Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Dichter der Luftaden.

Luiz de Camoens, der Sänger der Lusiaden. Biographische Skizze von Dr. Karl
v. ReinhardsMtner. Leipzig, K. Hildebrand und Comp., 1877.

Wenn der Verfasser dieser verdienstvollen kleinen Schrift meint, der Sänger
der Lusiaden sei von der Mitwelt nicht gebührend gewürdigt, von der Nach¬
welt vergessen worden, "sein tragisches Leben sei wie sein herrliches Werk un¬
bekannt geblieben, sein Name habe die Grenzen seines Vaterlands nicht über¬
schritten", so ist das zu viel gesagt. Sein Name wird auf jedem guten deut¬
schen Gymnasium den Schülern der obern Klaffen bekannt sein, und sein Werk
ist ins Spanische, Italienische, Französische, Englische, Polnische und wiederholt
(von Heise, Winkler, Donner und Eitner) ins Deutsche übertragen worden.
Ueber sein Leben berichten unsere drei verbreiterten Conversationslexika.
Friedrich Halm hat ihn dramatisch, Ludwig Tieck hat ihn novellistisch gefeiert.
Dennoch können die Leser d. Bl. den Wunsch haben, mehr über den großen
portugiesischen Epiker zu erfahre", zumal seine Landleute nächstens, wo drei
Jahrhunderte seit seinem Ableben verflossen sein werden, sein Gedächtniß
zu feiern sich veranlaßt sehen dürften, und so geben wir zunächst einen
Auszug aus dem hier Gebotenen und dann eine kurze Charakteristik seiner
Dichtung.

Luiz de Camoens wurde im Jahre 1524 zu Lissabon geboren. Sein
Vater war Simon Vaz de Camoens, seine Mutter Anna de Sa e Macedo.
1527 mit seinen Eltern vor der Pest nach Coimbra geflohen, verlebte der
Dichter hier die ersten Jahre seiner Kindheit "heiter und zufrieden für sich und
freute sich des Lebens", wie er in der 4. Canzone selbst erzählt. Um 1537
begann er an der Schule des dortigen Klosters von Santa Cruz, dem sein
Oheim Bento als Prior vorstand, seine Studien, durch die er sich eine gute
klassische Bildung erwarb, welche sich in seinen Dichtungen namentlich durch häufige
Bezugnahme auf mythologische Personen und Vorgänge ünßert. Die ersten
Verse, die er schrieb, waren eine Elegie auf das Leiden Christi, die nach dem
Geschmacke der damaligen Zeit überreich an Namen und anderen Gegenständen
der griechisch-römischen Götterlehre war. Auch mit den proventzalischen Dich¬
tern scheint er sich eingehend beschäftigt zu haben, wenn wir nach den An¬
merkungen schließen dürfen, die er seiner ebenfalls in jene erste Periode seines
dichterischen Schaffens gehörigen Übersetzung der Triumphe des Petrarca beigab.
Etwa achtzehn Jahre alt, verließ er als "lMelmrel l^two" Coimbra, um nach
Lissabon zu gehen, wo seine Talente und seine Bildung ihm Zutritt bei
Hofe verschafften. An letzterem liebte und Pflegte man die klassischen Dichter,


Der Dichter der Luftaden.

Luiz de Camoens, der Sänger der Lusiaden. Biographische Skizze von Dr. Karl
v. ReinhardsMtner. Leipzig, K. Hildebrand und Comp., 1877.

Wenn der Verfasser dieser verdienstvollen kleinen Schrift meint, der Sänger
der Lusiaden sei von der Mitwelt nicht gebührend gewürdigt, von der Nach¬
welt vergessen worden, „sein tragisches Leben sei wie sein herrliches Werk un¬
bekannt geblieben, sein Name habe die Grenzen seines Vaterlands nicht über¬
schritten", so ist das zu viel gesagt. Sein Name wird auf jedem guten deut¬
schen Gymnasium den Schülern der obern Klaffen bekannt sein, und sein Werk
ist ins Spanische, Italienische, Französische, Englische, Polnische und wiederholt
(von Heise, Winkler, Donner und Eitner) ins Deutsche übertragen worden.
Ueber sein Leben berichten unsere drei verbreiterten Conversationslexika.
Friedrich Halm hat ihn dramatisch, Ludwig Tieck hat ihn novellistisch gefeiert.
Dennoch können die Leser d. Bl. den Wunsch haben, mehr über den großen
portugiesischen Epiker zu erfahre», zumal seine Landleute nächstens, wo drei
Jahrhunderte seit seinem Ableben verflossen sein werden, sein Gedächtniß
zu feiern sich veranlaßt sehen dürften, und so geben wir zunächst einen
Auszug aus dem hier Gebotenen und dann eine kurze Charakteristik seiner
Dichtung.

Luiz de Camoens wurde im Jahre 1524 zu Lissabon geboren. Sein
Vater war Simon Vaz de Camoens, seine Mutter Anna de Sa e Macedo.
1527 mit seinen Eltern vor der Pest nach Coimbra geflohen, verlebte der
Dichter hier die ersten Jahre seiner Kindheit „heiter und zufrieden für sich und
freute sich des Lebens", wie er in der 4. Canzone selbst erzählt. Um 1537
begann er an der Schule des dortigen Klosters von Santa Cruz, dem sein
Oheim Bento als Prior vorstand, seine Studien, durch die er sich eine gute
klassische Bildung erwarb, welche sich in seinen Dichtungen namentlich durch häufige
Bezugnahme auf mythologische Personen und Vorgänge ünßert. Die ersten
Verse, die er schrieb, waren eine Elegie auf das Leiden Christi, die nach dem
Geschmacke der damaligen Zeit überreich an Namen und anderen Gegenständen
der griechisch-römischen Götterlehre war. Auch mit den proventzalischen Dich¬
tern scheint er sich eingehend beschäftigt zu haben, wenn wir nach den An¬
merkungen schließen dürfen, die er seiner ebenfalls in jene erste Periode seines
dichterischen Schaffens gehörigen Übersetzung der Triumphe des Petrarca beigab.
Etwa achtzehn Jahre alt, verließ er als »lMelmrel l^two« Coimbra, um nach
Lissabon zu gehen, wo seine Talente und seine Bildung ihm Zutritt bei
Hofe verschafften. An letzterem liebte und Pflegte man die klassischen Dichter,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0179" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137352"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Dichter der Luftaden.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_617"> Luiz de Camoens, der Sänger der Lusiaden.  Biographische Skizze von Dr. Karl<lb/>
v. ReinhardsMtner.  Leipzig, K. Hildebrand und Comp., 1877.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_618"> Wenn der Verfasser dieser verdienstvollen kleinen Schrift meint, der Sänger<lb/>
der Lusiaden sei von der Mitwelt nicht gebührend gewürdigt, von der Nach¬<lb/>
welt vergessen worden, &#x201E;sein tragisches Leben sei wie sein herrliches Werk un¬<lb/>
bekannt geblieben, sein Name habe die Grenzen seines Vaterlands nicht über¬<lb/>
schritten", so ist das zu viel gesagt. Sein Name wird auf jedem guten deut¬<lb/>
schen Gymnasium den Schülern der obern Klaffen bekannt sein, und sein Werk<lb/>
ist ins Spanische, Italienische, Französische, Englische, Polnische und wiederholt<lb/>
(von Heise, Winkler, Donner und Eitner) ins Deutsche übertragen worden.<lb/>
Ueber sein Leben berichten unsere drei verbreiterten Conversationslexika.<lb/>
Friedrich Halm hat ihn dramatisch, Ludwig Tieck hat ihn novellistisch gefeiert.<lb/>
Dennoch können die Leser d. Bl. den Wunsch haben, mehr über den großen<lb/>
portugiesischen Epiker zu erfahre», zumal seine Landleute nächstens, wo drei<lb/>
Jahrhunderte seit seinem Ableben verflossen sein werden, sein Gedächtniß<lb/>
zu feiern sich veranlaßt sehen dürften, und so geben wir zunächst einen<lb/>
Auszug aus dem hier Gebotenen und dann eine kurze Charakteristik seiner<lb/>
Dichtung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_619" next="#ID_620"> Luiz de Camoens wurde im Jahre 1524 zu Lissabon geboren. Sein<lb/>
Vater war Simon Vaz de Camoens, seine Mutter Anna de Sa e Macedo.<lb/>
1527 mit seinen Eltern vor der Pest nach Coimbra geflohen, verlebte der<lb/>
Dichter hier die ersten Jahre seiner Kindheit &#x201E;heiter und zufrieden für sich und<lb/>
freute sich des Lebens", wie er in der 4. Canzone selbst erzählt. Um 1537<lb/>
begann er an der Schule des dortigen Klosters von Santa Cruz, dem sein<lb/>
Oheim Bento als Prior vorstand, seine Studien, durch die er sich eine gute<lb/>
klassische Bildung erwarb, welche sich in seinen Dichtungen namentlich durch häufige<lb/>
Bezugnahme auf mythologische Personen und Vorgänge ünßert. Die ersten<lb/>
Verse, die er schrieb, waren eine Elegie auf das Leiden Christi, die nach dem<lb/>
Geschmacke der damaligen Zeit überreich an Namen und anderen Gegenständen<lb/>
der griechisch-römischen Götterlehre war. Auch mit den proventzalischen Dich¬<lb/>
tern scheint er sich eingehend beschäftigt zu haben, wenn wir nach den An¬<lb/>
merkungen schließen dürfen, die er seiner ebenfalls in jene erste Periode seines<lb/>
dichterischen Schaffens gehörigen Übersetzung der Triumphe des Petrarca beigab.<lb/>
Etwa achtzehn Jahre alt, verließ er als »lMelmrel l^two« Coimbra, um nach<lb/>
Lissabon zu gehen, wo seine Talente und seine Bildung ihm Zutritt bei<lb/>
Hofe verschafften. An letzterem liebte und Pflegte man die klassischen Dichter,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0179] Der Dichter der Luftaden. Luiz de Camoens, der Sänger der Lusiaden. Biographische Skizze von Dr. Karl v. ReinhardsMtner. Leipzig, K. Hildebrand und Comp., 1877. Wenn der Verfasser dieser verdienstvollen kleinen Schrift meint, der Sänger der Lusiaden sei von der Mitwelt nicht gebührend gewürdigt, von der Nach¬ welt vergessen worden, „sein tragisches Leben sei wie sein herrliches Werk un¬ bekannt geblieben, sein Name habe die Grenzen seines Vaterlands nicht über¬ schritten", so ist das zu viel gesagt. Sein Name wird auf jedem guten deut¬ schen Gymnasium den Schülern der obern Klaffen bekannt sein, und sein Werk ist ins Spanische, Italienische, Französische, Englische, Polnische und wiederholt (von Heise, Winkler, Donner und Eitner) ins Deutsche übertragen worden. Ueber sein Leben berichten unsere drei verbreiterten Conversationslexika. Friedrich Halm hat ihn dramatisch, Ludwig Tieck hat ihn novellistisch gefeiert. Dennoch können die Leser d. Bl. den Wunsch haben, mehr über den großen portugiesischen Epiker zu erfahre», zumal seine Landleute nächstens, wo drei Jahrhunderte seit seinem Ableben verflossen sein werden, sein Gedächtniß zu feiern sich veranlaßt sehen dürften, und so geben wir zunächst einen Auszug aus dem hier Gebotenen und dann eine kurze Charakteristik seiner Dichtung. Luiz de Camoens wurde im Jahre 1524 zu Lissabon geboren. Sein Vater war Simon Vaz de Camoens, seine Mutter Anna de Sa e Macedo. 1527 mit seinen Eltern vor der Pest nach Coimbra geflohen, verlebte der Dichter hier die ersten Jahre seiner Kindheit „heiter und zufrieden für sich und freute sich des Lebens", wie er in der 4. Canzone selbst erzählt. Um 1537 begann er an der Schule des dortigen Klosters von Santa Cruz, dem sein Oheim Bento als Prior vorstand, seine Studien, durch die er sich eine gute klassische Bildung erwarb, welche sich in seinen Dichtungen namentlich durch häufige Bezugnahme auf mythologische Personen und Vorgänge ünßert. Die ersten Verse, die er schrieb, waren eine Elegie auf das Leiden Christi, die nach dem Geschmacke der damaligen Zeit überreich an Namen und anderen Gegenständen der griechisch-römischen Götterlehre war. Auch mit den proventzalischen Dich¬ tern scheint er sich eingehend beschäftigt zu haben, wenn wir nach den An¬ merkungen schließen dürfen, die er seiner ebenfalls in jene erste Periode seines dichterischen Schaffens gehörigen Übersetzung der Triumphe des Petrarca beigab. Etwa achtzehn Jahre alt, verließ er als »lMelmrel l^two« Coimbra, um nach Lissabon zu gehen, wo seine Talente und seine Bildung ihm Zutritt bei Hofe verschafften. An letzterem liebte und Pflegte man die klassischen Dichter,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/179
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/179>, abgerufen am 23.07.2024.