545 schrieb, wesent¬
lich bei, ihn bei Hofe mißliebig zu machen. Endlich kam dazu noch, daß sein
Onkel Bento Streitigkeiten mit letzterem hatte. So erfolgte 1546 seine Ver¬
weisung ins Exil. Den Plan, nach Coimbra zurückzukehren, vereitelte der
Tod seines dortigen Oheims. Er begab sich daher nach Ceuta, um als Sol¬
dat an den Kämpfen seiner Landsleute mit den Mauren theilzunehmen. Er
blieb dort zwei Jahre, focht tapfer mit und verlor in einem Gefechte mit den
Ungläubigen ein Auge. 1549 durfte er nach Lissabon zurückkehren, traf hier
aber nur den alten Haß und Neid, der ihn selbst wegen des für die vater¬
ländische Sache Verlornen Auges zu verhöhnen die Gemeinheit hatte. Es war
klar, daß er vom Hofe nichts zu erwarten hatte, und so war er schon 1550
im Begriffe, mit Alfons de Noronha, dem zum Vicekönig von Indien ernann¬
ten Oheim eines seiner Freunde, nach dem fernen Osten abzugehen. Doch
blieb er noch bis 1553 zurück, indem er ans die Gunst des Kronprinzen
Johann hoffte, der sich ans die Poesie gelegt hatte und einen Kreis von Dich¬
tern zweiten und dritten Ranges um sich versammelte. Allein auch diese Hoff-
nung schlug fehl, da es seinen Verleumdern gelang, ihm durch ihre übeln Nach¬
reden den Zutritt zu diesem Fürsten zu versperren. Schon damals hatte er
die Absicht, ein nationales Epos zu schaffen. Das Erscheinen der „Deeadas"
des Geschichtsschreibers de Barros bestärkte ihn darin, und nach unsrer Schrift
hätte er den ersten Gesang der Lusiaden wahrscheinlich bereits vor 1553, also
noch in Portugal geschrieben. Zu gleicher Zeit aber stürzte sich der Dichter,
um seinen Verdruß über sein Unglück zu betäuben, in allerlei unrühmliche
Abenteuer und verkehrte namentlich mit einer Gesellschaft von Raufbolden und
Ruhestörern, um nächtlichen Unfug zu verüben.

Am Fronleichnamstage 1552 kam es bei der Procession zwischen zwei
Freunden des Dichters und einem Stalldiener des Königs Johann zum Streite,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/180>, abgerufen am 23.07.2024.